In Uganda ist seit Ende Mai ein Gesetz in Kraft, nach dem Homosexuelle unter bestimmten Umständen zum Tode verurteilt und auch ihre „Mitwisser“ und „Förderer“ bestraft werden können – ob Vermieter, Ärzte, Arbeitgeber oder Hilfsorganisationen. Leider ist Uganda kein Einzelfall in Afrika. In Ghana hat Anfang Juli das Parlament einstimmig den „Gesetzentwurf zur Förderung angemessener sexueller Rechte und familiärer Werte“ verabschiedet, der mehrjährige Gefängnisstrafen für Homosexuelle und LGBTQI-Aktivisten vorsieht.
Die Befürworter solcher Gesetze erklären, Homosexualität sei unchristlich, unmenschlich oder unafrikanisch, eine Sünde, sie zerstöre Familienwerte. Und sie sitzen nicht nur in den Parlamenten von Uganda, Ghana, Nigeria oder Kenia, sondern auch in den Kirchen. Völlig selbstverständlich verbreiten afrikanische Kirchenoberhäupter homophobe Ansichten – etwa, dass Schwule eine Gefahr für Kinder sind. Es ist unsäglich, solch einen Zusammenhang zwischen Homosexualität und Kindesmissbrauch herzustellen, wie er sich auch im ugandischen Gesetz findet.
Kolonialherren lieferten Vorlage für das Anti-Homosexualitätsgesetz
Dass afrikanische Bischöfe öffentlich Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminieren, stellt die hiesigen kirchlichen Hilfs- und Missionswerke vor ein Dilemma. Sie alle verurteilen die drakonischen Gesetze in Uganda und Ghana, gehen aber unterschiedlich mit kirchlichen Partnern vor Ort um: Manche warten zunächst ab, ob die Zusammenarbeit betroffen ist, andere ändern wenn nötig ihre Arbeitsweise in bestimmten Projekten, um etwa Homosexuellen weiterhin HIV-Medikamente geben zu können. Wieder andere suchen das direkte und offene Gespräch. Das kann mitunter sehr schwierig sein. Einer Delegation eines deutschen Missionswerks wurde jüngst in Uganda von einem Politiker bei einer Großveranstaltung ohne Umschweife gesagt, die Europäer sollten es unterlassen, sie mit fremdem Kulturgut zu infizieren. Homosexualität gebe es in Uganda nicht.
Das ist natürlich eine Lüge. Aber in dieser Abwehrhaltung äußert sich zum Teil eine antikoloniale Haltung und auch die Angst, wieder Werte und Normen von außen übergestülpt zu bekommen. Das muss in der Debatte berücksichtigt werden, denn schließlich haben Kolonialherren schlimmste Verbrechen verübt und haben Missionare bestimmt, was Menschen in Afrika zu denken und zu tun haben. Und tatsächlich haben die britischen Kolonialherren 1950 in Uganda ein Gesetz eingeführt, das gleichgeschlechtlichen Sex verbietet: die Vorlage für das Anti-Homosexualitätsgesetz von 2023. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Ugandas Präsident Museveni jetzt wegen der internationalen Kritik an dem Gesetz über „westliche Imperialisten“ schimpft, sein „anti-imperiales“ Gesetz aber das der Kolonialisten verschärft.
Homosexualität ist in Deutschland erst seit 1994 nicht mehr strafbar
Gerade angesichts dieser kolonialen Vergangenheit sollten westliche Gesellschaften, ihre Politiker und Geistlichen nicht zu selbstherrlich und besserwisserisch auftreten. Besser ist es, mit kirchlichen Partnern und Regierungen in Afrika offen darüber zu sprechen, wie schwierig auch bei uns der Umgang mit Homosexualität war und ist und wie lange es gedauert hat, bis homosexuelle Männer und Frauen rechtlich gleichgestellt waren. In Deutschland wurde der Paragraf 175, der seit dem Kaiserreich Homosexualität unter Strafe stellte und zur Verfolgung und Verurteilung Tausender Schwuler führte, erst 1994 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen.
Das Wichtigste aber ist: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte besagt, dass alle Menschen gleich an Rechten und Würde geboren sind und niemand etwa aufgrund seiner Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder Meinung diskriminiert werden darf. Auf diese fundamentalen Menschenrechte, auf die auch die Verfassungen von Uganda und Ghana verweisen, sollten auch die Kirchen sich im Dialog mit ihren Partnern beziehen. Menschenrechte sind nicht verhandelbar und wir alle müssen sie – überall auf der Welt – immer wieder verteidigen.
Die Kirchen und kirchliche Hilfswerke sollten progressive Kräfte in Ländern wie in Ghana und Uganda unterstützen und gleichzeitig im Dialog mit Partnern bleiben, die problematische Positionen zu Menschenrechten vertreten. Es ist nachvollziehbar, dass viele Kirchen diese Gespräche lieber hinter verschlossenen Türen führen. Das bietet mehr Chancen, den anderen zu verstehen und sich anzunähern. Sind die Gegensätze aber nicht zu überbrücken, dann muss eine Option sein, die Zusammenarbeit aufzukündigen. Andernfalls verrät man das höchste Gut, dass wir alle haben: die Menschenwürde.
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