Islamismus: eine Sicht unter vielen

Boualem Sansal
Allahs Narren. Wie der Islamismus die Welt erobert
Merlin-Verlag, Hamburg 2013
176 Seiten, 14,95 Euro

Der Schriftsteller Boualem Sansal setzt sich mit dem Islamismus auseinander. Das geht nur so lange gut, wie er bei seiner Heimat Algerien bleibt. Als Einstieg in das Thema ist das Buch wenig geeignet.

Wer Boualem Sansals neuestes Buch in die Hand nimmt, sollte sich zwei Dinge vorab klar machen. Erstens: Der Autor von „Allahs Narren“ ist nicht Historiker oder Journalist. Das will er auch gar nicht sein. Er sei Schriftsteller und wolle sich dem Thema Islamismus auf seine eigene, subjektive Art nähern, schreibt er. Zweitens: Boualem Sansal ist während des Bürgerkriegs in Algerien nicht ins Exil gegangen. Er weiß, was es heißt, in einer Gesellschaft zu leben, die im Machtkampf zwischen einer autokratisch-säkularen Militärregierung und islamistischen Gruppen zerrieben wird.

Sehr aufschlussreich ist deshalb das Kapitel über den Islamismus in Algerien. Sansal schöpft aus seinen Erfahrungen und weiß seine Gedanken in eindrückliche Bilder zu packen, etwa wenn er von den ersten Gehversuchen der aus Ägypten, Saudi-Arabien oder Afghanistan importierten Prediger berichtet, die im Algerien der 1960er-Jahre allenfalls durch ihre altmodische Bekleidung auffielen. Mit ihrer theatralischen Art, einen konservativen Islam zu predigen, vermochten sie in einer dem Fortschrittsglauben verhafteten und säkularen Schicht, zu der Sansal selbst gehört, nichts auszurichten.

Die „Woge bigotter Frömmelei, die aus dem mysteriösen Orient zu uns herüberschwappte“, habe damals kaum einer bemerkt. Dass dieses Gedankengut doch die Herzen der Menschen eroberte, führt Sansal zum einen auf die Enge einer sozialistischen Bürokratie zurück, die der Jugend keine Entwicklungsperspektiven mehr bot. Zum anderen hatte sich die Führungselite durch ihre Korruptheit in den Augen der meisten Algerier diskreditiert. So weit, so lesenswert.

Politologen-Manier

Doch dann verlässt Sansal Algerien und holt zur allumfassenden Analyse des weltweiten Islamismus aus. Da lässt der Gewinn für den Leser deutlich nach. Unklar bleibt, in welcher Rolle Sansal sich selbst sieht. Wie ein Historiker, der er ja nicht sein will, informiert er über den Islam, die Scharia und die verschiedenen Rechtsschulen. Nach Politologen-Manier analysiert er die treibenden Kräfte des Islamismus, um sich dann in der Rolle des Intellektuellen vom Schreibtisch aus auf die Suche nach der Identität und der Zukunft der arabischen Welt zu machen.

Sansal ist für sein Talent zur Polemik und Reduktion bekannt. Viele seiner literarischen Werke leben davon. In „Allahs Narren“ sind diese schriftstellerischen Mittel aber nicht immer gut eingesetzt, wenn er zum Beispiel Christentum und Islam nebeneinander stellt und befindet, dass man zwar an denselben Gott glaube und dieselben Propheten habe. „Aber ansonsten: keine Gemeinsamkeiten.“ Das ist plump und wenig geistreich. Oder wenn er den Islamismus personalisiert, als sei er der Leibhaftige. Als Schriftsteller darf er natürlich so schreiben und Belege für seine Thesen auch einfach mal unter den Tisch fallen lassen. Aber muss der Leser ihm da wirklich folgen?

Als Einstiegswerk in das Thema Islamismus ist „Allahs Narren“ sicher nicht zu empfehlen. Es ist die persönliche Sicht eines algerischen Schriftstellers auf die aktuellen Geschehnisse in der arabischen Welt. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. (Katja Dorothea Buck)

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