Ich möchte meine bisherige Arbeit auf der internationalen Bühne weiterführen und mich mit meinen Schwerpunkten, darunter die Stärkung der Frauenrechte, ökologische Nachhaltigkeit und die Berufsbildung, auf Länder des globalen Südens konzentrieren. Gleichzeitig ist es wichtiger denn je, dass die Schweiz genügend Ressourcen für die Entwicklungszusammenarbeit bereitstellt. Dazu möchte ich mit meiner guten Vernetzung zum eidgenössischen Parlament beitragen.
Eine ihrer ersten Handlungen als Präsidentin war es, einen Appell für globale Gerechtigkeit an die Schweizer Politik zu lancieren. Warum braucht es diesen Appell?
Die Welt wird gerade durchgeschüttelt von verschiedenen, sich überlagernden Krisen. Viele Fortschritte der Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren sind akut bedroht. Der Appell soll zeigen, dass es nötig und auch nachhaltig ist, jetzt verstärkt in die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe zu investieren.
Sie fordern unter anderem 100 Millionen Franken mehr Soforthilfe gegen Hunger, also das Doppelte des bisherigen Beitrags der Schweiz an das UN-Welternährungsprogramm.
Die Nahrungsmittelknappheit ist das größte Problem derzeit, verursacht vom Krieg gegen die Kornkammer Ukraine, aber auch durch die Klimakrise. Viele westliche Länder haben ihre Mittel bereits aufgestockt, die Schweiz sollte auch einen Zusatz leisten. Wenn wir jetzt nicht handeln, bezahlen wir für die Folgekosten ein Vielfaches.
Die Schweiz stellt noch immer nicht die von den Vereinten Nationen geforderten 0,7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung, im vergangenen Jahr waren es rund 0,4 Prozent. Warum tut sie sich so schwer damit?
Ja, das ist ein unhaltbarer Zustand. Das Problem: Es gibt im Bundesbudget einen Topf für schwach gebundene Mittel, über die bei Bedarf immer wieder neu verhandelt wird. Dazu gehört die Entwicklungszusammenarbeit, die dort in Konkurrenz zu anderen Bereichen steht, etwa Forschung und Bildung oder Landwirtschaft. Schlussendlich sind es Interessenskonflikte die dazu führen, dass das Ziel immer wieder verfehlt wird. Gleichzeitig werden andere Aufgaben über das Budget der Entwicklungszusammenarbeit finanziert, etwa die Aufnahme von Asylsuchenden. Das geht bei gleichbleibendem Budget auf Kosten der Armutsbekämpfung. Deswegen gehören die 0,7 Prozent zu den Forderungen unseres Appells.
Wo sehen Sie die Verantwortung der Schweiz, die in dem Appell auch immer wieder betont wird?
Im neuesten UN-Entwicklungsbericht rangiert die Schweiz auf Platz eins und gilt damit als das Land, das die höchste menschliche Entwicklung in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Einkommen aufweist. Allein aus dieser privilegierten Situation entsteht eine große Verantwortung. Gleichzeitig sind wir ein hoch globalisiertes Land und überdurchschnittlich stark auf Ressourcen aus anderen Ländern angewiesen. Die Erträge daraus werden oft von Rohstofffirmen in der Schweiz abgeschöpft. Hier braucht es mehr Fairness. Verantwortung bedeutet für mich auch Politikkohärenz, da ist noch Luft nach oben.
An was für Beispiele denken Sie?
Zum Beispiel an die Konzernverantwortung oder den Finanzplatz. Im Bereich Rohstoffe, für die die Schweiz ein weltweit wichtiger Handelsplatz ist, müssten die Finanzflüsse so ausgerichtet werden, dass auch der globale Süden davon profitiert. Ebenso sollen Geldwäsche und Steuerflucht bekämpft und ein griffiges Lieferkettengesetz eingeführt werden, wie es einige EU-Länder bereits haben und das auch die EU bereits im Grundsatz beschlossen hat. Außerdem braucht es eine ökologische und soziale Agrarpolitik, um die Umwelt und die Ernährungssicherheit zu schützen.
Wie optimistisch sind Sie, dass Ihr Appell gehört wird?
Es geht vor allem darum, das Bewusstsein zu fördern und Fakten zu vermitteln. Wir zeigen, welche Möglichkeiten und Verpflichtungen die Schweiz bei der globalen Armutsbekämpfung hat und was erreicht werden könnte, wenn die Mittel aufgestockt werden. Ich bin überzeugt davon, dass wir nur so die politischen Diskussionen in unserem Sinne beeinflussen können. Wir appellieren an die humanitären Werte der Schweiz, die in der Bevölkerung stark verankert sind. Das wirkt.
Das Gespräch führte Samanta Siegfried.
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