Wie umgehen mit den Militärregimen?

Zivilisten, einer mit der Landesfahne, und uniformierte Militärs ohne Waffen kommen auf den Betrachter zu.
REUTERS/Mahamadou Hamidou
Die Junta im Niger hat ihre Anhänger: Offiziere der Armee im April 2024 in Niamey inmitten einer Demonstration gegen die US-Militärpräsenz.
Sahel
Vier Krisenländer im Sahel werden inzwischen von Militärs regiert. Einheimische Organisationen der Zivilgesellschaft sind uneins, wie Förderer in Deutschland damit umgehen sollten.

Wie soll man mit den Sahelländern, die vom Militär regiert werden, weiter zusammenarbeiten? Müssen nichtstaatliche Werke ihre Arbeit dort anpassen? Auf welche Haltung der Bundesregierung und anderer staatlicher Geber sollen sie drängen? Das Netzwerk Fokus Sahel, dem rund 40 deutsche Hilfswerke und Initiativen zum Sahel angehören, hat das in Berlin zusammen mit zahlreichen Partnerorganisationen aus Mali, Burkina Faso, dem Niger und dem Tschad diskutiert. Klare Antworten gibt es auf die Fragen nicht – auch Organisationen im Sahel sind weder über die Einschätzung der Lage noch über Empfehlungen einig.

Die Stimmung ist deutlich gedrückter als bei der vorigen Tagung vor zwei Jahren. Kein Wunder: Nach dem Militärputsch in Mali 2020 hat in Burkina Faso die Armee 2022 zweimal geputscht und dann auch im Niger Mitte 2023. Im Tschad hat sich soeben der Sohn des langjährigen Diktators, der nach dessen Tod 2021 die Macht übernommen hatte, in einer höchst fragwürdigen Wahl zum Präsidenten machen lassen. Es gibt wenig Anzeichen, dass die Regime es mit dem angekündigten Übergang – oder der Rückkehr – zur Demokratie ernst meinen.

Und in allen vier Ländern kämpfen sie gegen Rebellengruppen und dschihadistische Organisationen, die in Mali, Burkina Faso und im Niger mehr oder weniger große Teile des Staatsgebietes kontrollieren und Angst und Schrecken verbreiten. Auch die Armeen und mit ihnen verbundene Milizen begehen Übergriffe auf Zivilisten. Die Sicherheitslage hat sich im Niger nach dem Putsch deutlich verschlechtert. Und die Wirtschaftssanktionen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS wegen der verfassungswidrigen Staatsstreiche verschlimmern die Not der Bevölkerung noch, wie Manzo Diallo aus dem Niger in Berlin beklagte.

"Souveränität achten" und "angepasste Demokratie"

Wie soll man unter diesen Umständen mit den Ländern umgehen? Eine Vertreterin aus Mali verlangte, ihre „Souveränität“ zu akzeptieren, also sich nicht in die Innenpolitik einzumischen. Aus dem per Video zugeschalteten Raum in Ouagadougou kam ein Plädoyer für „angepasste Demokratie“. Was soll denn das sein, fragte daraufhin der Journalist Abdoulaye Diallo aus Burkina Faso. In jeder Form der Demokratie gehe es darum, dass der Wille des Volkes sich durchsetze; er verwies auf Senegal als Vorbild, wo das erkämpft worden sei. Und für Abderamane Gossoumian liegt das Problem darin, dass Militärs regieren, egal ob mit oder ohne Wahlen – in seinem Heimatland Tschad tun sie das seit 40 Jahren.

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Dass in den drei anderen Ländern manche NGOs Verständnis für die Putschisten zeigen, hängt aber damit zusammen, dass die bei Teilen der Bevölkerung beliebt sind. Im Niger ist die Bevölkerung einfach enttäuscht von zwanzig Jahren der Demokratie, sagt Manzo Diallo, und die Meinung über die Junta sei geteilt. Das rechtfertige allerdings nicht die Repressionen gegen Medien und unabhängige Organisationen heute.

Einen hitzigen Disput gab es über die Frage, ob die Volksgruppe der Peul, von denen viele als Nomaden im Sahel leben, gezielt staatlich verfolgt wird. Laut einer im Exil lebenden Vertreterin der Gruppe findet in den Sahelstaaten ein Völkermord an den Peul statt, den das Ausland und die einheimische Zivilgesellschaft ignoriere – auch deshalb schlössen sich viele junge Peul islamistischen Gruppen an. Fachleute etwa aus Hilfswerken bestätigen, dass Peul-Nomaden marginalisiert und Opfer von Massakern würden, besonders in Burkina Faso. Sie bezweifeln aber, dass dies staatlich geplant wird, und verweisen auf lokale Konflikte und die Gewaltspirale im Kampf mit den Islamisten. Die Organisationen aus dem Sahel blieben zu den Vorwürfen, sie ignorierten Angriffe auf Peul, überwiegend still.

Berlin soll engagiert bleiben und Hilfe nicht kürzen

Einig sind sie über eine Reihe Forderungen an Deutschland: Die Regierung in Berlin solle im Sahel engagiert bleiben; sie solle im Dialog mit der Zivilgesellschaft bleiben, aber auch Gesprächskanäle zu den Junten offenhalten; und es sei vordringlich, Menschenrechtsorganisationen und Medien zu unterstützen. Ob das mit der Forderung vereinbar ist, die Souveränität der Länder zu achten, ist allerdings fraglich. Und die Partner im Sahel fürchten mit gutem Grund, dass die Förderung aus Deutschland mit den geplanten Kürzungen im Entwicklungsetat ebenfalls sinken wird.

Die Debatten bestätigen im Übrigen Zweifel an manchen bei uns gängigen Deutungsmustern. Staaten in „Demokratien“ und andere einzuteilen, ist den komplizierten Verhältnissen im Sahel nicht angemessen – erst recht, wenn das Hauptkriterium für Demokratie Wahlen sind. Statt über die Regierungsform zu streiten, sollte man besser Fortschritte bei Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte einfordern. Und sich auf „die Zivilgesellschaft“ im Sahel (und anderswo) zu berufen, als hätten deren Organisationen eine einheitliche Position, ist völlig irreführend.

Ein wichtiger Nebeneffekt der Tagung ist, dass sie unterschiedliche Organisationen im Sahel miteinander ins Gespräch gebracht hat. In allen vier Ländern hatten die Organisatoren Räume für eine Video-Teilnahme eingerichtet, die zeitweise gut gefüllt waren – das Interesse war dort groß. Die vielen Engagierten in den vier Ländern haben Unterstützung verdient.

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