„Wäre ich eine ausländische Touristin, würde ich eine Kehrtwende machen und ein anderes Land besuchen.“ Diese Reaktion einer Leserbriefschreiberin auf ein Plakat der Schweizerischen Volkspartei (SVP), das für die Volksinitiative „Masseneinwanderung stoppen“ wirbt, ist kein Einzelfall. Das Plakat mit den dunklen Gesellen, die auf dem Schweizer Emblem herumtrampeln, ist flächendeckend verbreitet – auch in Bahnhöfen und in der Nähe touristischer Sehenswürdigkeiten. Aber nicht nur die Sorge um das schlechte Image der Schweiz hat eine Welle der Empörung in breiten Kreisen der Bevölkerung ausgelöst. Es ist vielmehr die Art und Weise, wie die immer weiter an den Rand des Rechtspopulismus abdriftende SVP ihre politischen Anliegen unter die Menschen bringt: mit Messerstecher-Inseraten, schwarzen Schafen, die die heile Welt Helvetiens stören, und dem ausländischen Vergewaltiger Iwan S., der noch immer nicht gefasst worden ist. „Kosovaren schlitzen Schweizer auf!“ lautete jüngst eine der Schlagzeilen in den Zeitungsinseraten, die das Symbolbild gegen die angebliche „Masseneinwanderung“ verstärken soll.
Autor
Urs A. Jaeggi
ist Journalist im Ruhestand und war von 1990 bis 2004 Kommunikationsbeauftragter der Organisation "Brot für alle" in Bern.Die SVP-Kampagne streift den Straftatbestand des Rassismus
Die Initiative der SVP gegen die mit der Europäischen Union in den bilateralen Verträgen ausgehandelte Personenfreizügigkeit sowie gegen die schweizerische Asylpolitik richtet sich immer unverblümter gegen bestimmte Volksgruppen, vornehmlich gegen solche aus dem Balkan und aus Afrika. Geschürt werden damit die Angst vor Überfremdung und die ohnehin schwelende Fremdenfeindlichkeit. Dabei werden die Grenzen zum Straftatbestand des Rassismus bewusst gestreift. Hätte die SVP vor „Kosovaren schlitzen Schweizer auf!“ den Artikel „Die“ gesetzt, wäre das als kollektive Verunglimpfung eines Volkes strafbar, erläuterte der Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, Georg Kreis. Er hofft, dass mündige Bürgerinnen und Bürger auf diese Art von Politpropaganda nicht hereinfallen. Das tut auch Martin Spieler, der Chefredakteur der „SonntagsZeitung“, die das Schlitzer-Inserat abgedruckt hat: „Wir wollten damit entlarven, wie die SVP denkt“, sagt er. „Unsere Leserinnen und Leser sind durchaus in der Lage, sich ihre Meinung dazu zu bilden.“ Die Parlamentswahlen im November dieses Jahres werden darüber Auskunft geben.
Mit großer Empörung reagieren indes die Kommission für Kommunikation und Medien und die Dienststelle Migration der Schweizerischen Bischofskonferenz auf das Inserat, das inzwischen von der SVP in „Kosovare schlitzt Schweizer auf“ geändert wurde. In einem Appell an die Verantwortung der Medien protestieren sie „aufs Schärfste gegen die Veröffentlichung dieses Hetzinserates“. Darin werde ein Verbrechen zweier Täter einer ganzen Volksgruppe untergeschoben und der Hass einer Volksgruppe auf eine andere geschürt. Die Veröffentlichung der Anzeige bezeichnen sie als „erneuten Dammbruch in der politischen Kultur der Schweiz“ und fordern die Verantwortlichen in den Medien auf, dieser „gotteslästerlichen Menschenverachtung“ keinen Platz mehr einzuräumen.
Es bleibt zu hoffen, dass auch die evangelische Seite sich so deutlich politisch einmischt. Gerade in der umstrittenen Migrations- und Asylpolitik wäre eine deutliche Unterstützung für die Vorsteherin des Justiz- und Polizeidepartementes, Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die zwar hart, aber fair vorgeht, dringend nötig. Denn sie muss sich ständiger Angriffe der SVP erwehren und zudem noch der Leichen entledigen, die einer ihrer Vorgänger im Keller gelassen hat. Im September ist ans Licht gekommen, dass zwischen 2006 und 2008 in einer geheim gehaltenen Aktion zehntausend Gesuche irakischer Flüchtlinge, die in den Schweizer Botschaften von Syrien und Ägypten um Schutz nachsuchten, unbehandelt in den Kellergewölben von Bern verschwunden waren. Dort ruhen sie bis heute.
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