Auf öffentliche Banken setzen

Besucher stehen Schlange vor der Tür der Banco Popular in San José, der Hauptstadt von Costa Rica.
picture alliance / ZUMAPRESS.com | Jeffrey Zamora
Besucher der Banco Popular in San José, der Hauptstadt von Costa Rica, im April 2020. Die Banco Popular gilt als demokratischste öffentliche Bank und damit als Modell für ein neues öffentliches Bankensystem.
Entwicklungsfinanzierung
Die Versuche, für weltweiten Klimaschutz, Armuts- und Hungerbekämpfung genug privates Geld einzuwerben, sind gescheitert. Öffentliche Banken haben die Mittel, die Lücke zu füllen, müssten dazu aber demokratischer werden.

Laut der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) klafft bis 2030 eine riesige Lücke von etwa 30 Billionen US-Dollar bei nachhaltigen Investitionen, vor allem im globalen Süden und bei marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Enorme und stark unterschätzte Finanzmittel, um diese Lücke zu schließen, haben weltweit öffentlichen Banken. Das sind Geldinstitute, die sich mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, ein Mandat haben, im öffentlichen Interesse zu handeln, oder in der einen oder anderen Weise von Volksvertretern geleitet werden. Eine Bank ist öffentlich, wenn eins dieser Kriterien erfüllt ist – meist sind mehrere erfüllt.

Es gibt viele Arten öffentlicher Banken: Entwicklungs-, Förder- oder Investitionsbanken konzentrieren sich häufig auf größere Projekte und auf politisch bestimmte öffentliche Ziele wie den Ausbau der Infrastruktur, die Exportförderung oder die Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Beispiele sind die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die China Development Bank. Solche Institute besorgen sich in der Regel auf Finanzmärkten Kapital, oft durch die Ausgabe von Anleihen. Viele sind auf nationaler oder subnationaler Ebene angesiedelt, manche wie die Europäische Investitionsbank sind auch multilateral.

Ein zweiter Typ sind öffentliche Geschäftsbanken und Sparinstitute. Sie erbringen in der Regel alltägliche Bank- und Spardienstleistungen und bieten Versicherungen, Kredite und Hypotheken an. Zu ihnen gehören etwa die deutschen Sparkassen. Sie finanzieren sich eher mit Einlagen der Kunden statt mit Anleihen. Öffentliche Universalbanken wie die brasilianische Caixa Econômica Federal vereinen die Funktion von Förder- und Geschäftsbank in einer Institution. Darüber hinaus gibt es weltweit eine Reihe öffentlicher Postbanken, die Sparguthaben verwalten und in ihren Ländern häufig auch Entwicklungsvorhaben unterstützen.

Öffentliche Banken erleben derzeit einen Aufschwung

Zusammen haben diese Banken viel höhere Finanzmittel und mehr Einfluss, als allgemein angenommen wird. Weltweit gibt es 914 öffentliche Entwicklungs-, Geschäfts- und Universalbanken auf nationaler und subnationaler Ebene. Sie halten zusammen ein Vermögen von 55 Billionen US-Dollar. Das sind 10 Prozent mehr als das Bruttoinlandsprodukt der USA, Chinas und Deutschlands zusammen im Jahr 2023 – ein Fünftel des Vermögens sämtlicher Banken der Welt.

Öffentliche Banken erleben derzeit einen Aufschwung, ausgelöst von globalen Krisen und dem offensichtlichen Unvermögen privater Investoren, diese auf sozial gerechte Weise zu bewältigen. Zuerst haben in der globalen Finanzkrise 2008/2009 öffentliche Banken – wenn auch unter Schwierigkeiten – ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt und gezeigt, dass sie in der Lage sind, mehr anstatt weniger Kredit zu vergeben, wenn die Wirtschaft in eine Rezession rutscht. Dann hat die weltweite Anerkennung der Klimakrise den Blick auf die mögliche Rolle öffentlicher Banken für die Finanzierung von Klimaschutzprojekten gelenkt. Drittens haben in der Corona-Pandemie die privaten Finanzinstitute erneut in einer Zeit größten Finanzierungsbedarfs das Angebot verringert, während öffentliche Banken ihre Unterstützung für kleine Unternehmen, Studierende, Kommunen, Gesundheitsdienstleister, die öffentliche Wasserversorgung und Förderprogramme der Regierung aufgestockt haben. Sie haben nicht den Regenschirm eingepackt, als der Sturm losbrach.

Trotzdem herrscht in großen Teilen der Staatengemeinschaft die Überzeugung, dass öffentliche Banken allenfalls in der Lage sind, private Finanzierungen zu erleichtern und einzuwerben: mit Instrumenten wie Mischfinanzierung und öffentlich-privaten Partnerschaften. An solche Instrumente knüpft die Weltbank mit ihrer „Milliarden-zu-Billionen-Agenda“ die Hoffnung, dass Regierungen mit nur wenig öffentlichem Geld vier-, fünf- oder siebenmal so viel private Finanzierung mobilisieren können. Das gilt als Win-win-Strategie: Mit minimalen öffentlichen Kosten soll eine maximale private Beteiligung erzeugt und so die globale Aufgabe gemeistert werden, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu finanzieren.

Es werden zu wenig Privatinvestitionen mobilisiert

Aber die Strategie der Weltbank zu Mischfinanzierung gilt weithin als gescheitert. Sie kann besser als „Milliarden-zu-Millionen-Agenda“ beschrieben werden, weil im Durchschnitt für jeden öffentlichen Dollar lediglich ein Vierteldollar an Privatinvestitionen mobilisiert werden kann. Zudem fließt dieses Privatkapital nur in die bankfähigsten und profitabelsten Sektoren wie Energie und Verkehr, und das hauptsächlich im globalen Norden und in einigen großen Schwellenländern. Kaum etwas geht in die ärmsten Länder oder in wichtige Projekte zum Schutz der Artenvielfalt. 

Verfolgt man diesen Weg weiter, dann besteht die große Gefahr, dass das weltweite öffentliche Bankwesen am Ende von privaten Finanzinteressen gekapert wird. Dann wird öffentliches Geld genutzt, um private Renditen zu garantieren getreu dem Motto „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“. Noch dazu profitieren von dieser privatisierungsfreundlichen Strategie vor allem jene privaten Investoren, die unverhältnismäßig stark zur Krise der Klimafinanzierung beitragen. Das ist weder ökonomisch noch moralisch vertretbar.

Wir brauchen ein neues globales öffentliches Banken-Ökosystem

Eine praktikable Alternative ist, die Finanzkraft öffentlicher Banken zu nutzen und die Banken selbst zu demokratisieren. Wir brauchen ein neues globales öffentliches Banken-Ökosystem, das im Ethos der Zusammenarbeit gründet, nicht im Wettbewerb um Profit. Wenn die öffentlichen Banken und Finanzinstitute der Welt zusammenarbeiten, haben sie genügend Finanzmittel, geografische Reichweite und Fachwissen, um Finanzierungslösungen für den Klimaschutz bereitzustellen – in dem Tempo und Umfang und zu den Bedingungen, wie ein gerechter Wandel es erfordert. Diese Idee hat auch schon Eingang in die Vorbereitungssitzungen der 4. UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung gefunden, die im Juni 2025 in Sevilla stattfinden wird.

Bislang arbeiten die öffentlichen Banken allerdings noch nicht genug zusammen. Dafür gibt es nach wie vor Hindernisse: Der Finance in Common Summit (FiCS), das globale Forum für öffentliche Entwicklungsbanken, verweist auf Unterschiede in der Leistungsfähigkeit und untereinander unvereinbare nationale Regulierungen, insbesondere zwischen dem globalen Norden und Süden. Und nicht zuletzt sind die Möglichkeiten, Kapital auf den Finanzmärkten zu beschaffen, und die Kosten dafür sehr verschieden – für den Norden ist Kapital billig, für den Süden teuer.

Wir brauchen ein globales Finanz-Ökosystem, das die gemeinsame Erzeugung und den Austausch von Fachwissen sowie Zusammenarbeit bei kostengünstigen Finanzierungslösungen fördert. Viele Klimaanpassungs-, Klimaschutz- und Biodiversitätsziele lassen sich besser erreichen, wenn man nicht auf profitmaximierende, sondern auf politikorientierte Investitionen setzt. Ein Finanz-Ökosystem aus öffentlichen Banken auf der Grundlage von öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit hätte dazu das Potenzial. Es könnte zudem die Kreditkosten senken, besonders im globalen Süden. Innovative Steuerungsverfahren, öffentlich-öffentliche Mischfinanzierungen und Garantievereinbarungen zwischen diesen Banken könnten Risiken verringern, Zugang zu günstigen Finanzierungen am Markt schaffen und auch Mischfinanzierungen aus vergünstigten Darlehen und solchen zum marktüblichen Zins fördern.

Allerdings: Dass eine Bank öffentlich ist, macht sie noch nicht besser oder schlechter als eine private. Öffentliche Banken haben lediglich das Potenzial, besser zu sein. Entscheidend ist hier die Steuerung. In den einzelnen Banken sind demokratische Rechenschaftspflichten und Transparenz erforderlich. Und für Diskussionen über Entscheidungen zum globalen Finanz-Ökosystem insgesamt könnten die Vereinten Nationen das geeignete Forum sein.

Vom Modell der Banco Popular aus Costa Rica kann man lernen

Von welchen erfolgreichen Beispielen könnten wir uns inspirieren lassen? Es gibt schon viele Ansätze zur Demokratisierung öffentlicher Banken. Eine Mindestanforderung ist eine breite kommunale und politische Vertretung im Verwaltungsrat, die transparent arbeitet und der jeweiligen Gemeinschaft gegenüber rechenschaftspflichtig ist. So hat beispielsweise die deutsche KfW einen 37-köpfigen Verwaltungsrat, in dem unterschiedlichste gesellschaftliche Gruppen vertreten sind.

Die derzeit demokratischste öffentliche Bank ist allerdings die Banco Popular y de Desarrollo Comunal von Costa Rica. Von diesem Modell kann man für die Debatte über Finanzierungsalternativen für gerechten globalen ökologischen Wandel lernen.

Autor

Thomas Marois

ist Professor für politische Ökonomie am Fachbereich Politikwissenschaften der kanadischen McMaster University, sein Spezialgebiet sind öffentliche Banken.
Die 1969 von der Regierung gegründete Banco Popular ist eine Bank im Besitz der Arbeitnehmer, die der „kollektiven Wohlfahrt“ der Gesellschaft verpflichtet ist. Laut Gesetz müssen die Arbeitnehmer Costa Ricas 1,5 Prozent ihres Lohns in die Banco Popular einzahlen. Nach einem Jahr werden 1,25 Prozent davon an den Rentenfonds des jeweiligen Arbeitnehmers übertragen, der Rest bleibt in der Bank als Kapitalausstattung.

Mit dem Beitrag der Arbeitnehmer ist eine starke Vertretung verbunden. 1986 hat die Banco Popular die „Versammlung der arbeitenden Männer und Frauen“ geschaffen, das höchste Entscheidungsgremium der Bank; zehn Bereiche aus Wirtschaft und Gesellschaft sind in dieser 290 Mitglieder zählenden Arbeitnehmerversammlung vertreten. Das trägt zur Demokratisierung der Wirtschaft Costa Ricas, seiner gesellschaftlichen Entwicklung und seines Finanzsystems bei.

Die Banco Popular hat auch eine Ständige Kommission für Frauen, die darüber wacht, dass die Bank die Gleichstellung der Geschlechter beachtet. Die Bank ist gesetzlich verpflichtet, die Posten in allen wichtigen Entscheidungsgremien einschließlich der Arbeitnehmerversammlung, des Verwaltungsrats und der regionalen Gremien mindestens zur Hälfte mit Frauen zu besetzen. Der siebenköpfige nationale Verwaltungsrat, in dem viele wichtige operative Entscheidungen getroffen werden, ist der Arbeitnehmerversammlung unterstellt. Ihm gehören drei Regierungsvertreter und vier gewählte Vertreter dieser Versammlung an, zwei davon müssen Frauen sein. All das ist in Costa Ricas Demokratisierungsgesetz von 2002 verankert. 

Gesellschaft muss wachsames Auge auf Finanzinstitute haben

Solche Praktiken der demokratischen, rechenschaftspflichtigen und transparenten Führung sind überall nötig. Nur wenige öffentliche Banken sind so demokratisch organisiert wie die Banco Popular. Sie sind auch nicht frei von Kontroversen. Unangemessene politische und wirtschaftliche Einflussnahme darauf, was eine öffentliche Bank tut und für wen, ist ein Problem. Die Gesellschaft muss ein wachsames Auge auf öffentliche Finanzinstitute haben. Und auf globaler Ebene gibt es wenig Erfahrung mit demokratischer Wirtschaftssteuerung.

Aber hier liegt viel Potenzial. Diese Banken haben enorme Finanzkraft. Sie können beauftragt werden, in öffentlich-öffentlicher Kooperation zusammenzuarbeiten und so ein globales öffentliches Banken-Ökosystem voranzubringen. Wenn wir verhindern wollen, dass sie von privaten Interessen vereinnahmt werden, müssen wir aber auch für eine Steuerung sorgen, die der Aufgabe gewachsen ist, diese Banken auf einen sozial gerechten grünen Wandel zu verpflichten. Damit sie im öffentlichen Interesse arbeiten, muss man sie dazu bringen. Dann liegt die Zukunft im demokratisierten öffentlichen Bankwesen.

Aus dem Englischen von Thomas Wollermann.

Permalink

Der Sinn des Artikels von Herr Marois erschließt sich mir nicht. Die KFW ist eine öffentliche Bank, deren Geschaeftspolitik von Vertretern einer demokratisch gewählten Regierung kontrolliert wird. Die finanziert in Deutschland. Viel Geld fließt in den Klimaschutz, aber auch in die kommunale Infrastruktur. Die Finanzierungskonditionen der KFW sind günstig, da sie sich an den internationalen Kapitalmärkten fast zu den Konditionen deutscher Staatsanleihen refinanzieren kann. Auf diese Weise mobilisiert die KfW jedes Jahr viele dutzend Milliarden an Privatkapital für den Klimaschutz, die Infrastruktur- und Entwicklungsfinanzierung. Also was will uns eigentlich der Autor sagen? Was fordert et von der KfW, was sie nicht eh schon längst macht?

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