Wie können wir dem Klimawandel, den knapper werdenden Ressourcen und drohenden Hungersnöten entgegentreten? Wie gestalten wir den Übergang in eine postfossile, lokal verankerte Wirtschaft? Es sind keine kleine Fragen, mit denen sich Nils Aguilar in seinem ersten Dokumentarfilm „Voices of Transition“ befasst. Parallel zu seinem Soziologie- und Philosophiestudium in Paris hat er vier Jahre an dem Low Budget-Projekt gearbeitet, das er nur mit Hilfe von Stipendien, Crowdfunding und vielen Freiwilligen fertigstellen konnte. Der Film lässt Landwirte, Agraringenieure, Umweltaktivisten und Bürger zu Wort kommen und liefert reichlich Denkanstöße – auch dank anschaulicher Beispiele des ökonomischen und sozialen Wandels. Schauplätze sind Frankreich, Großbritannien und Kuba. Der erste Teil zeigt anhand der Düngerproduktion und der globalen Handelsketten rund um den riesigen Lebensmittelmarkt im französischen Rungis auf, wie stark die industrielle Agrarwirtschaft vom Erdöl abhängig ist. Als mögliche Auswege werden Konzepte der Agroforstwirtschaft und der Permakultur vorgestellt, die wie traditionelle bretonische Waldgärten auf Biodiversität statt Monokulturen setzen. Der Mittelteil dreht sich um das Waldgartenkonzept und die Bewegung der Transition Towns, deren Einwohner Strukturen aufbauen, die eine höhere Widerstandskraft gegen die Abhängigkeit vom Öl, den Klimawandel und Wirtschaftskrisen entwickeln sollen.
Als Wortführer fungiert der Permakulturexperte Rob Hopkins, der im irischen Kinsale die Transition Town-Bewegung mitgegründet hat, der inzwischen etwa 1000 Städte in 35 Ländern angehören. Der letzte Strang schildert die Erfolge Kubas bei der Umstellung auf Agrarökologie und städtische Biolandwirtschaft. Kuba wurde dazu quasi gezwungen, als die Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre zusammenbrach und der kommunistische Inselstaat damit von der Erdölversorgung abgeschnitten war. „Wir haben uns einreden lassen, dass es ohne Chemie nicht geht“, sagt die Ingenieurin Samura Torres. „Mit dieser Mentalität müssen wir brechen.“ Das ist offenbar gelungen: In der kubanischen Hauptstadt Havanna liefern heute Kooperativen etwa 70 Prozent des konsumierten Obstes und Gemüses, laut Aguilar sogar in Bioqualität. Deutlich wird aber auch, dass die Dezentralisierung ein langwieriger Prozess ist und noch immer 40 Prozent der nutzbaren Agrarflächen brachliegen.
Als zentrales Prinzip arbeitet Aguilar die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit gegen Krisen und ökonomische Schocks, heraus. Der erste Schritt sei, die Nahrungsmittelproduktion wieder stärker auf die lokale Ebene zu verlagern. Auch andere Ebenen des Zusammenlebens müssten umgestaltet werden, damit Kreisläufe ineinandergreifen können. „Die Schlüsselbegriffe heißen Dezentralisierung, Diversität, Kooperation und freie Wissensverbreitung“, sagt der 31-Jährige. „Zentral ist, dass durch neue Lebenspraktiken auch ein Wertewandel angestoßen wird.“
Bei aller Kritik an bestehenden Missständen möchte der Regisseur – auch im Kontrast zu anderen anklagenden Filmen – vor allem „positive Lösungswege aufzeigen“ und so „zum Handeln inspirieren“. Sein engagierter Thesenfilm, der zuweilen unter zu vielen „redenden Köpfen“ leidet, erhebt aber nicht den Anspruch, für alle möglichen Fragen maßgeschneiderte Antworten zu liefern, oder die Entscheidungsbefugnis der Politik zu ersetzen. So lässt sich das Problem des globalen Hungers oder der Massenarbeitslosigkeit auf die Schnelle sicher nicht von einer Graswurzelbewegung lösen. (Reinhard Kleber)