Konkurrenz um den Karitébaum

Viele Frauen in den ländlichen Regionen der Sahelzone verdienen gutes Geld mit der Produktion von Sheabutter aus den Früchten des Karitébaums. Die Nachfrage auf dem internationalen Markt ist groß, Einkommen und Ansehen der Frauen steigen. Aber auch mit dem Holz des Baums werden Geschäfte gemacht - ein Ausgleich zwischen den Interessen ist schwierig.

Afrikas Sahelzone und die angrenzenden Savannen zählen zu den ärmsten Regionen der Welt. Die Sahelzone erstreckt sich südlich der Sahara vom Osten bis zum Westen des Kontinents. Mit den Jahren hat sich die Armut dort verschlimmert, vor allem seit Länder wie Mali, Niger, Tschad, Sierra Leone und der Sudan von Krieg, Krankheiten, Hunger und Dürre heimgesucht werden. Doch Frauen in ländlichen Gebieten, die besonders häufig arm sind, haben eine Möglichkeit entdeckt, ihre Lebensumstände zu verbessern: Sie stellen Sheabutter her und verkaufen sie auf dem internationalen Markt.

Die Nachfrage ist im Laufe der Jahre gestiegen, denn Sheabutter ist vielseitig verwendbar. Internationale Kosmetik- und Seifenfirmen nutzen sie in zahlreichen Produkten für Haut und Haar. Sie hilft bei der Behandlung von Hautproblemen wie Ekzemen, Verbrennungen, Ausschlägen, Schwangerschaftsstreifen, Akne, Falten, Hautverfärbungen und Juckreiz. In der Schokoladenindustrie wird sie als Ersatz für Kakaobutter verwendet.

Autor

Sam Olukoya

ist freier Journalist im nigerianischen Lagos.

Die Sahelzone ist weltweit die einzige Region, in der der Sheanuss- oder Karitébaum wächst. Aus seinen Nüssen gewinnen die Frauen die Sheabutter. Internationale Entwicklungsorganisationen haben ihnen moderne Maschinen zum Rösten, Zerkleinern und Mahlen zur Verfügung gestellt. Im Dorf Tsohon Kampani im Norden Nigerias etwa haben die Frauen von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Röstmaschinen bekommen. „Damit können wir die Sheanüsse in 30 Minuten trocknen“, erzählt Hauwa Aliyu. „Vorher haben wir sie in der Sonne geröstet, das kann bis zu fünf Tage dauern.“

Auch Stößel und Mörser weichen jetzt modernen Maschinen. „Früher haben wir drei Tage für die Herstellung von Sheabutter gebraucht, die Maschinen schaffen das in eine halben Stunde“, sagt Tabitha Sunday, die Führerin der Frauen in Tsohon Kampani. Die Frauen haben weniger Arbeit und die Sheabutter ist besser geworden. Sie können sie jetzt in großen Mengen ins Ausland verkaufen und nicht mehr nur auf dem Dorfmarkt, wo sie lediglich kleine Mengen losgeworden sind.

Hauptabnehmer für Sheabutter sind die Industriestaaten. In Nordghana etwa unterstützen das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und die japanische Regierung über die „Tokyo International Conference on African Development“ (TICAD) die Frauen bei der Produktion. Von dort werden Butter und Seife nach Japan, in die Vereinigten Staaten, nach Deutschland, Dänemark und in die Schweiz exportiert. Laut UNDP verdienen schätzungsweise insgesamt zwei Millionen Frauen ihren Lebensunterhalt mit der Produktion von Sheabutter. Für die Herstellung und den Vertrieb haben sie Kooperativen gebildet.

Kunden aus der ganzen Welt rufen an, um Bestellungen aufzugeben. Einige Kooperativen sind im Internet vertreten, damit Käufer sie leichter finden können. „Die Herstellung von Sheabutter hat die Frauen auf den globalen Markt gebracht, und darauf sind sie stolz“, sagt Toyin Babalola von der GIZ. Ihr Leben hat sich verändert: Als sie mit besseren Produktionsmethoden höhere Gewinne erzielten, erkannten die Frauen, dass der Karitébaum hinter dem Haus helfen kann, die Armut zu bekämpfen.„Früher fanden viele Frauen, dass diejenigen, die Sheabutter herstellen, nur ihre Zeit vergeuden. Heute sind diese Produzentinnen sehr geachtet“, erklärt Babalola.

Am wichtigsten ist den Frauen der Respekt ihrer Ehemänner. „Früher hatte ich kein Geld, um der Familie zu helfen. Für meinen Mann war ich eine wertlose Person. Aber mit dem Sheabuttergeschäft ist das anders geworden“, sagt Tabitha Sunday aus Tsohon Kampani. In der Vergangenheit waren die Frauen in allem von ihren Ehemännern abhängig, nun haben sie ein Gefühl der Freiheit. Sie könnten auch an Tagen, an denen ihre Ehemänner kein Geld haben, ein Essen auf den Tisch bringen, sagt Babalola. In vielen Gemeinschaften in der Sahelzone dürfen die Frauen aufgrund der kulturellen Tradition nicht arbeiten. Diese Diskriminierung beginnt zu schwinden, weil Frauen mit ihrem Verdienst einen großen Teil zum Familienunterhalt beitragen. Laut UNDP erzielen die Frauen in der Sahelregion mehr als die Hälfte ihres Einkommens mit Sheabutter. Sie ist zudem eine der wenigen Ressourcen im ländlichen Afrika, die sich allein in der Hand der Frauen befindet.

Nach Ansicht von Adisa Lansah Yakubu, der geschäftsführenden Direktorin des „Africa 2000 Network“,müssen die Frauen aber zunächst einmal lernen, mit ihrem plötzlichen Geldsegen zurechtzu kommen. Sie sollten im Umgang mit ihrem Einkommen geschult werden. „Wenn sie sich nicht richtig verhalten, kann das den Mann aggressiv machen”,erklärt Yakubu, deren Organisation an der UNDP-TICAD-Initiative zur Armutsbekämpfung beteiligt ist.„Wenn man den Frauen zeigt, wie sie das Geld gut für die Familie nutzen können, reagieren die Männer positiv.“ Das Ehepaar könne sich darauf verständigen, dass sich der Mann um bestimmte finanzielle Dinge kümmert, während die Frau für andere Bereiche zuständig ist.

Außerdem sollten die Frauen das Geld verwenden, um ihre Zukunft und die ihrer Kinder zu sichern, betont Yakubu. In Ghana werden sie dazu ermutigt, mit den Einnahmen aus dem Sheabutter-Handel Häuser zu bauen. In den meisten afrikanischen Gesellschaften ist es besonders wichtig, dass eine Frau ihr eigenes Haus besitzt. Denn wenn ihr Ehemann stirbt, kann es passieren, dass seine Verwandten sie aus dem bisherigen Heim vertreiben.

Die Produktion von Sheabutter hat das Leben vieler Frauen in den ländlichen Regionen der Sahelzone zwar zum Guten verändert, aber die Konkurrenz um den Karitébaum ist groß und vielerorts kommt es deshalb zum Streit. Das Holz des Baums ist hart und wird gerne zur Herstellung von Mörsern verwendet. Danach besteht eine hohe Nachfrage, weil viele traditionelle Nahrungsmittel damit zerkleinert werden. Außerdem eignet es sich besonders gut für Holzkohle, da es ohne Rauch verbrennt. Und Kohle ist in vielen Gegenden die wichtigste Energiequelle zum Kochen.

Die Sheabutter-Produzentinnen beklagen sich über das Fällen der Karitébäume. „Wenn sie einmal abgeholzt sind, ist unser Geschäft ruiniert “, sagt Tabitha Sunday, die Frauenführerin aus Tsohon Kampani. Sunday Kofi, der davon lebt, dass er Bäume verkauft, erklärt dagegen, niemand dürfe einen anderen daran hindern, Bäume zu fällen. „Bäume sind Geschenke von Gott. Ich habe das Recht, sie für mein Geschäft zu fällen“, sagt er. Die Holzkohlehändlerin Iyabo Adeola sieht das ähnlich. „Viele Frauen in Nigeria leben davon, dass sie Holzkohle verkaufen“, stellt sie fest.

Fast überall im Sahel sollten Nutzbäume wie der Karitébaum eigentlich geschützt werden. Die Frauen von Tsohon Kampani haben sich schon mehrfach an die Regierung gewandt. „Wir wollen, dass sie jeden verhaftet, der einen Karitébaum fällt“, erklärt Tabitha Sunday. Laut Adisa Lansah Yakubu von „Africa 2000 Network“ arbeiten die Menschen jedoch kaum mit der Regierung zusammen – selbst dort nicht, wo sie eingreift, um den Schutz wirtschaftlich genutzter Bäume durchzusetzen. „Viele Dorfgemeinschaften sind klein und die Leute zeigen nur ungern jemanden an, der einen Baum fällt“, sagt sie. „Meist sind sie in irgendeiner Form mit dem Übeltäter verwandt und wollen ihren Verwandten nicht bei der Polizei anzeigen.“

Die Menschen in der Sahelzone holzen zwar Bäume ab, aber sie pflanzen keinen neuen. Yakubu sieht eine mögliche Lösung, sie darin zu schulen. Sie müssten lernen, sich um Setzlinge zu kümmern und sie großzuziehen, sagt sie. Erst wenn solche Wege beschritten werden, können die Frauen in der Sahelzone sicher sein, dass der Karitébaum nicht eines Tages verschwinden wird.

Aus dem Englischen von Elisabeth Steinweg-Fleckner.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2012: Konzerne: Profit ohne Grenzen
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