Durst nach fremdem Wasser

Beim diesjährigen Weltsozialforum in Dakar war ein Thema in aller Munde: „Land Grabbing“. Kein Wunder: Nicht nur in Senegal, überall in Afrika findet ein Wettlauf um landwirtschaftlich nutzbares Land statt. Doch der treibende Faktor hinter dieser Form des Landraubs ist die Gier nach Wasser.

Die beim Sozialforum verabschiedete Dakar-Erklärung gegen Landraub verlangt entschiedene Schritte, „Land Grabbing“ in Entwicklungsländern zu unterbinden. Allein in Afrika haben sich laut einer Studie der Universität Kopenhagen staatliche und private Investoren 60 Millionen Hektar unter den Nagel gerissen – fast die doppelte Fläche Deutschlands. Sie bauen darauf Nahrungsmittel oder Energiepflanzen an, beuten Rohstoffe aus oder nutzen das Land zur Spekulation. Der englische Begriff „Land Grabbing“ verweist aber auch darauf, dass diese Praxis Menschenrechte verletzt, denn Kleinbäuerinnen, Wanderhirten und Fischer verlieren ihre Lebensgrundlage und den Zugang zu natürlichen Ressourcen.

Autor

Beat Dietschy

ist Zentralsekretär von "Brot für alle" in Bern.

Oft wird übersehen, dass hinter diesem Landhunger der Durst nach fremdem Wasser steht. Land Grabbing ist also zugleich „Water Grabbing“, denn ohne die mit dem Land verknüpften Wasserrechte sind Investitionen in Land uninteressant. Industrielle Landwirtschaftsbetriebe müssen ihre Kulturen bewässern und pumpen dazu Wasser aus dem Boden und aus Flüssen.

Siebzig Prozent des global verfügbaren Süßwassers werden für die Produktion von Nahrungsmitteln und Agrartreibstoffen verbraucht. Der weltweite Wasserverbrauch hat sich in den letzten 50 Jahren vervierfacht. Er wächst etwa doppelt so schnell wie die Weltbevölkerung. Mehr als eine Milliarde Menschen leben in Ländern, in denen Wasser knapp ist. Bis zum Jahr 2050 wird voraussichtlich ein Viertel der Weltbevölkerung unter chronischem Wassermangel leiden.

Die Konkurrenz um Wasser ist ein uraltes Problem und Ursache zahlreicher Konflikte. Nicht von ungefähr ist das Wort „Rivalität“ verwandt mit „derivieren“, dem „Abgraben von Wasser“. Neu ist aber, dass Wasser wie andere knappe Güter zu einem lukrativen Investitions- und Spekulationsobjekt geworden ist. Susan Payne, die Managerin des Anlagefonds African Agricultural Land Fund, schwärmt den Finanzinvestoren vor: „Wasser wird in Zukunft ein phantastisch knappes Anlagegut sein.“ Entsprechend stellt sie für wasserbezogene Investitionen in Afrika jährliche Renditen von 25 Prozent in Aussicht.

„Water Grabbing“ ist aber auch unserer Lebensweise geschuldet: Für die Produktion eines Liters Treibstoff aus Zuckerrohr braucht es durchschnittlich 3500 Liter Wasser, für ein Kilogramm Rindfleisch rund 15.500 Liter und für ein Kilogramm Baumwollstoff gut 11.000 Liter. In jedem Becher Pausenkaffee stecken etwa 208 Liter Wasser. Ein beträchtlicher Teil dieses „virtuellen“ Wassers, das wir auf diesem Weg verbrauchen, stammt aus Entwicklungsländern. Hier ist unser tägliches Handeln als Konsumenten gefragt.

Viele staatliche und nichtstaatliche Entwicklungsorganisationen verbessern mit ihren Projekten die Trinkwasserversorgung und die Hygiene in Siedlungen. „Water Grabbing“ unterläuft diese Anstrengungen und könnte Wasserversorgungs- und Brunnenbau-Projekte scheitern lassen. Deshalb ist es wichtig, auch auf die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzuwirken, die „Water Grabbing“ ermöglichen.

Das Abgraben von Wasser gefährdet den Frieden zwischen und innerhalb von Staaten. Im Sudan sind bis 2009 fast 40.000 Quadratkilometer bewässerbare Flächen an ausländische Investoren verkauft worden. Die zunehmende Konkurrenz um Land und Wasser kann bestehende Konflikte anheizen oder neue auslösen, etwa zwischen sesshaften Ackerbauern und Hirtenvölkern.

Kirchen und kirchliche Werke setzen sich deshalb für den Schutz des Wassers als öffentliches Gut und das Menschenrecht auf Wasser ein. Die brasilianisch-schweizerische ökumenische Wassererklärung von 2005, die von der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Porto Alegre und der Gründungsversammlung der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen in Grand Rapids aufgegriffen wurde, unterstützt die weltweiten Bemühungen um die Anerkennung dieses Menschenrechts und spricht sich gegen die Privatisierung von Wasser aus.

Wasser ist in vielen Kulturen heilig. Es ist ein global zu schützendes öffentliches Gut. Der Zugang zu Wasser ist eine Grundvoraussetzung für die Überwindung von Armut, für nachhaltige Entwicklung und Frieden.

 

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erschienen in Ausgabe 7 / 2011: Entwicklungsdienst: Wer hilft wem?
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