„Food Crash“ heißt das Buch, das im September in Berlin vorgestellt wurde. Wir werden uns ökologisch ernähren oder überhaupt nicht mehr, lautet die Kernthese des Autors Felix zu Löwenstein. Als Konterpart hatte der überzeugte Ökolandwirt Entwicklungsminister Dirk Niebel zur Vorstellung eingeladen. Der will von einer rein ökologischen, chemie- und gentechnikfreien Landwirtschaft nichts wissen. Aber dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, sieht auch er. Eben erst war er im Lager Dadaab in Ostkenia, wo Hungerleidende aus Somalia zu Hunderttausenden Zuflucht suchen. Er wiederholt, was er schon auf der Reise gesagt hatte: Das Elend und die Perspektivlosigkeit der Betroffenen mit eigenen Augen zu sehen, sei schwer erträglich: „Es war wichtig, schnell zusätzliche Hilfe bereitzustellen.“
Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.Den Bedarf an Hilfe für die rund zwölf Millionen Hungernden in der Region hatten die Vereinten Nationen Mitte Juli auf 1,6 Milliarden Dollar geschätzt. Großbritannien stellte kurzentschlossen 60 Millionen Euro zur Verfügung, während das Entwicklungsministerium (BMZ) und das Auswärtige Amt überlegten, ob sie ihre Hilfe von einer auf fünf Millionen Euro aufstocken sollten. Der grüne Entwicklungspolitiker Thilo Hoppe sprach empört von „Kleckerbeträgen“. Inzwischen wurde nachgebessert. Man fördere Ostafrika, „wie es sinnvoll und nötig ist“, erklärte Minister Niebel Anfang September im Bundestag. 33,5 Millionen Euro habe sein Ministerium an bilateraler Unterstützung zur Verfügung gestellt, zusätzlich zu Mitteln für die Hilfe der EU und der Weltbank. Die Forderung nach mehr, so Niebel, lasse „unter den Tisch fallen“, dass das alles Geld der Steuerzahler sei.
Für das BMZ ist Prävention das Gebot der Stunde
Das „maßgeschneiderte Paket“, heißt es in einem internen BMZ-Papier, umfasse „bis zu 56,25 Millionen Euro“ Soforthilfe, die in Zusammenarbeit mit dem UN-Welternährungsprogramm (WFP) ausgegeben würden. Mindestens ebenso wichtig – wenn nicht viel wichtiger als schnelle Nothilfe – sei aber, nach der Dürre die Lebensgrundlagen wiederherzustellen und die „langfristige Widerstands- und Selbsthilfefähigkeit“ der Menschen in der Region zu stärken. Prävention sei das Gebot der Stunde. „Bis zu 61,75 Millionen Euro“ sollen hierfür bereitgestellt werden. Das Geld soll komplett bilateral eingesetzt werden – „vorbehaltlich der tatsächlichen Umsetzungsfähigkeiten“ in den teilweise schwer zugänglichen Dürregebieten am Horn von Afrika.
Doch abgesehen davon, dass sich das Ministerium mit den zusammen bis zu 118 Millionen Euro viel vorgenommen hat, ist nicht klar, wo das Geld herkommen soll. Einen Sondertitel für Ostafrika-Hilfe in dieser Höhe gibt es im BMZ-Haushalt nicht; angekündigt ist lediglich ein Regionalfonds von „bis zu“ 20 Millionen Euro, der bei der KfW-Entwicklungsbank angesiedelt sein soll. Bleibt nur der Weg, die Mittel anderswo abzuzweigen – oder laufende Programme umzuetikettieren.
So wurden etwa Kenia bei den jüngsten Regierungsverhandlungen für die Jahre 2010 bis 2013 rund 138 Millionen Euro unter anderem für den Ausbau der Wasserversorgung und die Kleinbauernförderung zugesagt – also für genau das, was jetzt auch im angeblich „maßgeschneiderten“ Hilfspaket wieder auftaucht. Und auch in Äthiopien zählt die erwähnte „Stärkung der Lebensgrundlagen der Viehzüchter“ längst zum Repertoire der deutschen Hilfe.
Derweil ist der Höhepunkt der Hungersnot in Ostafrika nach Meinung vieler Experten noch gar nicht erreicht und weitere Soforthilfe deshalb dringend geboten. Die Vereinten Nationen taxieren den Bedarf auf mittlerweile 1,8 Milliarden Euro (2,5 Milliarden Dollar). Die Hilfe müsse bis ins Frühjahr 2012 hinein unbedingt aufrechterhalten werden. Nur rund 60 Prozent der benötigten Gelder stünden aber bis jetzt zur Verfügung, klagt die Organisation. Auch die zögerliche Haltung der Bundesregierung hat daran ihren Anteil.
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