Der Lutherische Weltbund (LWB) will eine internationale Plattform einrichten, über die sich Verantwortliche in Kirchen, Hilfswerken und Wissenschaft über das Potenzial von Religion und Kultur in der Entwicklungshilfe austauschen können. Das ist das Ergebnis einer Konferenz, die Ende Oktober in Neuendettelsau stattgefunden hat.
Die 70 Teilnehmenden aus aller Welt waren sich einig, dass Kirchen einen erheblichen Beitrag zur Entwicklungshilfe leisten können. „Sie haben ihre Anhängerinnen und Anhänger, verfügen über eine lange Glaubenstradition und haben die Geschichte auf ihrer Seite, denn ihre religiösen Traditionen haben sie von jeher dazu angehalten, Menschen in Not zur Seite zu stehen“, sagt Kenneth Mtata von der LWB-Abteilung Theologie und Öffentliches Zeugnis. Der ÖRK hatte die Veranstaltung gemeinsam mit Mission EineWelt, dem Werk für Partnerschaften, Mission und Entwicklung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, organisiert.
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Um den Austausch derjenigen zu fördern, die mit dem Einfluss von Kultur und Religion in der Entwicklungshilfe Erfahrungen haben, will der LWB eine Plattform einrichten, auf der sich Kirchenvertreter, Hilfswerke und Wissenschaftler international vernetzen können. Außerdem soll das Thema auf weiteren Konferenzen in Afrika und Ostasien diskutiert werden. „Selbstverständlich wird das Netzwerk offen sein für andere Religionen“, sagt Claudia Jahnel, Bildungsreferentin bei Mission EineWelt. Viele Projekte der kirchlichen Entwicklungshilfe liefen vor Ort bereits über andere religiöse Gruppen.
Brunnenbau kann an Traditionen scheitern
„Ohne das Gespräch mit anderen Religionen herrscht Stagnation. Und wenn Religionen sich feindlich gesonnen sind, kann keine Entwicklung stattfinden“, sagt Jahnel, die das Wissen um kulturelle Hintergründe für einen wichtigen Faktor in der Entwicklungshilfe hält. „Ein Brunnenprojekt kann scheitern, wenn man nicht beachtet, dass für die Frauen des Dorfes der tägliche Gang zum Fluss die beste Möglichkeit ist, sich untereinander auszutauschen.“ Auch könnte es schwierig sein, moderne Öfen für den Außengebrauch in Gesellschaften einzuführen, in denen traditionell im Haus gekocht werde.
Für die langfristige Wirkung von Projekten sei es ebenfalls wichtig, die Partner von Anfang an einzubinden. „Viele vom Bund geförderte Projekte sollen nach einer bestimmten Zeit an lokale Verantwortliche übergeben werden. Das funktioniert nur, wenn deren religiöser und kultureller Hintergrund bereits bei der Planung beachtet wird“, sagt Jahnel.
Michael Martin, Leiter der Abteilung Ökumene und Kirchliches Leben der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, kritisiert, nach wie vor werde in Deutschland zwischen Religion und Entwicklungshilfe getrennt. „Unsere Partnerkirchen sind sehr stark in Entwicklungsprogrammen eingebunden. Sie kennen die Lebensbedingungen in ihrer Region sehr genau und haben engen Kontakt zu Basisgruppen und zu Regierungsvertretern.“ Partnerschaftserfahrung, Entwicklungshilfe und Mission müssten eng beieinander stehen, betont Martin.
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