Die Farbe des Ozeans
Deutschland 2012
Regie: Maggie Peren, 79 Minuten
Vorführungen am 28. bis 30. Juni sowie 1. bis 4. Juli
in Stuttgart, Landesmuseum Württemberg Kino
Infos zu weiteren Vorführungen in ganz Deutschland
auf der filmeigenen Webseite
Tausende afrikanische Flüchtlinge versuchen, über das Meer nach Europa zu kommen. Manche schaffen den gefährlichen Trip an die Küsten Spaniens, Italiens oder Griechenlands, viele kommen unterwegs ums Leben. Besonders eklatant ist der Kontrast zwischen Urlauberspaß und Überlebenskampf, wenn halb verdurstete Schwarzafrikaner an kanarischen Stränden eintreffen. Bis zum Ausbruch der Wirtschaftskrise in Spanien gelangten monatlich rund 7000 Migranten dorthin.
Auf Gran Canaria hat auch die Autorin, Regisseurin und Schauspielerin Maggie Peren ihren Film angesiedelt. Beim Badeurlaub über Silvester wird die deutsche Touristin Nathalie Zeugin, wie ein Boot mit schwarzafrikanischen Flüchtlingen anlandet. Mehr als die Hälfte von ihnen ist bereits tot, die übrigen sind fast verdurstet. Als sie dem Senegalesen Zola und seinem siebenjährigen Sohn Mamadou spontan mit Wasser helfen will, schreitet der spanische Grenzpolizist José ein. Er lässt die Migranten nach der ersten Versorgung in ein Internierungslager schaffen. Dort versuchen die Beamten in Verhören zu klären, ob sie die Menschen in „sichere“ Herkunft sländer wie den Senegal zurückschicken können.
José ist durch den harten Job längst zum Zyniker geworden. Er kennt die gängigen Lügengeschichten der Flüchtlinge. So überlistet er Zola, der behauptet, aus dem Kongo zu stammen, weil Spanien dorthin nicht abschiebt. Weil viele Senegalesen Mamadou heißen, spricht er Zolas Sohn von hinten mit diesem Namen an: Der dreht sich prompt um. José, der selbst unter Druck steht, weil er seiner heroinsüchtigen Schwester helfen soll, rät Nathalie, sich von den Flüchtlingen fernzuhalten. Auch ihr Lebensgefährte Paul, ein gestresster Geschäftsmann, empfiehlt ihr, das Gesehene rasch zu vergessen. Doch dann können Zola und Mamadou aus dem Camp fliehen und bitten Nathalie um Geld und Kleidung. Als die Touristin ohne Wissen ihres Mannes Zola 1000 Euro für den schwarzafrikanischen Schlepper gibt, beschwört sie eine Katastrophe herauf.
Geschickt werden drei Erzählstränge miteinander verknüpft
In ruhigen, wegen der Hitze oft flirrenden Bildern von einer kargen Vulkaninsel kombiniert Peren die Schicksale ihrer Hauptfiguren zu einer bitteren Reflexion über den Widerspruch zwischen Menschlichkeit und Globalisierung, Flüchtlingselend und Touristenwohlstand, Samaritertum und Blutschuld. Hätte die Regie die drei Erzählstränge, die lange unverbunden nebeneinander herlaufen, enger verknüpft, wäre die Inszenierung wohl noch packender geworden. Trotz der prägnanten Kritik an den hässlichen Folgen der Globalisierung und den Defiziten einer Flüchtlingspolitik, die die „Festung Europa“ abschirmen will, wird das atmosphärisch dichte Drama nicht zum pädagogischen Appell, sondern stürzt die Zuschauer mit einer geschickten Dramaturgie nachvollziehbarer Konflikte in ein Wechselbad der Gefühle.
Die Hauptdarsteller Sabine Timoteo, Hubert Koundé und Alex Gonzalez bringen die inneren Brüche ihrer Figuren überzeugend auf die Leinwand. Peren zeigt distanziert, aber eindringlich, dass es in solchen extremen Situationen keine einfachen Lösungen gibt. Beklemmend ist vor allem ihre Bilanz der Möglichkeiten, anderen zu helfen: Kann der Einzelne helfen? Wann schadet diese Hilfe eher? Und ist Hilfe im Einzelfall angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen überhaupt sinnvoll, wenn die Ursachen der Flucht nicht behoben werden? (Reinhard Kleber)
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