Besonders gern führen Kritiker der Entwicklungszusammenarbeit ein Projekt in Peru ins Feld, das mit deutschen Mitteln den Bau von Fahrradwegen unterstützt. Bevorzugt vom rechten Rand des politischen Spektrums wurde es stellvertretend für die gesamte Entwicklungszusammenarbeit in der Luft zerrissen. Weil auch in Teilen der Unionsparteien CDU und CSU vergleichbare Denkmuster an Zustimmung gewinnen, steuert die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag nun dagegen: In einem Schreiben an die Mitglieder geben Fraktionsvize Hermann Gröhe und der entwicklungspolitische Sprecher Volkmar Klein Argumentationshilfen, warum Entwicklungszusammenarbeit sinnvoll und berechtigt ist.
Offiziell nimmt das Rundschreiben „eine kritische öffentliche Diskussion über Sinn und Zweck wie auch die Höhe deutscher Entwicklungsleistungen“ zum Anlass. Doch hat aus Sicht mancher in der Union auch die SPD-Leitung des Entwicklungsministeriums (BMZ) ein Eigentor geschossen: Eine Anfrage der Union im Bundestag unter anderem nach dem BMZ-Engagement für den Aufbau von Statistikbehörden in Partnerländern beantwortete es vergangenen Dezember mit einer seitenlangen, ungeordneten und wenig aussagekräftigen Auflistung von Projektbeispielen aus aller Welt (Drucksache 20/9761 ).
An der folgenden Welle teils hetzerischer Kritik, losgetreten von der AfD, sei das Ministerium also nicht ganz unschuldig, heißt es ergänzend zum Brief in der Unionsfraktion. Dabei seien die meisten der vom Ministerium in der Antwort auf die Anfrage aufgelisteten Projekte sinnvoll. Nicht ohne Grund seien die Haushaltsmittel für Entwicklungspolitik unter Kanzlerin Angela Merkel 15 Jahre in Folge hintereinander angestiegen. Ebenso legitim seien indes Fragen, wo Einsparungen sinnvoll seien. Zur Versachlichung der Debatte solle das Rundschreiben einen Beitrag leisten.
So wird in dem Brief erläutert, wie sich die Summe von mehr als 33 Milliarden Euro staatlicher Entwicklungsgelder (ODA) 2022 aus dem BMZ, verschiedenen anderen Ministerien und den Bundesländern zusammensetzt. Gröhe und Klein weisen etwa darauf hin, dass die Unterbringungskosten von Flüchtlingen im ersten Aufenthaltsjahr einfließen (4,3 Milliarden Euro), ebenso wie Studienplatzkosten für Studierende aus Entwicklungsländern (1,72 Milliarden Euro 2021), oder dass 2021 knapp 1,4 Milliarden Euro marktmäßig verzinste Kredite der KfW Entwicklungsbank und der Tochter DEG anzurechnen waren.
Ethische Verpflichtung zur Linderung der Not
Als Eckpfeiler deutschen Engagements nennt die Unionsspitze Werte und Interessen, die „als Motivation und Begründung zusammenkommen“. Das „C“ im Parteinamen begründe weiterhin die ethische Verpflichtung, zur Linderung der Not in der Welt beizutragen. „Wir sollten uns nicht damit abfinden, dass weltweit jeder zehnte Mensch unter bitterer Armut und Hunger leidet“, heißt es in dem Schreiben. Daher sei es richtig, die 2015 mit beschlossenen UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) zu unterstützen.
Erfolgreiche Entwicklungspartnerschaften seien „in unserem eigenen Interesse, etwa wenn es um Friedenssicherung, Konfliktvorbeugung und -lösungen, Gefahrenabwehr, um die Verringerung von Fluchtursachen oder den globalen Klima- und Gesundheitsschutz geht“. Sie dienten auch dazu, in der Systemkonkurrenz mit Ländern wie China, Russland, der Türkei oder arabischen Staaten „für unser liberales und offenes Weltbild zu werben“. Und schließlich verbessere Entwicklungszusammenarbeit die Möglichkeiten der wirtschaftlichen Kooperation.
Zur häufig kritisierten Entwicklungszusammenarbeit mit China bemerkt das Papier, dass der Löwenanteil aus auslaufenden Krediten besteht, an denen die KfW Entwicklungsbank am Ende sogar noch verdiene, und dass China nach internationalen Standards noch ein Entwicklungsland sei, wenn auch mit oberem mittlerem Einkommen. Auch den gescholtenen Bau von Fahrradwegen in Peru rechtfertigen Gröhe und Klein: „Maßnahmen zur CO2-Senkung in Peru zu fördern, ist im deutschen Interesse.“ Man wolle keinen Freibrief für alle Entwicklungsprojekte geben, doch im Kontext der jeweiligen Partnerländer lasse sich die große Mehrzahl von Vorhaben gut begründen.
Den Nutzen stärker deutlich machen
Abschließend kritisiert die Union zwar, dass eine „feministische Entwicklungspolitik“ ausgerufen, zugleich aber unter Frauen erfolgreiche Mikrokredite gekürzt würden. Sie plädiert aber dafür, die Entwicklungszusammenarbeit weiter adäquat auszustatten. „Es sollte nicht Unionspolitik sein, die internationale Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland durch noch stärkere Kürzungen weiter zu beschneiden“, heißt es in dem Brief, der auch daran erinnert, dass Sparen im Krisenfall „weitere illegale Migrationsbewegungen auslösen kann, so wie es 2015 passiert ist, als die UN die Rationen in Flüchtlingslagern im Nahen Osten kürzen musste, weil sie keine Mittel mehr hatte“.
In den Wahlkreisen sei die Argumentationshilfe dankbar aufgenommen worden, ist aus der Fraktion zu hören. Etliche Abgeordnete berichteten von steigendem Druck, internationales Engagement zu rechtfertigen, wenn gleichzeitig hierzulande die Kindergärten fehlten. Zur Begründung von Entwicklungszusammenarbeit müsse zunehmend der Nutzen deutlich gemacht werden, heißt es. Das zeige sich auch im öffentlichen Meinungsbild, heißt es mit Verweis auf den Meinungsmonitor zur Entwicklungspolitik des staatlichen Evaluierungsinstituts DEval . Der verzeichnete 2022 in der Bevölkerung noch 75 Prozent Zustimmung zu einer „mittleren bis hohen Unterstützung von Ländern des globalen Südens“, zeige jedoch nach neuen, noch vorläufigen und unveröffentlichten Erkenntnissen inzwischen einen tiefen Absturz dieses Wertes.
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