Wo das Desaster droht

Das Bündnis Entwicklung Hilft hat im Juni den ersten Weltrisikobericht vorgestellt. Eine Rangliste katastrophengefährdeter Länder soll die Aufmerksamkeit darauf lenken, mehr in die Katastrophenvorsorge zu investieren. Im Vorfeld waren Zweifel über den Nutzen eines solchen Index geäußert worden.

Vanuatu heißt übersetzt „das Land, das sich aus dem Meer erhebt“. Doch der Südseeinselstaat hat ein gewaltiges Problem. Denn statt sich zu erheben, wird er irgendwann vielleicht für immer im Meer versinken – als Folge des Klimawandels.

Autorin

Saara Wendisch

war bis August 2012 Volontärin bei "welt-sichten".

Vanuatu steht auf Platz 1 des Weltrisikoindex, der den Inselstaat somit als einen der gefährlichsten Orte weltweit ausweist – jedenfalls was das Risiko angeht, an einer Naturkatastrophe zu sterben. Der Index gibt die Wahrscheinlichkeit wieder, mit der ein Land von einem extremen Naturereignis wie einem Erdbeben, Vulkanausbruch oder Sturm heimgesucht wird, kombiniert mit der Fähigkeit einer Gesellschaft, damit umzugehen. Die Natur könnten Menschen nicht beeinflussen, sagt Jörn Birkmann von der Universität der Vereinten Nationen, die den Index im Auftrag des Bündnisses Entwicklung Hilft erstellt hat. Aber die Folgen einer Katastrophe seien abhängig von der Verletzbarkeit der Gesellschaft. Auch Länder wie die USA oder Australien seien immer wieder Naturkatastrophen ausgesetzt. Der wesentliche Unterschied zu einem Entwicklungsland bestehe darin, dass sie viel besser darauf vorbereitet seien. Wichtig ist zum Beispiel die Wohnsituation: Leben die Menschen in Slums und an Hängen, die stark absturzgefährdet sind? Ist eine medizinische Grundversorgung garantiert, und wie gut kann die Regierung Katastrophenfällen begegnen? Mittelamerika und Südostasien sind laut dem Index besonders schlecht vorbereitet.

In Chile verlief das Beben viel glimpflicher als in Haiti

Den Unterschied zwischen einer besonders hohen und niedrigen Verletzbarkeit (Vulnerabiliät) verdeutlichen die unterschiedlichen Folgen der Erdbeben in Chile und Haiti im vergangenen Jahr: Beide Beben waren ungefähr gleich stark. In Haiti starben vermutlich 200.000 Menschen, in Chile hingegen gab es weniger als 600 Tote, obwohl mehr als drei Millionen Menschen im Epizentrum lebten.

Gehandelt werde immer erst dann, wenn es schon zu spät sei, kritisiert Peter Mucke, der Geschäftsführer des Bündnisses Entwicklung Hilft, den Umgang mit Katastrophen. Der Index soll darüber aufklären, wie die Folgen von Katastrophen begrenzt werden können. Denn die Öffentlichkeit schaue immer nur dann hin, wenn spektakuläre Bilder von Überflutungen durch die Medien gehen.

Das Bündnis Entwicklung Hilft hatte das Konzept für den Weltrisikoindex bereits vor anderthalb Jahren erstmals vorgestellt. Damals war kritisiert worden, der Index sei mit zu vielen Indikatoren überfrachtet. Zudem bringe eine Rangliste der am meisten gefährdeten Länder keine neuen Erkenntnisse. Bei der Präsentation Mitte Juni wurde die Frage gestellt, ob die meisten Entwicklungsgelder in die Länder fließen sollten, die ganz oben auf der Indexliste stehen. Das sind neben Vanuatu der Inselstaat Tonga und die Philippinen. Ein Land wie Simbabwe, das die Folgen einer Choleraepidemie zu bewältigen hat, steht hingegen relativ weit unten. Jörn Birkmann betont, man solle die Reihenfolge der Länder nach dem Index nicht überinterpretieren. Der Index solle zu einer Diskussion über Risiken und Vorsorgemaßnahmen anregen.

Den rund 200.000 Einwohnern von Vanuatu etwa scheint es entgangen zu sein, welcher Gefahr sie ausgesetzt sind: Laut einem anderen Ranking, dem Happy Planet Index, zählten die Bewohner des Inselstaats 2006 noch zu den glücklichsten Menschen der Welt.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2011: Entwicklungsdienst: Wer hilft wem?
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