Die Mittel der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID sind dramatisch gekürzt worden. Über die humanitären Folgen und die langfristige Zerstörung von Entwicklungsperspektiven für Abermillionen wurde bereits vieles gesagt. Manches auch über die Folgen der finanziellen Austrocknung lokaler und internationaler NGOs, die die Unterstützung aus den USA verlieren. Sie haben – auch mithilfe ihrer internationalen Partner wie Brot für die Welt und Misereor – über Jahrzehnte Kompetenzen und Kapazitäten aufgebaut. Die lassen sich auch dann nicht schnell wiederherstellen oder ersetzen, sollte Präsident Donald Trump eine Kehrtwende machen und Hilfe wieder aufnehmen. Das ist allerdings höchst unwahrscheinlich: USAID ist nicht zufällig das erste Opfer der Destruktion staatlicher Institutionen durch Trump und Elon Musk.
Zu wenig gesagt wurde bisher über deren politische Absichten (über die Kürzung der verhassten Auslandshilfe hinaus) und über mögliche Auswirkungen auf die globale Zivilgesellschaft als Stütze der Demokratie. Die USA führen keinen Systemwettstreit um Werte mehr, und zur Durchsetzung ökonomischer Interessen brauchen sie USAID nicht mehr. Die Behörde, einst im Kalten Krieg als Mittel der „weichen Macht“ (soft power) zwischen Diplomatie und militärischer Intervention geschaffen, um Werte und Wirtschaftsinteressen der USA durchzusetzen, ist jetzt überflüssig geworden.
Die USA wollen ihre Sicherheit nicht mehr darauf bauen, mit Hilfe von humanitären und Entwicklungsgeldern die Sympathie anderer Nationen zu gewinnen. Sie haben inzwischen so viel ökonomische, digitale und militärische Macht angehäuft, dass sie meinen, große Teile der Welt mit aufgezwungenen „Deals“ über Wirtschaft und Sicherheit kaufen oder dominieren zu können, um den eigenen Profit zu maximieren.
Nur noch Geld für rechte Parteien und Autokraten?
Die Tech- und Finanzoligarchen, denen Trump dient, wollen möglichst überall alle Regeln abschaffen, die der Bereicherung der US-Wirtschaft im Wege stehen. Dazu gehören Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte, Klimaschutzmaßnahmen, Regulierungen des Handels, Bekämpfung der Korruption – alles, was USAID über Jahrzehnte befördert hat. Rechte, Beteiligung, Mitsprache, Gewaltenteilung, gerechter Ausgleich, also die fundamentalen Prinzipien der Demokratie, wurden bisher mithilfe von USAID verbreitet. Nun sollen sie geschleift werden, um Monopolen und den Regierungen, die sie unterstützen, freie Hand zu lassen.
Wer den USA die Tür öffnet, damit die sich weiter bereichern, hat Chancen auf Unterstützung. Vermutlich werden die Mittel einer USAID-Nachfolgeorganisation die politische Arbeit, Kampagnen und Wahlkämpfe rechter Parteien finanzieren und autokratische Regierungen unterstützen, die ihnen Zugang zu ihren Ressourcen und Daten bieten und mit denen die USA das Ziel eint, demokratische Werte zu zerstören. Es spricht viel dafür, dass die Begründung der Trump-Regierung „amerikanisches Geld zuerst den Amerikanern“ nur ein untergeordnetes Motiv ist – ein Narrativ, das bei Amerikanern gut ankommt, weswegen sich bislang kaum Widerstand dagegen die Zerstörung von USAID oder der Demokratie geregt hat.
Für die Vermutung, dass die Zerstörung der Demokratie weltweit das wichtigere politische Ziel von Trump und Musk ist, spricht: Es wurden alle Zahlungen zur Stärkung der Demokratie aus allen drei dafür vorgesehenen US-Finanzierungsquellen – USAID, dem Außenministerium und der vom Kongress finanzierten Stiftung National Endowment for Democracy (NED) – seit Januar ohne Begründung eingefroren.
USAID-Daten könnten in falsche Hände geraten
Musks illegaler Zugriff auf die Daten von USAID ist bei der Zerstörung der Demokratie weltweit von zentraler Bedeutung. USAID war – speziell auch in den Bereichen gute Regierungsführung, Demokratie, Korruptionsbekämpfung, Menschen- und Frauenrechte – der weltweit größte Geber für die Zivilgesellschaft. Würden Musk oder Trump die USAID-Daten über Struktur, Ziele, Finanzen und weitere Details dieser zivilgesellschaftlichen Organisationen im Zuge von Deals an Autokraten anderswo ausliefern, dann könnten diese kritische NGOs noch besser verfolgen, verbieten und ihr Vermögen konfiszieren.
Schlimmer noch: USAID hatte im Zuge des „Kriegs gegen den Terror“ von allen Empfängerorganisationen auch Daten über die bei ihnen Tätigen und sogar über die von den Mitteln Begünstigten eingefordert. Somit verfügte USAID über die wohl umfangreichste Datensammlung über Aktivisten und Aktivistinnen der Zivilgesellschaft weltweit – auch von denen an der Basis, in den entlegensten Dörfern. Es besteht die Gefahr, dass die US-Regierung diese Daten missbraucht.
Zum Beispiel könnte sie Autokraten helfen, unliebsame Führungsfiguren der Menschenrechts-, Demokratie-, Antikorruptions-, Umwelt-, feministischen und LGTBI-Bewegung im Süden sowie in Mittel- und Osteuropa, die ihnen bisher entgangen sind, „unschädlich“ zu machen. Das globale zivilgesellschaftliche Netzwerk Civicus berichtet Jahr für Jahr, wie Aktivisten und Aktivistinnen verfolgt, verhaftet und in Straflager gebracht werden, spurlos verschwinden und getötet werden.
Europäische Partner der globalen Zivilgesellschaft werden die Lücke finanziell nicht füllen können. Sie werden gemeinsam mit den Engagierten der bedrohten Zivilgesellschaft in allen Kontinenten sehr zügig völlig neue Strategien überlegen und Vernetzungsformen planen müssen, um sich gemeinsam gegen die Attacken zu wehren und Rechte, Beteiligung und Gerechtigkeit für und mit den Armen und Ausgegrenzten neu durchsetzen und gestalten zu können.
Neuen Kommentar hinzufügen