Es ist weltweit das erste bilaterale Klimaschutzprojekt, um eigene Emissionen zu kompensieren, das unter dem Pariser Klimaschutzabkommen zustande gekommen ist: Finanziert von der Bundesverwaltung der Schweiz sollen künftig Reisbauern in Ghana ihre Felder mit einer nachhaltigeren Methode bewässern. Statt die Reisfelder permanent zu fluten, sollen sie nach dem Prinzip des „Alternative Wetting and Drying“ das Wasser erst versickern lassen, bevor sie die Felder neu bewässern. Das damit eingesparte Methan wird der Bundesverwaltung der Schweiz als staatliche CO2-Reduktion angerechnet. Im Dezember 2022 haben beide Länder das Projekt genehmigt.
Artikel 6 des Pariser Übereinkommens von 2015 erlaubt es den Staaten, für das Erreichen ihrer Klimaziele zu kooperieren, einerseits über bilaterale Abkommen andererseits über einen von den Vereinten Nationen überwachten Kohlenstoffmarkt. Für diesen wurde aber erst bei der Klimakonferenz in Glasgow 2021 überhaupt ein Regelwerk verabschiedet. Das UN-Überwachungsgremium soll Anfang 2023 seine erste Sitzung abhalten.
Die Schweiz ist schon einen Schritt weiter. Seit 2020 hat sie mit fast einem Dutzend Staaten bilaterale Klimaabkommen zum Zweck der Kompensation vereinbart, darunter neben Ghana etwa Peru, Georgien und Vanuatu. Damit ist die Schweiz Vorreiterin in Sachen Auslandskompensation unter dem Pariser Übereinkommen, welches das bisherige Kompensationssystem unter dem Kyoto-Protokoll schrittweise ablöst. Die Schweiz will bis zum Jahr 2030 ihre CO2-Emissionen halbieren, und rund ein Drittel der Einsparung will sie über Kompensationsprojekte im Ausland erreichen.
Die Risiken tragen die Bauern in Ghana
Doch viele der geplanten Projekte stehen in der Kritik, auch das in Ghana: „Es ist nicht geeignet, auf lange Sicht Emissionen zu verhindern“, sagt Andreas Missbach, Geschäftsleiter bei Alliance Sud, dem Verbund Schweizer Hilfswerke. Es gebe keine Garantie, dass die ghanaischen Bäuerinnen und Bauern nach Ablauf des Projekts nicht wieder zu den alten Anbaumethoden zurückkehren. Zudem, so Missbach, werde das Risiko von Ernteeinbußen, das eine solche Umstellung mit sich bringe, auf sie abgewälzt.
Vor allem aber setze das Projekt an der falschen Stelle an: Entwicklungsländer stünden vor der großen Aufgabe, „eine alternative Energieinfrastruktur aufzubauen“, sagt Missbach. Zwei Drittel der Stromversorgung auf dem afrikanischen Kontinent stammten heute aus fossilen Quellen. Wenn die Schweiz schon ihre eigenen Emissionen kompensieren wolle, dann solle sie etwa in den Bau von Solaranlagen investieren.
Missbach stellt das System der Auslandskompensationen jedoch grundsätzlich in Frage: „Auf der einen Seite nimmt es der Schweiz Druck weg, selbst in alternative Energien zu investieren.“ Deshalb sei es auch nicht erstaunlich, dass etwa die Erdöl- und Wirtschaftslobby auf Auslandskompensationen drängten – also jene Kräfte, die zu den größten Emittenten gehören. Auf der anderen Seite bestehe die Gefahr, dass die Möglichkeit, über Kompensationen an Gelder zu gelangen, in Entwicklungsländern falsche Anreize setze: Sie könnten das als Begründung nehmen, selbst weniger in Projekte zu investieren, die Emissionen reduzieren.
Die Schweiz investiert vor allem in leicht zu erreichende CO2-Reduzierung
Das aber widerspricht der Intention von Artikel 6 des Pariser Übereinkommens. Demnach sollen Investitionen wie die der Schweiz in anderen Ländern diese motivieren, ebenfalls ihre Anstrengungen zur Verminderung von CO2-Emissionen zu verstärken, heißt es in einer Analyse des New Climate Institute. Doch die von der Schweiz geplanten Projekte taugten dazu nicht, weil es sich bei ihnen um „low hanging fruits“ handele: um Reduktionen, die günstig zu erreichen und auch von den Ländern selbst einfach zu verwirklichen seien. Indem aber die Schweiz diese finanziere und sich die Reduktion gutschreiben lasse, nehme sie den Partnerstaaten Anreize dazu – denn übrig blieben kostspieligere Investitionen, um CO2 einzusparen.
Als Beispiel nennt der Artikel Georgien. Demnach soll im Rahmen eines der dort angedachten Projekte in die Energieeffizienz von Häusern investiert werden, zunächst bei großen Gebäuden wie Schulen oder Krankenhäusern. Doch dies sei eine der einfachsten Wege, in Georgien CO2-Emissionen zu reduzieren, schreiben die Autoren. Die georgische Regierung habe sich bereits in einem Abkommen mit der EU verpflichtet, hier aktiver zu werden. Viel sinnvoller wäre es deshalb, die Schweiz würde in den Umbau von Wohnhäusern investieren. Doch der Beschreibung des Projekts mit Georgien sieht das erst in einem zweiten Schritt als Möglichkeit vor.
Marco Berg, Geschäftsführer der von den Treibstoffimporteuren gegründeten Stiftung KliK, weist den Vorwurf zurück, dass das geplante Projekt in Georgien auf „low-hanging fruits“ ziele – das Gegenteil sei der Fall. Der Projektentwurf, auf den sich der Artikel des New Climate Institute beziehe, sei noch nicht endgültig, sondern werde derzeit noch zusammen mit der georgischen Regierung erarbeitet. „Wir haben jedes Interesse daran, dass es einen zusätzlichen Reduktionseffekt gibt“, sagt Berg. „Es geht uns sicher nicht darum, die Georgier übers Ohr zu hauen.“
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