An Absichtserklärungen fehlt es nicht: Frieden und Sicherheit, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit, Wirtschaft und Finanzen, Ressourcen, Ernährung und Energie, Soziales und Gesundheit und nicht zuletzt: Entwicklung und Nachhaltigkeit – all dies müsse einer „regelbasierten“ globalen Ordnungspolitik unterworfen werden, heißt es etwa im Konzept der Bundesregierung „Globalisierung gestalten“. Und weithin Einigkeit herrscht auch darüber, dass in der nationalen Politik Abstimmung und Kohärenz geboten seien.
Nur: Es hapert an der Verwirklichung. Noch immer ist die Politik stark fragmentiert, Ressortegoismus herrscht. Das war auch der Befund bei einer Tagung der Fachgruppe „Entwicklungsbezogene Politikkohärenz“ bei der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) Mitte November in Berlin. Seit zehn Jahren befasst die Gruppe sich mit diesem Thema und hat neben einzelnen Politikfeldern wie der Rohstoffpolitik auch das Wirken von Bundesregierung und Parlament immer wieder kritisch unter die Lupe genommen. Jetzt steht die Gruppe selbst vor der Frage: Wie weitermachen, gerade mit Blick auf die Entwicklungsländer?
Autor
Johannes Schradi
war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.Neujustierung ist geboten – in der Politik wie bei den nichtstaatlichen Organisationen: Die lange als Referenzrahmen der politischen Agenda dienenden UN-Millenniumsziele (MDGs) zur Armutsbekämpfung laufen 2015 aus und das gleichzeitig (2001) aufgelegte nationale Aktionsprogramm 2015 der Bundesregierung ist lautlos in der Versenkung verschwunden. Neue Nachhaltigkeitsziele – Sustainable Development Goals (SDGs) –, die über die MDGs hinaus auch auf den umwelt- und sozialverträglichen Umgang mit Wasser, Nahrungsmitteln und Energie zielen, sollen die Lücke schließen.Sicher ist schon jetzt: Die Ziele werden mehr noch als die MDGs unerreichbar bleiben, wenn die Politik nicht ressort- und sektorübergreifend an einem Strang zieht.
Doch mehr als rudimentäre Ansätze sind kaum zu finden. Die OECD verlangt in ihren regelmäßigen Prüfberichten (Peer Reviews) von den reichen Ländern schon seit Jahren, sie sollten ihre Politik insgesamt entwicklungsfreundlicher gestalten. Die SPD-Entwicklungspolitikerin Karin Roth klagt indes, die Europäische Union habe ihr ambitioniertes Kohärenzgebot aus dem Jahr 2005 von zwölf auf fünf Politikfelder verkürzt. Die Bundesregierung hat zwar eine ressortübergreifende Staatssekretärsrunde zur Angleichung widersprüchlicher Ressortpolitiken und einen Ressortkreis für die koordinierte Verwendung von Entwicklungshilfe eingerichtet. Für Thilo Hoppe jedoch, Entwicklungspolitiker der Grünen, hat das die Politik kaum verbessert.
Es herrsche eben das Ressortprinzip, heißt es bei Politikern wie Ministerialbeamten halb stolz, halb bedauernd – sprich: Jedem Ressort ist das eigene Hemd am nächsten. Und im Parlament nicken die Regierungsfraktionen regelmäßig die Politik „ihrer“ Ministerien ab. Ein neues Globalisierungsministerium, wie es Entwicklungspolitiker der Opposition jetzt fordern (siehe den Beitrag auf dieser Seite), würde nach Ansicht vieler Fachleute nicht viel ändern, da die Zielkonflikte dann nicht mehr zwischen den Ressorts, sondern innerhalb des neuen Ministeriums ausgefochten würden.
Bleibt die Zivilgesellschaft, um politische Kohärenz immer wieder einzufordern, was sie – nicht nur bei der GKKE – auch lautstark tut. Doch man weiß auch: „Wir haben selbst ein Kohärenzproblem“ (Claudia Warning, „Brot für die Welt“ – Evangelischer Entwicklungsdienst). Menschenrechts-, Umwelt- und entwicklungspolitische Organisationen folgen verschiedenen Tagesordnungen. Und was ist besser: möglichst einheitlich oder eben doch vielfältig aufzutreten? Einig ist man sich nur darin: Mehr Kohärenz muss sein.
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