Mit dem Bericht, der am 22. November erschienen ist, wolle er deutlich machen, dass Religions- und Weltanschauungsfreiheit ein fundamentales Menschenrecht ist, schreibt der Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung, Frank Schwabe, im Vorwort. Es stehe auf gleicher Ebene mit anderen Menschenrechten wie der Versammlungs- oder Meinungsfreiheit. Schwabe räumt auch mit einem Missverständnis auf: Die Religions- und Weltanschauungsfreiheit schütze nicht die Ansprüche von Religionen, Kirchen oder Institutionen, sondern das Recht eines jeden Menschen, für sich entscheiden zu können, welcher Religion er oder sie anhängt und ob überhaupt einer.
Der Bericht enthält 41 Länderberichte, mehr als die beiden Berichte von Schwabes Vorgänger Markus Grübel. Neu ist auch, dass er Querschnittsthemen auf ihr Verhältnis zur Religionsfreiheit hin abklopft. Dafür hat Schwabe die Rechte indigener Völker und das Thema nachhaltige Entwicklung gewählt.
Indigene Spiritualität ist auch eine Religion
Der spannendste und ausführlichste Teil ist der zu den Rechten indigener Völker – ein Thema, das in der Auseinandersetzung mit Religionsfreiheit bisher wenig in den Blick genommen wird. Das hängt mit dem gängigen Religionsverständnis zusammen, das implizit von heiligen Schriften und theologischen Diskursen ausgeht. Die Spiritualität indigener Völker, in der die Vorstellung einer beseelten Mitwelt zentral ist, wurde bisher nicht als Religion wahrgenommen und daher auch nicht nach der Religionsfreiheit indigener Völker gefragt.
Hierzu haben die beiden Wissenschaftler Heiner Bielefeldt und Volker von Bremen mit einem Gutachten ethnologische und menschenrechtliche Grundlagenarbeit geleistet. Das gesamte Gutachten ist dem Bericht beigefügt. Allerdings taucht das Thema nicht zum ersten Mal in einem Religionsfreiheitsbericht auf, wie Schwabe es für seinen Bericht reklamiert: Im Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit weltweit vom Juli 2023 haben auch die Evangelische Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz dem Thema ein ausführliches Kapitel gewidmet.
Dass es auf einmal so zentral behandelt wird, hat einen Grund. In 90 Ländern leben etwa 5000 indigene Völker mit zusammen rund 470 Millionen Menschen. Sie nutzen und bewohnen über ein Viertel der Landfläche auf der Erde. „Das entspricht 40 Prozent der Schutzgebiete und ökologisch intakten Landschaften. In indigenen Gebieten finden sich über 60 Prozent der weltweit begehrtesten Rohstoffe der Welt“, heißt es in dem Bericht. „Wenn die Landrechte und die Kosmovision von indigenen Völkern geschützt sind, profitieren Klima- und Naturschutz nachhaltig – zu einem Bruchteil der Kosten konventioneller Naturschutzprogramme.“
Mehr Religionskompetenz in der Entwicklungsarbeit
Das Kapitel zur Nachhaltigkeit geht im Hinblick auf Religionsfreiheit weniger tief. Es liest sich eher wie ein Plädoyer an alle, die noch nicht verstanden haben, dass die globale Transformation nur gelingen kann, wenn man auch den Schulterschluss mit Religionsgemeinschaften sucht.
Schwabe spricht dezidiert das Thema „Religious Literacy“ an, also Kenntnisse über religiöse Praxis und den angemessenen Umgang damit in der Entwicklungszusammenarbeit: Hier müssten die Bundesregierung und die Durchführungsorganisationen der Entwicklungszusammenarbeit kompetenter werden. Denn das ermögliche, die Beiträge von Religionsgemeinschaften zu nachhaltiger Entwicklung zu verstehen und Kooperationsansätze mit ihnen zu finden.
Die 41 Länderberichte fallen gegenüber den Querschnittsthemen etwas ab. Das mag am Format liegen: Wie es in einem Land um die Religionsfreiheit steht, lässt sich nicht allein anhand von Gesetzen und Beitrittsabkommen zu internationalen Verträgen und allgemeinen Aussagen über gesellschaftliche Verhältnisse beschreiben. Religion ist nur schlecht messbar und was Verletzungen der Religionsfreiheit für Menschen bedeuten können, kommt so nicht in den Blick.
Schwächen bei den Länderberichten
Im Länderbericht zu Eritrea gibt es zum Beispiel peinliche Leerstellen. So heißt es, dass der Patriarch der Eritreisch-Orthodoxen Kirche 2007 vom Regime abgesetzt wurde und seither im Hausarrest lebe. Patriarch Antonios ist aber im Februar 2022 verstorben und hat davor die meisten Jahre in Einzelhaft verbracht, nicht im Hausarrest. Das hätte die deutsche Vertretung in Asmara, die wie alle anderen Auslandsvertretungen dem Bericht zugearbeitet hat, eigentlich wissen können.
Im Länderbericht Irak fehlt ein Hinweis auf die Situation im Sindschar, dem ursprünglichen Siedlungsgebiet der Jesiden im Nordirak, aus dem der Islamische Staat sie ab 2014 vertrieben hat. Offiziell könnten sie zurück, aber wegen der schwierigen Sicherheitslage im Sindschar leben noch immer 300.000 Jesidinnen und Jesiden in Flüchtlingslagern im Nordirak.
Berichte zur Religionsfreiheit in einzelnen Ländern sind wichtig, lassen sich aber nicht auf wenige Seiten pressen. Und man braucht dafür Fachleute, die sich sowohl im Land als auch mit Religionsfreiheit auskennen. Davon gibt es leider nur wenige.
Sehr wichtiges und oft…
Sehr wichtiges und oft unterrepräsentiertes Thema. Danke!
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