Autor
Yann Yvergniaux
arbeitet für das Brüsseler Büro der nichtstaatlichen Organisation International Collective in Support of Fishworkers (ICSF) sowie für die Coalition for Fair Fisheries Arrangements (CAPE).IUU-Fischerei gibt es in unterschiedlichem Ausmaß in sämtlichen Fischgründen. Sie verursacht Kosten von schätzungsweise 10 bis 23 Milliarden US-Dollar pro Jahr, vor allem aber große ökologische und soziale Schäden. Die Konsequenzen sind umso katastrophaler, als sich der illegale Fischfang – wie auch der legale – internationalisiert hat: Industrielle Fangflotten unter den Flaggen von China, Japan, Korea, Russland und der Europäischen Union – erweitern ihre Reichweite auf Kosten der Länder des Südens, vor deren Küsten die reichsten Fanggründe der Erde liegen. Dort nimmt die IUU-Fischerei, an der Reeder, kommerzielle Händler und Mitarbeiter von Behörden beteiligt sind, eine transnationale Dimension an, wenn Korruption und Mangel an Transparenz das ermöglichen. Alle großen Fischereinationen, die fern der eigenen Gewässer operieren, haben in unterschiedlichem Ausmaß IUU-Fischer in ihren Flotten.
IUU-Fischerei entsteht, wo staatliche Verwaltungen besonders schwach sind – mit bestimmten Brennpunkten, darunter Westafrika. Viele Staaten sind nicht in der Lage, die Fischerei in ihren Ausschließlichen Wirtschaftszonen zu kontrollieren und zu überwachen, und werden Opfer einer wahren Plünderung ihrer Ressourcen. Auch in internationalen Gewässern wird illegal gefischt – Regionale Fischmanagement-Organisationen (RFMO) haben große Mühe, das zu bekämpfen.
Die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen der IUU-Fischerei sind aus zwei Gründen schwierig in Zahlen zu fassen. Zum einen sind die direkten Auswirkungen auf die Bestände wenig bekannt, weil die IUU-Fischerei sich im Verborgenen abspielt und die Behörden und Wissenschaftler mancher Länder gar keine zuverlässigen Zahlen über den Fischbestand und das Ausmaß seiner Ausbeutung besitzen. Zum anderen hat die IUU-Fischerei indirekte Wirkungen, die ihre Folgen vervielfältigen können – sowohl mit Blick auf langfristige Schäden an den Ökosystemen als auch sozial für die gesamte Fischerei-Produktionskette und für die Küstengemeinden, die davon abhängig sind.
Die Folgen hängen stark von der Art der IUU-Fischerei und vom Umfeld ab. Gleichwohl kann man generell festhalten: Die IUU-Fischerei trägt zur Überfischung kommerziell nutzbarer Bestände bei, erzeugt eine große Menge Beifang unter Arten, die nicht das Ziel der Fischer sind, und beschädigt mit zerstörerischen Fanggeräten den Meeresboden. Sie bringt Ökosysteme aus dem Gleichgewicht und verringert ihre Produktivität. Die Folge ist, dass weniger Fisch legal gefangen werden kann – mit schweren Folgen für Beschäftigung und Einkommen in diesem Wirtschaftssektor.
Auf der Ebene der Volkswirtschaft trägt der Fischereisektor weniger zum Bruttoinlandsprodukt bei und die Steuereinnahmen sinken. In vielen Entwicklungsländern bedroht die IUU-Fischerei zudem die Existenzgrundlagen der Küstenbewohner und die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung, die in vielen Fällen auf tierische Proteine aus dem Meer angewiesen ist. Dazu kommt, dass Besatzungen der IUU-Schiffe oft in den Häfen von Entwicklungsländern angeworben werden. Sie arbeiten ohne die geringste soziale Absicherung und unter jämmerlichen Arbeits- und Hygieneumständen.
Seit neuestem belastet die IUU-Fischerei die Wirtschaft in den Entwicklungsländern sogar doppelt. Denn die zahlreichen Handelsregeln und Vorgaben, die verhindern sollen, dass illegal gefangene Fische auf die internationalen Märkte gelangen – wie der Aktionsplan der FAO oder die Regeln der Europäischen Union –, können zu Barrieren für die Exporte armer Staaten werden. Die meisten können wegen der Schwäche ihrer Verwaltungen diese Vorgaben nicht erfüllen. Die Bedeutung dieses Problems wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass 2008 die Hälfte aller Fischerei-Exporte weltweit aus Entwicklungsländern (inklusive China) stammten und drei Viertel dieser Exporte für Industrieländer bestimmt waren.
Nehmen wir das Beispiel der seit Januar 2010 gültigen EU-Vorschriften. Die Fischereiminister der EU-Staaten wollten damit den Vorgaben des FAO-Aktionsplans gegen IUU-Fischerei von 2001 nachkommen und rechtlich bindende Maßnahmen für den Import von Fisch schaffen. Sie sollten es erlauben, die Herkunft von Meeresprodukten dadurch festzustellen, dass jede Lieferung für den europäischen Markt ein Fangzertifikat erhielt. Doch die Gefahr bestand, damit eine Barriere für den Handel mit legal gefangenem Fisch aus Entwicklungsländern zu errichten, insbesondere für den mit Produkten von Kleinfischern. Deshalb sieht die endgültige Fassung des EU-Regelwerks ein vereinfachtes Zertifikat vor.
Dennoch müssen angesichts der zahlreichen Fischer, die kleine Mengen anlanden, und den Verflechtungen zwischen den Wegen für die Sammlung und Lagerung beträchtliche Kosten und Mühen aufgewendet werden, um die Zertifikate zu erhalten und zu prüfen. Seit das Regelwerk 2007 erstmals vorgeschlagen wurde hat die Europäische Kommission betont, man müsse den Entwicklungsländern beim Kampf gegen IUU-Fischerei helfen. Dennoch hat sie keinerlei begleitende Maßnahmen vorgeschlagen, die ihnen helfen würden, die neuen Vorgaben zu erfüllen.
Mehrere westafrikanische Staaten stehen vor diesen Problemen. Im Senegal beispielsweise mussten die Kleinfischer bei der Umsetzung der EU-Vorgaben eine Reihe von Hindernissen überwinden. Zunächst musste die Branche selbst ab 2009 einen Dialog mit den zuständigen Behörden auf den Weg bringen, um die Regeln der EU und ihre Folgen zu verstehen. Dann musste bestimmt werden, welche Behörde für die Vergabe und Kontrolle der Fangzertifikate verantwortlich ist. Das war schwierig, weil die lokale Fischerei-Verwaltung wenig mit dem Exportsektor zu tun hat. Deshalb mussten zwischen dieser dezentralisierten Verwaltung und den für den Export zuständigen Hafen- und Flughafenbehörden neue Formen der Zusammenarbeit gefunden werden, um eine zuverlässige, durchgängige Kontrolle zu gewährleisten. Gemeinsam wurde ein Verwaltungsverfahren eingeführt mit dem Ziel, Fangzertifikate so zu vergeben, wie es die EU verlangt. Dabei profitierten die senegalesischen Fischereibehörden davon, dass im Fischereisektor bereits ein System zur Registrierung von Pirogen sowie ein System zur Zertifizierung des Erstverkaufs von Fisch existierten.
Die verbesserte Datenerhebung und das System der Zertifizierung und Rückverfolgung haben beträchtliche Ausgaben verursacht, für die kein Budget vor handen war. Daher waren die Beiträge des Privatsektors entscheidend. Noch heute ist an einigen Stellen, vor allem beim Personal und der IT-Ausstattung, der Bedarf nicht gedeckt. Für die lokale Fischereiverwaltung bedeutet die Kontrolle und Bestätigung der Zertifikate an den verschiedenen Schiffsanlegestellen zusätzlichen Arbeitsaufwand. Zudem bleibt die Sensibilisierung der Fischer eine wesentliche Aufgabe, damit die grundlegenden Daten für die ganze Prozedur verlässlich sind.
Zusätzlich zur Rückverfolgung der Produkte, die in den Wirtschaftskreislauf kommen, sind stärkere Kontrolle auf dem Meer nötig. Sie ermöglichen es, das Problem an der Quelle zu bekämpfen. Leider sind in den Gebieten, wo die Überwachung des Meeres und des Luftraums sowie die Kommunikation dafür mangelhaft sind, auch die Kontrollen nur sporadisch und Durchsuchungen selten. Dabei wird gerade auf dem Meer mit verschiedenen illegalen Praktiken schwarz gefangener Fisch „weiß gewaschen“. An Land bekommt er dann ohne Probleme ein gültiges Zertifikat für den Export Richtung Europa.
Wie in den Hoheitsgewässern Guineas eine Flotte von Trawlern aus Korea und China illegal zwischen Schiffen mit Fangerlaubnis fischte, hat Greenpeace 2006 dokumentiert. Die illegalen Trawler konnten monatelang auf dem Meer bleiben, vielleicht sogar Jahre, ohne je in einem Hafen festzumachen: Tanker, die von Reedern bereitgestellt wurden, versorgten sie mit Treibstoff. Und der Fang wurde abgepackt und tiefgekühlt auf Kühlschiffe umgeladen, die dann Umschlagplätze anliefen wie Las Palmas auf Gran Canaria.
Im Verlauf solcher Operationen werden die Fischkisten mit dem Namen von einem oder mehreren Schiffen etikettiert, die eine europäische Genehmigung besitzen. Das macht es schwierig, den Betrug aufzudecken, wenn das Kühlschiff einmal beladen ist. In vielen Fällen ist es also zu spät, wenn der Fisch im Hafen gelöscht wird. Selbst wenn der Staat, vor dessen Küste gefischt wird, und der Staat, unter dessen Fahne die Schiffe laufen, besser kooperieren würden – in Westafrika ist das bis jetzt nicht in Sicht –, wäre es schwierig, die Vergehen aufzudecken und zu ahnden.
Einige neuartige Wege der Überwachung lassen aber insbesondere in Westafrika auf wirksamere Interventionen auf dem Meer hoffen. Ein Beispiel ist die „partizipative Überwachung“, die von mehreren nichtstaatlichen Organisationen angeregt wurde, darunter der Koalition für gerechte Fischereiabkommen (CAPE). Ein Pilotprojekt in Guinea soll verhindern, dass Trawler illegal in die Zehn-Meilen-Zone vor der Küste eindringen. Mehrere Kleinfischer wurden darin geschult, mittels GPS-Geräten direkt Kontakt zum Nationalen Überwachungszentrum aufzunehmen, so dass dieses die Trawler in der verbotenen Zone schneller überprüfen kann. Die Lebensbedingungen der Fischer haben sich stark verbessert: Die illegale Fischerei ging um 60 Prozent zurück. Insbesondere dringen weniger Trawler in die Küstenzone ein; die dadurch verursachten Unfälle hatten zahlreichen Kleinfischern das Leben gekostet.
Im Senegal steht die partizipative Überwachung im Rahmen des gemeinsamen Fischerei-Managements, speziell von geschützten Meeresgebieten. Lokale Komitees mit Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen wurden gegründet und Pirogen zur Verfügung gestellt, die mit der Küstenwache kooperieren. Diese ist gehalten, auf Anfrage der Kleinfischer tätig zu werden.
Derzeit kommen Projekte der partizipativen Überwachung nicht recht voran, vor allem weil es an Ausstattung und Ausbildung fehlt. Doch das ist auch eine Frage des politischen Willens – bei den Küstenstaaten im Süden ebenso wie bei Geldgebern, etwa der EU. Eine echte Partnerschaft, die auf gute Regierungsführung im Bereich der Fischerei-Verwaltung zielt – einschließlich Kontrolle und Überwachung –, würde es den Staaten im Süden erlauben, volle Souveränität über ihre Gewässer auszuüben und illegale und zerstörerische Praktiken vor ihren Küsten zu beenden.
Doch das ist nur möglich, wenn ähnliche Projekte wie die in Guinea und im Senegal auf regionaler Ebene gefördert werden, wenn die Fischer daran beteiligt, die Küstenbewohner sensibilisiert und besonders die Jugend geschult werden. Außerdem müssen Fischerei-Nationen, die einer RFMO angehören, auf hoher See die Kontrollen verstärken. Nur so kann sichergestellt werden, dass Fischbestände, die zwischen internationalen Gewässern und den Meereszonen einzelner Staaten hin und her wandern, dauerhaft geschützt und genutzt werden. Denn der illegale Fischfang kennt keine Grenzen.
Aus dem Französischen von Felix Ehring.
Wer kontrolliert die Fischerei?
Die Fischerei unterliegt Regeln, die auf dem Seerecht beruhen. Welche Rechte Staaten an verschiedenen Teilen der Ozeane haben, legt die UN-Seerechtskonvention, die 1994 in Kraft getreten ist, grundsätzlich fest. Danach gehört ein 12 Seemeilen breiter Streifen direkt vor der Küste zum Hoheitsgebiet angrenzender Staaten. Darüber hinaus können sie eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) für sich beanspruchen, die bis 200 Seemeilen (rund 370 Kilometer) von der Küste ins Meer reicht. Hier können sie – anders als in der 12-Meilen-Zone – nicht die Schifffahrt und die Überflugrechte beschränken. Sie haben aber die alleinige Kontrolle über die Ausbeutung der Naturressourcen, darunter der Fischbestände. Jenseits der AWZ beginnt die Hohe See, dort haben alle Staaten das Recht zu Schifffahrt und Fischfang. Die Seerechtskonvention verpflichtet die Staaten grundsätzlich, nachhaltige Fischerei zu fördern und für den Erhalt der Naturschätze zu kooperieren.
An der Fischerei auf der Hohen See beteiligen sich Entwicklungsländer (außer Schwellenländer wie China und Brasilien) praktisch nicht. Für sie sind die Fischbestände ihrer AWZ entscheidend. Die können sie souverän schützen – etwa mit Fangquoten –, sofern sie die Mittel haben, das durchzusetzen. Indirekt leiden aber auch arme Entwicklungsländer unter der Überfischung auf der Hohen See oder in fremden AWZ. Denn viele Fischarten bewegen sich zwischen den Küstenzonen und dem offenen Meer oder wandern weite Strecken durch die Ozeane.
Verfahren für den Schutz solcher Fischarten auf Hoher See sieht eine 2001 in Kraft getretene UN-Konvention zur Durchführung des Seerechts vor. Auf dieser Grundlage wurden Regionale Fischmanagement-Organisationen (RFMO) gegründet, zum Beispiel eine für den Indischen Ozean, je eine für vier Teile des Atlantik sowie mehrere für den Schutz spezieller Fischarten (vor allem Thunfisch) in bestimmten Meeren. Die Staaten, die ihnen angehören, legen gemeinsam Verhaltenskodizes für den Fischfang fest – besonders für Thunfisch auch Fangquoten, was bei wandernden Arten schwierig ist. Sie dürfen Schiffe auf Hoher See inspizieren, dies geschieht aber selten. Auch Schiffe aus Staaten, die nicht Mitglied einer RFMO sind, dürfen in deren Gebiet fischen – und die Regeln sind ihnen gegenüber kaum durchzusetzen.
(bl)
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