„Berichte von Pekings Staatsmedium“

picture alliance / ASSOCIATED PRESS/Andy Wong
Sicherheitspersonal überprüft ausländische Journalisten, die im Oktober 2022 über den Nationalkongress der Kommunistischen Partei berichten. Im Hintergrund ist Staatschef Xi Jinping bei einer Rede zu sehen. China versucht in vielerlei Hinsicht auf Medien weltweit Einfluss zu nehmen.
Soft Power
China will weltweit sein Image verbessern. Ein Mittel dazu sind Versuche, Medien im Ausland zu beeinflussen. Joshua Kurlantzick erklärt, wie Peking das macht, warum es nur begrenzt gelingt und dass auch das gefährlich ist.

Joshua Kurlantzick ist Senior Fellow für Südostasien beim Council on Foreign Relations (CFR) in den USA. Sein Buch Beijing's Global Media Offensive: China's Uneven Campaign To Influence Asia and the World ist im Dezember in den USA erschienen und erscheint in Europa im März.
In Ihrem neuen Buch untersuchen Sie Chinas globale Medienoffensive. Was hat Ihr Interesse daran geweckt?
Ich habe vor 15 Jahren das Buch „Chinas Charmeoffensive“ geschrieben. Damals wuchsen Chinas diplomatische Erfolge und seine Soft Power, also die Fähigkeit, in anderen Ländern Regierungen und die Bevölkerung für sich einzunehmen, darunter Medien, Teile der Zivilgesellschaft und Wirtschaftsverbände. Zehn Jahre später – die Recherche begann 2017 – wollte ich wissen, wie es inzwischen um Pekings Einfluss stand. Das Land ist ja erstens viel mächtiger als zuvor und damit für seine Nachbarn und für Wirtschaftsunternehmen auch bedrohlicher. Zweitens ist es im Inneren sehr viel autoritärer als zu Beginn der 2000er Jahre. Und drittens ist es für China schwieriger geworden, sich als wohlwollende Macht darzustellen, seit es einer der stärksten Staaten der Welt ist. Mein neues Buch untersucht mehrere Wege, auf denen China seinen Einfluss in anderen Ländern erhöhen will – zum Beispiel wie Peking soziale Medien nutzt, wie es Universitätsstudenten beeinflussen will, wie es altmodische Mittel wie Kontakte zu Entscheidern einsetzt und wie es auf Wahlen einwirkt. Ein Fokus sind aber die traditionellen Medien.

Welches sind die Hauptziele von Chinas globaler Medienoffensive?
Peking hat festgestellt, dass Politiker und die großen Medien der reichen liberalen Demokratien – etwa die New York Times, der Guardian, die BBC und führende japanische und deutsche Zeitungen – die weltweiten Diskurse über praktisch alle großen Themen prägen. Chinas Politiker finden schon lange, dass sie zu wenig Einfluss darauf haben, wie globale Fragen behandelt werden und besonders, wie China dargestellt wird – seine Handelsbeziehungen, seine innere Verfassung, seine Außenpolitik. Das wollen sie ändern und dazu ihre Staatsmedien ausbauen.

Pekings Staatsfernsehen sollte werden wie Al Dschasira

Sie wollen das chinesische internationale Fernsehen zu so etwas wie der BBC oder CNN machen?
Richtig, und die Nachrichtenagentur Xinhua zu etwas der dpa, Reuters oder Associated Press Vergleichbarem. Allerdings war von Beginn an klar, dass Chinas Staatsfernsehen niemals werden könnte wie CNN oder die BBC, die redaktionell komplett unabhängig berichten. Das Modell für den Ausbau des staatlichen chinesischen Fernsehens ab etwa 2010 war vielmehr Al Dschasira, das Katar gehört, einem autoritären Staat. Der Sender berichtet nicht über Katar selbst und spart auch einige andere Themen aus, die dort heikel sind. Aber aus den meisten Ländern darf er weitgehend frei berichten, denn dort hat Katar, das keine Großmacht ist, keine starken Interessen. So liefern die Journalisten von Al Dschasira ausgezeichnete Berichte aus Asien, Afrika und Lateinamerika und viele gute aus der arabischen Welt. China wollte das ähnlich machen und ein Mediennetzwerk aufbauen, das in weiten Teilen der Welt glaubwürdig ist, obwohl kontrolliert wird, wie China selbst dort dargestellt wird. Dazu haben sie zu Beginn der 2010er Jahre eine ganze Menge erfahrener ausländischer Journalisten in Asien, Westeuropa oder Nord- und Südamerika angestellt, die vorher bei unabhängigen Medien gearbeitet hatten wie CNN. 

Und ist das gelungen?
Nein. China ist nicht Katar: Viele Themen weltweit haben einen Bezug zu China. Es ist praktisch unmöglich, darüber unabhängig zu berichten und gleichzeitig über China Propaganda zu verbreiten. Außerdem werden das autoritäre System Chinas und die Menschenrechtsverletzungen dort im Ausland viel mehr beachtet als im Fall Katars. Die jüngste Fußballweltmeisterschaft hat ja gezeigt, dass die meisten Länder sich nicht wirklich dafür interessieren, was in Katar passiert. Das ist bei China völlig anders. Deshalb hat es schlicht nicht funktioniert, das chinesische Staatsfernsehen zu einer Art Al Dschasira zu machen. Den Einfluss der Nachrichtenagentur Xinhua zu steigern, ist aber in gewissem Maße gelungen.

Xinhua ist preiswert und hat im Süden viele Reporter

Weil viele Medien, etwa in Afrika, sehr wenig Geld für Agenturen haben und Xinhua wenig kostet?
Das ist ein Grund. Xinhua bietet Meldungen im globalen Süden viel preiswerter an als andere große Agenturen, manchmal sogar umsonst. Außerdem hat Xinhua Vereinbarungen über den Austausch von Inhalten mit vielen Nachrichtenagenturen weltweit, vor allem solchen in Asien, Afrika und Lateinamerika, aber auch mit einigen aus liberalen Demokratien. So wird Xinhua in vielen Entwicklungsländern als äußerst preiswerte oder sogar kostenlose Quelle für Nachrichten genutzt, auch von angesehenen Publikationen in Afrika und ärmeren Ländern Asiens. Am Ende eines Artikels wird dann vielleicht die Quelle genannt, aber die meisten Lesenden fragen sich nicht, wo eine Geschichte herkommt. In Thailand – gar nicht einmal ein armes Land – zum Beispiel bringen Informationsmedien, darunter einige mit dem besten Ruf, regelmäßig Beiträge von Xinhua. Viele Thai bekommen also, ohne es zu merken, Geschichten von einem Staatsmedium – und wenn die von China handeln, ist das im Grunde Propaganda.

Ist Xinhua auch attraktiv, weil es mehr als andere aus Entwicklungsländern berichtet, zum Beispiel über Wirtschaft in Afrika?
Ja. Ich sage auch nicht, dass alle Inhalte von Xinhua wertlos sind. Die Agentur hat sehr viel mehr Reporter in Afrika, Südostasien und anderen Weltteilen als ihre globalen Konkurrenten. Sie können deshalb viele Geschichten über lokale Ereignisse dort anbieten – vor allem aus Südostasien, aber auch aus Afrika –, die bei Reuters oder AP nicht vorkommen.

Chinesen im Ausland haben viel Einfluss

Versucht Peking auch, lokale Medien in Nordamerika oder Westeuropa zu beeinflussen?
Ja – vor allem lokale Medien in chinesischer Sprache für die Diaspora, die in Nordamerika, Großbritannien, Australien und Südostasien groß und einflussreich ist. China hat die meisten chinesischsprachigen Medien in reichen Ländern und teils auch in Entwicklungsländern praktisch übernommen, und sie berichten heute durchweg pekingfreundlich. In den USA zum Beispiel, wo Millionen Menschen vorrangig Medien in chinesischer Sprache nutzen, ist keines davon mehr unabhängig. Chinesische Staatsunternehmen oder auch Eigentümer von pekingfreundlichen Medienhäusern haben praktisch alle aufgekauft. Und wegen des besonderen Mehrheitswahlrechts in den USA kann das Verhalten der chinesischstämmigen US-Amerikaner, die in einigen politisch wichtigen Regionen konzentriert sind, großen Einfluss haben.

Die Käufer sind nicht unbedingt Medienunternehmen in China? 
Nein. Und Medien aufzukaufen war legal. Erst in jüngster Zeit verschärfen Länder wie die USA, Australien und viele in Europa die Kontrollen, wenn Ausländer Medien aufkaufen. Aber wenn ein Deutscher mit chinesischer Abstammung ein lukratives Angebot für den Aufkauf eines chinesischsprachigen Mediums macht, kann man nicht viel gegen tun – auch wenn die Person sehr pekingfreundlich ist. Ähnlich kann Rupert Murdoch jede Boulevardzeitung in Großbritannien kaufen, die er kaufen will. Schwieriger ist das zweite Ziel Pekings zu erreichen, nämlich in großen Demokratien die führenden lokalen Medienunternehmen zu beeinflussen.

Also Publikationen in den jeweiligen Landessprachen?
Ja, Medien wie die FAZ, den Guardian oder die New York Times. Peking versucht, deren Berichterstattung mit Kontrollen darüber zu beeinflussen, wie viele Korrespondenten sie in China haben dürfen, und missliebige abzustrafen. Peking hat in den vergangenen fünf Jahren eine sehr große Zahl ausländischer Journalistinnen und Journalisten aus dem Land geworfen und bestraft Medien, die kritisch berichten, mit der Blockade ihrer Inhalte in China. Die Drohung, Korrespondenten auszuweisen, trifft vor allem Nachrichtenagenturen, denn sie bieten auch Finanznachrichten und Finanzinformationsdienste an, mit denen sie in China einen Haufen Geld verdienen, Bloomberg zum Beispiel. Vor etwa neun Jahren hatten die eine Serie von explosiven Berichten über Korruption an der Spitze der Kommunistischen Partei Chinas, aber einige wurden von Bloomberg unterdrückt aus Angst, das Geschäft in China komplett zu verlieren.

Da geht es um Berichte im Ausland über China. Versucht Peking auch, innenpolitische Diskussionen in Europa oder den USA zu beeinflussen?
Ja, aber das gelingt Peking bisher in demokratischen Ländern und auch in vielen anderen nicht. Meinungsumfragen zeigen, dass Chinas Image jetzt in Europa, Nordamerika, Australien und manchen anderen Regionen schlechter ist als je. Einen gewissen Einfluss auf die Innenpolitik mancher Demokratien erreicht Peking auf anderen Wegen; zum Beispiel gelingt es, Diskussionen über China an vielen Universitäten zu verändern. 

Hat China in manchen Regionen mehr Erfolg mit dem Versuch, innenpolitische Debatten zu beeinflussen, speziell in Südostasien?
Ja. Peking hat in Südostasien zum einen mit Xinhua Einfluss auf lokale Medien gewonnen. Zum anderen haben prominente Unterstützer Chinas viele örtliche Medien gekauft. 

Solche in den jeweiligen Landessprachen?
Auch einige davon. Aber ein bedeutender Teil der Bevölkerung in Südostasien hat Chinesisch als Muttersprache, in Malaysia zum Beispiel ungefähr ein knappes Drittel. Medien auf Chinesisch haben deshalb viel größeren Einfluss als etwa in den USA. Peking mischt sich in einer Reihe südostasiatischer Länder auch direkt in die Politik ein, zum Beispiel mit finanzieller Unterstützung einzelner Kandidaten bei Wahlen und mit gezielter Desinformation. Darüber, wie man Fake News einsetzt, hat Peking viel von Russland gelernt. 

Starker Einfluss in Südostasien

Wie stellen sich die Regierungen dort zu Chinas Einflussnahme?
Sehr unterschiedlich. Die Länder Südostasiens sind da in einer schwierigen Lage: Sie sind sehr stark vom Handel mit China abhängig – viel mehr noch als Deutschland, und sie sind bei weitem nicht so reich. China ist zudem ihr Nachbar, in vielen Ländern dort gibt es zahlreiche persönliche Kontakte nach China. Auf der anderen Seite sind aber viele südostasiatische Staaten sehr beunruhigt über Chinas militärische Drohgebärden gegenüber Taiwan und im Streit über die Grenzen im Südchinesischen Meer. 

Spielt auch eine Rolle, dass manche Regierungen in Südostasien ebenfalls sehr autoritär sind?
Ja. Neben Vietnam, das eine konfliktreiche Geschichte mit China hat, und der winzigen Monarchie Brunei sind die am stärksten autoritären Staaten der Region Laos, Kambodscha und Myanmar. Sie sind heute praktisch Chinas Satellitenstaaten. Ihre Regierungen begrüßen im Grunde Chinas Einwirkungen; Kambodscha und Myanmar haben sogar versucht, eigene Staatsmedien und ein eigenes abgeschottetes Internet nach Chinas Vorbild zu schaffen. Das Modell kopieren übrigens auch andere Staaten wie Russland und einige Autokratien im Nahen Osten. Stärker demokratische Länder Südostasiens wie Indonesien und Malaysia stellen sich Chinas Einflussnahme entgegen und folgen anderen Modellen für den Umgang mit Medien und dem Internet.

Sind Chinas Versuche, Medien anderswo zu beeinflussen, insgesamt vor allem ein Problem für sehr arme Länder und Chinas Nachbarn, während man sich in Europa und den USA keine allzu großen Sorgen darum machen muss? 
Nicht ganz. Der starke Einfluss auf chinesischsprachige Medien ist auch hier ein Problem, und auf die Nachrichtenagenturen kann Peking Druck ausüben. Aber ja, man muss im Moment keine allzu große Angst haben, dass Peking führende Medienunternehmen in liberalen Demokratien beeinflusst. Mehr Sorge muss man sich um andere Wege der Beeinflussung machen, zum Beispiel an Universitäten. 

Wäre es für seriöse Information und Pluralismus in ärmeren Ländern hilfreich, wenn große demokratische Staaten mehr öffentlich finanzierten Journalismus in deren Sprachen bereitstellen würden wie die BBC oder die Deutsche Welle?
Das wäre sehr sinnvoll. Liberale Demokratien sollten mehr Geld für unabhängige Berichte über die Welt ausgeben und dafür, sie in anderen Sprachen zur Verfügung zu stellen. Die BBC ist da natürlich unerreicht. Darüber hinaus sollten die großen demokratischen Geberländer aber unabhängige Medien in Entwicklungsländern stärker unterstützen. Sie haben in armen autokratischen Staaten auch wirtschaftlich stark zu kämpfen, weil Anzeigenkunden sie ausschließen. Leider haben viele Geber unabhängige Medien über andere große Themen wie Klimaschutz und Gesundheit weitgehend vernachlässigt. Wenn man sie unterstützt, kann man mit bescheidenen Summen große Wirkung erzielen.

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