Die namibische Regierung sieht im Aufbau einer Handelsdrehscheibe für grünen Wasserstoff den Schlüssel zu mehr Wohlstand und Arbeitsplätzen. Voran geht das Konsortium Hyphen Hydrogen Energy, an dem das deutsche Unternehmen Enertrag beteiligt ist. Das Projekt mit einem Investitionsvolumen von knapp zehn Milliarden US-Dollar spielt laut Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth eine Schlüsselrolle für Deutschlands Energiewende.
Grüner Wasserstoff soll fossile Brennstoffe etwa in der Stahl- und Chemieindustrie oder im Schiffsverkehr ersetzen, wo Strom keine Lösung ist. Europa will davon bis 2030 zehn Millionen Tonnen einführen. Namibia strebt mit Hyphen ab 2028 eine Jahresproduktion von 300.000 Tonnen, ab 2030 von zwei Millionen Tonnen an. Die benötigte Energie soll in großflächigen Solarparks und mit 600 Windturbinen gewonnen werden. Außerdem ist geplant, den Hafen der Stadt Lüderitz zu erweitern und um einen Tiefseehafen zu ergänzen, von wo der Wasserstoff und das daraus gewonnene Ammoniak verschifft werden sollen.
In Lüderitz war das erste deutsche Konzentrationslager
Für die Solar- und Windenergieparks wurde im an Lüderitz angrenzenden Nationalpark Tsau Khaeb eine Fläche in 40-jähriger Konzession vergeben; die Angaben schwanken, wie groß sie ist. Die karge Fels- und Wüstenlandschaft war lange Sperrgebiet, in dem Diamanten abgebaut wurden. Sie ist somit unbewohnt und Heimat einiger Dutzend einzigartiger Pflanzenarten geworden, die laut Namibia Scientific Council nur dort vorkommen. Der Hafen Lüderitz grenzt unmittelbar an die Halbinsel Shark Island, wo während des Völkermordes (1904-1908) unter deutscher Kolonialherrschaft (1884-1915) im ersten deutschen Konzentrationslager nach Schätzungen bis zu 4000 Menschen der Volksgruppen Nama und Ovaherero getötet wurden und wo heute eine Gedenkstätte daran erinnert.
Namibische Organisationen kritisieren, genau dort nun Infrastruktur für Energieexporte nach Deutschland entstehen soll. Das missachte die Rechte der indigenen Bevölkerungsgruppen, sagte Sima Luipert vom Verband der traditionellen Vorsteher der Nama (NTLA) auf einer Online-Pressekonferenz Anfang September. Laut Luipert weisen Forschungsergebnisse darauf hin, dass in unmarkierten Massengräbern auf der Halbinsel und auf dem Meeresboden noch Überreste der KZ-Opfer liegen könnten.
Luipert kritisierte außerdem die offizielle Sicht, dass das Land, auf dem die Solar- und Windparks errichtet werden sollen, „frei“ sei. Das sei dieselbe Sprache wie während der Kolonisierung vor mehr als hundert Jahren. Damals sei das Land den Nama geraubt worden, dann sei es von Südafrika, das Namibia bis 1990 besetzt hat, an Bergbaukonzerne verpachtet worden und jetzt gebe es die namibische Regierung dem Hyphen-Konzern, der Energie für Deutschland produzieren soll. Das sei eine „ausbeuterische Haltung“, die auch noch als umweltfreundlich dargestellt werde.
Deutsche Wasserstoffstrategie "entwicklungsverträglich" gestalten
Das BMZ erklärt, man nehme die Anliegen der namibischen Zivilgesellschaft sehr ernst, Staatssekretär Flasbarth habe am Rande einer Wasserstoffkonferenz in Windhoek Anfang September den Austausch gesucht. Im Übrigen arbeite man mit der namibischen Regierung an der Aufarbeitung der Gräueltaten während der deutschen Kolonialherrschaft. Jedoch kaufe Deutschland weder Land noch produziere es Wasserstoff, ergänzt ein Sprecher. Entscheidungen zum Aufbau der Industrie, über den Standort der Windfarmen oder die Landvergabe gingen allein auf die dortige Regierung zurück.
Das Ministerium weist darauf hin, dass es sich „mit Nachdruck“ dafür eingesetzt habe, die deutsche Wasserstoffstrategie entwicklungsverträglich zu gestalten. Es komme darauf an, Nachhaltigkeitsstandards zu den Rechten indigener Völker, zur Landnutzung, Arbeitssicherheit oder zur lokalen Beteiligung zu achten. Vor Ort habe die Bundesregierung auf Ausschreibungsverfahren und Vertragsabschlüsse keinen Einfluss, sie werbe aber „in engem Austausch“ mit den Beteiligten dafür, „dass die Grundsätze der Transparenz, fairen Vergabe und breiten Beteiligung eingehalten werden“.
Lokale Bevölkerung nicht am Projekt beteiligt
Auch hier gibt es Kritik aus Namibia. Zwar habe Hyphen eine Untersuchung zu den wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischen Auswirkungen des Großprojekts (Impact Assessment) angekündigt. Doch das komme viel zu spät, da die Verträge ja längst unterschrieben seien, sagte Tjipura Tjipura vom Economic and Social Justice Trust auf der Online-Pressekonferenz. Für die lokale Bevölkerung sei das Wasserstoffprojekt völlig undurchsichtig, sie sei nie beteiligt und über die Folgen aufgeklärt worden, Einwände seien ignoriert worden. Hingegen betonen sowohl die Regierung in Windhoek als auch das Bundeswirtschaftsministerium, bis zur endgültigen Freigabe des Projekts müsse das Impact Assessment abgewartet werden.
Deutschland fördert das Vorhaben nicht nur politisch, sondern auch finanziell. So finanziert das BMZ unter anderem die Ausbildung von Fachkräften wie Elektrikern und Installateuren und unterstützt die „Unternehmensallianz Grüner Wasserstoff“ für die Kooperation deutscher und namibischer Firmen. Das Wirtschaftsministerium hat 2023 Garantien zum Schutz von privaten Investitionen in Namibia im Umfang von 60 Millionen Euro übernommen. Und als Teil der EU-Infrastrukturinitiative Global Gateway trägt Deutschland neben sieben anderen EU-Ländern 150 Millionen Euro zur „Säule Energie“ und 220 Millionen Euro zur „Säule Wasser“ bei.
Wasserstoff aus Namibia
Wer schon in Namibia war, kann den Beitrag von Frau Zapf schnell in den Bereich Unterhaltung einordnen. Die einheimische Bevölkerung kann aus unterschiedlichen Gründen nicht an dem Projekt beteiligt werden. Millionen Tonnen Wasserstoff sind schwer darstellbar und gasförmig gar nicht. Verflüssigt bedeutet gekühlt und ist in dieser Form und Menge nicht transportierbar. Letztlich ist auch das Investitionsvolumen von Milliarden Dollar gut möglich, aber niemand der Namibia kennt, wird das Geld dort investieren.
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