Kontra: Wider die Kommerzialisierung der Klimakrise

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Pro & Kontra Kohlenstoffmärkte
Pro & Kontra: Kohlenstoffmärkte
Sollte sich Afrika stärker Kohlenstoffmärkten öffnen? Wenn Unternehmen oder Verbraucher ihre Treibhausgasemissionen kompensieren wollen, können sie in Projekte in Afrika zum Schutz von Wäldern investieren und Emissionszertifikate erwerben. Profitiert davon auch die Bevölkerung auf dem Kontinent? Nein, sagt Amos Wemanya von Powershift Africa.

Amos Wemanya ist Senior Adviser für erneuerbare Energien und Klimagerechtigkeit bei Powershift Africa in Nairobi, Kenia.

Afrika steht an vorderster Front in der Klimakrise, viele afrikanische Gemeinschaften sind besonders schlimm von den Auswirkungen betroffen. Sie haben am wenigsten zur Krise beigetragen, tragen aber die größte Last. Es ist wichtig, dass die Welt sich mit diesen Gemeinschaften solidarisiert. Um ihnen zu helfen, müssen die Verschmutzer ihre Kohlenstoffemissionen deutlich reduzieren. Und die Staats- und Regierungschefs der Welt müssen sicherstellen, dass diejenigen, die am meisten zum Klimawandel beigetragen haben, die dringend benötigte Unterstützung für die am stärksten betroffenen Gemeinschaften bereitstellen. 

Absurd ist hingegen, wenn afrikanische Länder im Rahmen freiwilliger Kohlenstoffmärkte ihre territoriale Souveränität über große Landstriche an ausländische Konzerne abgeben, um Emissionszertifikate zu verkaufen. Der derzeitige Ansturm auf die Kohlenstoffmärkte in Afrika bedeutet eine Kommerzialisierung der Klimakrise und der Natur, die es reichen Ländern und Unternehmen ermöglicht, sich ihrer Pflicht zur Reduzierung von Emissionen zu entziehen. Stattdessen wird die Verantwortung von den Verursachern auf die Leidtragenden der Verschmutzung verlagert.

Die afrikanischen Länder brauchen Unterstützung in Form von Technologie und Geld, um kohlenstoffintensive Entwicklungspfade zu vermeiden und widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimakrise zu werden. Gefährliche Ablenkungsmanöver wie Emissionsgutschriften werden Afrika nicht dabei helfen, Klimaresilienz und Entwicklung voranzutreiben. Zwar preisen Befürworter Emissionszertifikate als Geldquelle für die Anpassung an den Klimawandel und zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung. Doch tatsächlich gehen die meisten Einnahmen aus Kohlenstoffgutschriften nicht etwa an die Bevölkerung, sondern an Projektentwickler, Beratungsunternehmen, die Projekte unterstützen und überprüfen, Finanzunternehmen, die mit Kohlenstoff handeln, und an große Industrien, die dank der Zertifikate weiterhin die Umwelt verschmutzen dürfen. 

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Diese Kommerzialisierung der Natur und des Klimas steht nicht im Einklang mit den Interessen indigener und lokaler Gemeinschaften oder den Entwicklungsbestrebungen der afrikanischen Länder. Sie schafft falsche Anreize mit nachteiligen sozialen und ökologischen Folgen. Projekte für Kohlenstoffmärkte sind auf möglichst große Mengen von gebundenem CO2 ausgerichtet und nicht auf die Produktion von Nahrungsmitteln oder die Erfüllung anderer Entwicklungsbedürfnisse. Zudem drängt der Hype um die Kohlenstoffmärkte in Afrika wirksamere Lösungen in den Hintergrund, etwa die Regulierung von Industrien, um Emissionen zu reduzieren, und eine rasche Umstellung auf neue Technologien. 

Die afrikanischen Staats- und Regierungschefs müssen sich deshalb für echte Lösungen einsetzen, die den Gemeinschaften in ihren Ländern helfen, sich an die Klimakrise anzupassen und Entwicklungsfortschritte zu machen. Sie müssen die Energiearmut auf dem Kontinent bekämpfen, indem sie in erneuerbare Energien investieren, die den Bedürfnissen der Menschen entsprechen und nicht den Kohlenstoffmärkten. Afrika braucht außerdem Investitionen in seine Landwirtschaft, um Ernährungssouveränität zu erlangen. Angesichts des vernachlässigbaren Beitrags Afrikas zur Klimakrise sollte der Kontinent von den Ländern und Unternehmen, die die Krise verursacht haben, Finanzhilfen erhalten – und zwar in Form von Zuschüssen, nicht Krediten, um eine noch höhere Verschuldung zu vermeiden, die bereits durch ein ungerechtes internationales Finanzsystem entstanden ist.

Die reichen Länder können nicht weiter von Emissionskompensationen halluzinieren in einer Welt, die ein noch tragfähiges Niveau der Klimaverschmutzung bereits weit überschritten hat. In Afrika müssen die Regierungen einen neuen Finanzierungsmechanismus nach dem Verursacherprinzip einführen, um für die einheimische Industrie Anreize für eine sauberere Produktion zu schaffen und sie in die Lage zu versetzen, einen Beitrag zu den von Afrika definierten Klimaschutzmaßnahmen zu leisten.

Aus dem Englischen von Tillmann Elliesen. 

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