Die Diktatur von Augusto Pinochet in Chile fand vor 34 Jahren ein Ende. Doch das Schicksal vieler Menschen, die nach dem Militärputsch festgenommen wurden und verschwunden sind, ist nach wie vor unaufgeklärt. Bislang konnten erst von 307 der insgesamt 1469 verschwundenen Opfer die Überreste gefunden, identifiziert und an die Angehörigen übergeben werden.
Nun hat die Regierung unter der Führung von Justiz- und Menschenrechtsminister Luis Cordero einen „Nationalen Plan der Suche” aufgelegt, um den Angehörigen der weiterhin Verschwundenen endlich eine Antwort auf ihre Fragen geben zu können. Demnach soll ein nationales Register der Opfer des Verschwindenlassens erstellt werden, durch das Dokumente gesammelt und analysiert, der Verbleib der Opfer untersucht und gerichtliche Ermittlungen wegen der Verbrechen eingeleitet werden.
Den Angehörigen aber reicht das nicht: Cordero stütze sich zwar auf die Prinzipien der Erinnerung, der Gerechtigkeit und der Entschädigung und wolle sicherstellen, dass sich ein Putsch wie damals nie wiederholen werde, heißt es in einer Erklärung der „Gruppe der Angehörigen der verhafteten Verschwundenen”. Aber sie trauen der chilenischen Justiz nicht und betonen: „Auf keinen Fall werden wir auf Gerichtsverfahren gegen die Täter verzichten”.
Achtlose Lagerung von Beweismaterial
Die Skepsis hat einen Grund: Erst im Februar wurden im gerichtsmedizinischen Institut der staatlichen Universität von Chile 89 Kisten mit Knochen gefunden, die dort 17 Jahre lang achtlos gelagert worden waren. Es besteht der Verdacht, dass sich darin auch Überreste der nach dem Putsch verschwundenen Oppositionellen befinden. Der inzwischen verstorbene Richter Juan Guzmán hatte sie dort hingeschickt. Guzman hatte zehn Jahre lang die Ermittlungen geleitet, bei denen nach den Verschwundenen gesucht worden war. Er traute dem der Staatsanwaltschaft unterstellten gerichtsmedizinischen Institut nicht und schickte die Beweismittel deshalb an die Universität. Inzwischen hat die Universität sie für Untersuchungen an das staatsanwaltliche Institut weitergereicht.
Nicht nur die Angehörigen der damaligen Opfer waren von dem Fund empört, sondern auch Justizminister Cordero. Die Sache sei „ein schlagender Beweis für die staatliche Schlamperei in Sachen Menschenrechte”, sagt er.
Stätten der Erinnerung
Lorena Pizarro, deren Vater zu den damals Verschwundenen gehört, ist entsetzt. Der chilenische Staat und alle seine Institutionen müssten „auch das Unmöglichste tun, um die Wahrheit herauszufinden”, betont Pizarro, die inzwischen Parlamentsabgeordnete für die kommunistische Partei ist.
Auch María Cecilia Labrin Sazo, damals 25 Jahre alt und schwanger, wurde im August 1974 von Agenten der Geheimpolizei verhaftet und ist seither verschwunden. Ihre Schwester Ximena Labrin erzählt: „Meine Mutter starb, ohne zu wissen, wohin ihre Tochter gebracht worden war.“
Der Verband der Angehörigen verhafteter Verschwundener hat in den letzten fünfzig Jahren nie aufgehört, sich für die Aufklärung von deren Schicksalen einzusetzen, und er hat auch erreicht, dass „die Orte, an denen die Verbrechen begangen wurden, zu Stätten der Erinnerung wurden.”
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