Aufstand im Soja-Meer

Deutschland/ Schweiz 2011
Regie: Bettina Borgfeld, David Bernet, 84 Minuten,
Infos zu Vorführungen unter www.raising-resistance.com

Am Morgen steigt der Nebel aus dem Meer. Endlos dehnt sich der Ozean nach allen Seiten aus. Mittendrin auf seiner kleinen Insel sitzt Geronimo Arevalo, schmales Gesicht, breite Nase, 50 Jahre alt, und baut Gemüse an. Das Holzhaus ist ärmlich, aber die Familie lebt autark, sagt der Kleinbauer stolz. Das Meer, wie er es nennt, sind endlose Felder, auf denen nichts wächst außer genmanipuliertem Soja.

Bettina Borgfeld und David Bernet zeigen in ihrem Film „Raising Resistance“, wie sich Kleinbauern im Südosten des Binnenlandes Paraguay gegen den großfl ächigen Soja-Anbau zur Wehr setzen. Sie stellen sich Traktoren in den Weg, die Glyphosat versprühen, ein Pfl anzen- und Insektengift . Glyphosat tötet alles – außer Gen-Soja. Glyphosat macht uns krank, sagen die Bauern, die Angst um ihre Kinder haben. Bei der Vorstellung des Films berichtet Kleinbauer Arevalo in Frankfurt über Beschwerden wie Kopfschmerzen und Übelkeit. Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit nähmen zu. Der Wind der weiten Soja-Ebenen weht das Gift auf die Parzellen der Campesinos und zerstört ihre Ernten. Die Kleinbäuerin Juana Gonzales zeigt ihre verdorrten Erdnusspflanzen. Die Nüsse seien ungenießbar, sagt sie. In ihren Träumen wachsen rings um ihren kleinen Hof Bäume. Wenn Juana Gonzales aufwacht, sind wieder nur Sojafelder da.

Gonzales, Arevalo und eine Gruppe weiterer Bauern besetzen ein kleines Stück Land und versuchen, die Traktoren durch Blockaden aufzuhalten. Dabei wird klar: Nicht jeder Großlandwirt ist fein raus. Der Farmer Valirio Eichelberger, der gerade ins Geschäft einsteigen will, hat sich mit 50.000 US-Dollar verschuldet. Als sich seine Aussaat wegen der Proteste verzögert, kann er seine Verzweiflung nur schwer verbergen. Auch seine Existenz ist gefährdet. Seine Andeutungen lassen vermuten, dass er Verträge mit Firmen geschlossen hat, die Gen-Soja vertreiben.

Auch in Brasilien und Argentinien dominiert Gen-Soja ganze Landschaften

Die Filmemacher kombinieren eindrückliche Aufnahmen von Landschaft und Alltagsdetails mit O-Tönen der Betroffenen. Das funktioniert so gut, dass auf einen Off-Sprecher verzichtet wurde. Weil die Kamera den Menschen Zeit lässt, geben sie viel preis – die größte Stärke des Films. So werden traurige Wahrheiten ausgesprochen. „Die Erde in Paraguay ist perfekt für Soja“, schwärmt der erfolgreiche Farmer Clemente Busanello. Der US-Amerikaner John N. Beachy, vorgestellt als Pionier der Biotechnologie, kommentiert das Auftauchen eines Unkrauts, das selbst gegen die Giftkeule Glyphosat resistent ist, als „nicht unerwartet, aber doch enttäuschend“. Und der stets überlegte Kleinbauer Arevalo, der ebenso wie seine Mitstreiter befürchten muss, früher oder später verhaft et zu werden, sagt: „Ich verstehe nicht viel von Recht, aber ich weiß, dass wir Recht haben.“

Auch in Brasilien und Argentinien dominiert Gen-Soja ganze Landschaften. Die Pflanze enthält viel Protein und eignet sich damit ideal, um die Tiere zu mästen, deren Fleisch später billig in westlichen Supermärkten zu kaufen ist. Für den Anbau sind nur wenige Angestellte nötig. Gleichzeitig leben in Paraguay drei Millionen Menschen von Subsistenzwirtschaft , das ist fast die Hälfte der Bevölkerung. Zum Anbauen bleibt ihnen immer weniger Platz, so scheint es.

Die Paraguayer präsentieren sich in dem Film, den das Evangelische Zentrum für Entwicklungsbezogene Filmarbeit (EZEF) als DVD herausgeben will, als prinzipiell ruhige Leute, die den Streit nicht suchen. Doch das Thema Soja spaltet, Bauern und Farmer bewaffnen sich, ein Ausweg scheint nicht in Sicht, die Politik handelt nicht, vermittelt der Film. Gern würde Geronimo Arevalo gerichtlich gegen die Soja-Industrie vorgehen, doch beweisen können die Kleinbauern nicht, dass ihre Beschwerden vom Glyphosat kommen. Um den Zusammenhang herzustellen, wären Studien erforderlich. Dafür fehlt das Geld. Schlechte Zeiten für Arevalo und seine Mitstreiter. „Vielleicht sind wir die letzte Generation von Kleinbauern überhaupt“, überlegt er im Film. (Felix Ehring)

 

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