In Köln präsentierte das Ensemble die Deutschland-Premiere seines A-cappella-Musicals „Feuersturm“.Frauen einer typischen afrikanischen Gemeinschaft rebellieren gegen die althergebrachte Sitte, nach der die Väter die Ehemänner für ihre Töchter aussuchen.„Die Frauen drohen damit, einen Feuersturm zu entfachen, der erst enden wird, wenn die Männer aufhören, Frauen wie ihr Eigentum zu behandeln“, erklärt Dzifa Glikpoe. Die Regisseurin hat das gleichnamige 20 Jahre alte Drama in ein Musical umgeschrieben, das alle Elemente von Abibigromma miteinander verbindet: Chor- und Sprechgesang, Tanz, Pantomime und instrumentelle Begleitung.
„Die Ghanaer können sich mit diesem Theater identifizieren“,sagt die Managerin und Schauspielerin Akosua Abdallah. Sie kennen diese Art Lieder aus ihrem Alltag. „Vor allem Frauen singen Lieder aus dem Stegreif, der Text oft nur eine Zeile lang: ‚Pfeife nachts lieber nicht, das zieht die Dämonen an.’ ‚Rede nicht beim Essen.’‚Sei nicht so geschwätzig wie der Vogel Ajuli’.“ Akosua Abdallah, energisch, mütterlich und stets hilfsbereit, hat ihren Satz noch nicht beendet, da ergänzt ihre Kollegin Dzifa Glikpoe: „Wir nutzen unsere Lieder zum Lehren und Lernen, sie warnen, mahnen und erteilen Ratschläge. Einige Songs sind auch sehr bekannt. Manche Zuschauer singen dann während der Vorführung mit.“
Abibigromma lebt afrikanische Kollektivität mit beeindruckendem Teamgeist unter den 15 Schauspielerinnen und Schauspielern und weiteren 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. So entsteht keine angestaubte Folklore, sondern ein unterhaltsames, witziges, ironisch gebrochenes Musiktheater mit spannender Dramaturgie und differenzierter Argumentation. In „Feuersturm“werden die rebellierenden Frauen des Dorfes verwiesen, gründen ihr eigenes Dorf im Wald, begreifen dann aber, dass dieses ohne Männer aussterben würde. Sie kämpfen für ihre Rechte, der König und sein Ältestenrat nehmen den Kampf auf.
Abibigromma versteht sich als „Theater für Entwicklung“, das die Probleme der Menschen vor Ort aufnimmt. Als Ghanas Gesundheitsministerium feststellte, dass in einer bestimmten Region viele Schwangere starben und Berater daran nichts ändern konnten, schickte es die nationale Theatertruppe.„Zehn von uns fuhren dorthin und sprachen zwei Monate lang mit Ehemännern, traditionellen Hebammen und Frauen in 30 Dörfern“, erzählt Dzifa Glikpoe,„und wir fanden Schockierendes heraus: Operationen wie ein Kaiserschnitt waren absolut tabu.“Abibigromma sammelte Daten und Fakten, schrieb ein Stück, führte es auf – und nach zwei Monaten hatte sich die Zahl der Schwangeren, die Rat bei der Hebammen-Vereinigung suchten, verdoppelt. „Wir haben nicht versucht, ihnen ihre traditionelle Medizin mit Heilkräutern auszureden“,betont Akosua Abdallah, aber die Frauen hätten die Alternative verstanden. „Sie mussten zwischen der Angst vor dem Tabubruch und dem Operationsmesser entscheiden – und dann haben sie sich fürs Leben entschieden“,triumphiert Dzifa Glikpoe und beide lachen aus vollem Herzen.
Häufig entwickeln die Künstler auch Sketche vor Ort, improvisieren in den verschiedenen ghanaischen Sprachen – davon gibt es mehrere hundert – , auch bei den Vorführungen. „Jede und jeder von uns spricht mehr als eine lokale Sprache,“ erzählt Akosua Abdallah, „dann sprechen wir die regionalen Sprachen mehr oder weniger durcheinander: Wer in einem Dialog die Antwort einer Figur in seiner Sprache versteht, kennt auch die Frage – selbst wenn er sie nicht verstanden hat.“
Dorfbewohner, Erwachsene, Jugendliche, Kinder, Schülerinnen und Schüler beteiligen sich aktiv an der Entstehung einer Posse oder eines Dramas. Das Ende bleibt häufig offen. Das müssen die Zuschauer nach der Vorführung selbst finden. „Nur wenn das angesprochene Problem langfristig gelöst wird, haben wir Erfolg gehabt“, meint die Managerin.
Diesen Erfolg nutzen Entwicklungsorganisationen wie die Internationale Arbeitsorganisation oder die UNESCO für ihre Botschaften an die Bevölkerung. So haben Schriftsteller und Autorinnen für Abibigromma im Laufe seiner 30-jährigen Existenz Stücke geschrieben über Kinderarbeit, Gewaltkonflikte während der Wahlkämpfe, Kleinkredite, Gesundheitsvorsorge, sogar über die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD), ein komplexes panafrikanisches Entwicklungsprogramm.
Andere Theatergruppen in Ghana pflegen häufig die Comedy, zeitweise übernahmen Videos, Fernsehen und das Internet die Unterhaltung der Bevölkerung, wie in anderen Ländern auch. Dennoch habe das Theater wieder neuen Aufschwung genommen, berichten die beiden Leiterinnen von Abibigromma. Und ihre Gruppe sei mit dem Konzept der professionellen Mischung aus Drama, Gesang und Musik sowie ihrem internationalen Renommee ein Vorbild für andere.
Abibigromma entstand 1983, als Dozenten des Instituts für darstellende Künste an der Legon-Universität in der Hauptstadt Accra ihre Studierenden während eines einjährigen Streiks sinnvoll beschäftigen wollten. Heute ist die Gruppe eine der wenigen Ensembles Westafrikas, das aus Vollzeitprofis besteht. Jeder Schauspieler muss auch professioneller Tänzer und Sänger sein sowie Instrumente beherrschen. Zehn bis zwölf Aufführungen im Jahr präsentiert Abibigromma im Staatstheater der Hauptstadt, die meiste Zeit des Jahres aber spielt die Gruppe in Schulen, Dorfhallen und unter mächtigen Baobab-Bäumen.
Autorin
Birgit Morgenrath
ist freie Journalistin in Köln und berichtet seit vielen Jahren aus afrikanischen Ländern.Die Gehälter der Nationaltheatergruppe bezahlt der Staat. Die übrigen Mittel kommen von Auftraggebern oder Sponsoren. Die Geschäftsleitung ist beim Direktor des Uni-Instituts angesiedelt, darunter ein Vertreter des Ministeriums für Traditionelle Herrschaft und Kultur. Der Vizekanzler der Universität bestimmt den Direktor von Abibigromma. Vor einer Aufführung muss das Komitee die Stücke abnehmen. Besteht bei so viel Staatsnähe nicht die Gefahr der Zensur? „Nein“, sagt Ex-Direktorin und Regisseurin Dzifa Glikpoe entschieden, aber wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit arbeite das Team nach dem Grundsatz absoluter Neutralität. „Wir arbeiten mit jeder Regierung zusammen, die gerade an der Macht ist.“ Das Team enthalte sich bewusst der Kritik an der Regierung, aber es nehme auch die Meinungen der Opposition ernst. „Wir lassen die politische Seite raus. Nur darum existieren wir heute noch.“
Im Musical bleibt der Feuersturm schließlich aus. Obwohl die Anführerin Akyaa hingerichtet werden soll und sich die Frau des Dorfchefs aus Protest vergiftet, mündet das Drama in ein überraschendes Happy End. Der Henker hat es nicht übers Herz gebracht, Akyaa zu töten, und die clevere Königin hat ihren Selbstmord nur vorgetäuscht. Die Machos und Patriarchen haben nach diesen Lektionen ein Einsehen. Schließlich lieben sie ihre Angetrauten. Das Dorf findet wieder zusammen, dieses Mal nach den Regeln der Frauen.
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