Alex Magu bringt Kinder zum Tüfteln

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Technologiesektor in Kenia
Als Schüler hat sich Alex Magu selbst das Programmieren beigebracht, konnte dann aber nicht Informatik studieren. Jetzt führt er junge Kenianerinnen und Kenianer an Roboter und KI-Programme heran. Sein Zentrum für Technik, Wissenschaft und Mathematik hilft auch Start-ups auf die Beine.

Es ist ein bewölkter, stickiger Morgen im Zentrum von Kenias Hauptstadt Nairobi. Eine Gruppe von Kindern spielt mit Roboterteilen, elektrischen Widerständen und Drähten, in einem Nebenraum wird einem Kind beigebracht, wie man mit einer Software seinen Namen auf einem Computer buchstabiert, und draußen auf dem Hof bauen einige Kinder eine Drohne zusammen, die Pestizide an Bauernhöfe im ländlichen Kenia liefern soll. 

Alex Magu war als Jugendlicher von seinem ersten Computer begeistert und verhilft nun Jüngeren zur Freude an Technik und Naturwissenschaft.

All das spielt sich STEM-Impact-Center von Kenia ab. Alex Magu ist Gründer und Geschäftsführer dieses gemeinnützigen Zentrums, das Raum und Ressourcen für die Erforschung von Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik (STEM) bietet. In Deutschland spricht man von den MINT-Fächern. Das 2020 gegründete STEM-Zentrum im Herzen von Nairobi ist darauf ausgerichtet, die nächste Generation kenianischer Techniktalente auszubilden. Es vermittelt Kindern die Fähigkeiten, die sie benötigen, um von Innovationen in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI), Robotik und Programmierung zu profitieren. 

KI spielt bei der Vermittlung der MINT-Kenntnisse eine wichtige Rolle, sagt Alex Magu. Die Kinder seien in der Lage, kleine Programme zu schreiben, die KI-Funktionen und Funktionen des maschinellen Lernens ausführen, zum Beispiel verschiedene Objekte zu beschriften. „Die Schüler können auch Roboter bauen. Dabei werden Sensoren verwendet, die bestimmte Objekte, Linien oder Farben erkennen, und dann bei den Robotern verschiedene Anweisungen auslösen.“

Ein Programm besonders für Mädchen und Kinder aus ländlichen Gebieten

Im STEM Zentrum lernen Jugendliche spielend moderne Digitaltechnik kennen.

Das Zentrum stellt Schulen in Nairobi und im ganzen Land kreative Räume zur Verfügung, in denen sich die Schüler mit Programmierung, Robotik und Technologie beschäftigen und vieles selbst ausprobieren können. Das Programm umfasst ein mobiles Tüftlerlabor, kreatives Coding und richtet sich besonders an Mädchen und Kinder aus ländlichen Gebieten. Die Schüler lernen hier etwa die Grundlagen der objektorientierten Programmierung und wie Programmiercode zum Beispiel in 2D-Grafiken, Animationen, Bild- und Videoverarbeitung verwendet wird. „Zu lernen, sich mit Code kreativ auszudrücken, ist sehr ermächtigend“, sagt Magu. Es sei auch wichtig, einen Raum für Kinder zu schaffen, „in dem sie ohne Angst bauen, spielen oder basteln können“.

Seit das Zentrum 2020 eröffnet wurde, hat es rund 450 Schulen, 3000 Schüler und 2000 Lehrer erreicht. Außerdem wurden 380 Bootcamps in ganz Kenia organisiert, von Turkana über Kisumu und Nairobi bis Mombasa, sowie Lehrer in MINT-Fächern ausgebildet. Der 29-jährige Magu hat sich zum Ziel gesetzt, die Informatik in Kenia zu „demokratisieren“. Er glaubt, dass es für die Entwicklung Kenias entscheidend ist, dass jedes Kind Zugang zu solcher Technik erhält. Und es scheint, als ob ihm die kenianische Regierung recht gibt. Im April hat das ostafrikanische Land die Einführung eines neuen Technologie-Lehrplans für Grund- und Sekundarschulen angekündigt, der Programmier- und Technikkenntnisse vermitteln soll.

„KI verändert fast jeden Aspekt unseres Lebens“

Alex Magu findet das gut, betont aber auch, dass noch viel mehr getan werden müsse, damit kenianische Kinder aller Gesellschaftsschichten von der Technologie profitieren können. Bereits jetzt habe künstliche Intelligenz große Auswirkungen: „KI verändert fast jeden Aspekt unseres Lebens auf der ganzen Welt, auch in Kenia – sei es im Haushalt, im Verkehr, in der Landwirtschaft, in der Verteidigung, im Finanzwesen und in anderen Bereichen.“ Die Corona-Pandemie sei ein „Weckruf für uns alle“ gewesen. „Sie hat gezeigt, wie unvorbereitet der globale Süden in Bezug auf den technologischen Fortschritt und die Integration von Informatik- und Kommunikationstechnik beim Lernen ist.“ Weil die Schulen in Kenia lange geschlossen waren, habe das zu einem vorübergehenden Stillstand des Bildungswesens geführt, sagt Magu. 

Autor

Ismail Einashe

stammt aus Somalia und berichtet als freier Journalist unter anderem aus Kenia.
Seine Leidenschaft für die Informatik wurde in seiner Jugend geweckt. Als seine Schulnoten schlecht waren, versuchte sein Vater ihn zu motivieren, indem er seinem Sohn versprach, ihm ein Geschenk zu kaufen. Als sich seine Noten verbessert hatten, bat Magu seinen Vater, ihm einen klobigen Compaq-Computer aus den frühen 2000er Jahren zu kaufen. Die erste Nacht verbrachte er mit Computerspielen. „Ich wurde besessen von Computern“, erinnert er sich. In den nächsten Jahren brachte er sich das Programmieren selbst bei. Im Alter von 17 Jahren beschloss er, Informatik zu studieren, aber er hatte vergessen, dass man in der Schule Physik belegt haben muss, um für ein Informatikstudium zugelassen zu werden. „Ich bekam den Schock meines Lebens. Ohne Physik konnte ich nicht Informatik studieren.“ Diese Erfahrung machte ihm klar, wie wichtig es ist, bei Kindern von klein auf eine Leidenschaft für Naturwissenschaften und Mathematik zu wecken.

Schließlich studierte er Politikwissenschaften, aber in seiner Freizeit arbeitete er für ein Elek­tro­nikunternehmen und lernte programmieren. Danach bekam er eine Stelle als Programmierer bei einem dänischen Unternehmen in Nairobi. Die dort erworbenen Fähigkeiten nutzte er, um sein STEM-Zentrum zu gründen. 

„Brutstätte bahnbrechender Innovationen“

Alex Magu ist besonders stolz darauf, dass sein Zentrum von Kenianern betrieben wird. Schließlich werde der Technologiesektor in Kenia oft mit Ausländern in Verbindung gebracht, die die meisten Unternehmen leiten und die meisten Fördergelder erhalten. Dabei sei Kenia „eine Brutstätte bahnbrechender Innovationen“, sagt Magu und denkt zum Beispiel an M-Pesa, einen der führenden auf Mobiltelefonen beruhenden Geldtransferdienste in Afrika, der in Kenia gegründet wurde, und Ushahidi, eine Open-Source-Software, die es ermöglicht, nutzergenerierte Daten zu kartieren. 

Das STEM-Zentrum hilft auch anderen Start-ups in Kenia auf die Beine. Dazu gehören etwa ein Unternehmen für digitales Marketing in Turkana, ein Start-up in Kisumu, das Wasserhyazinthen unter anderem zur Papierherstellung nutzt, und ein Labor in Nairobi, das Drohnen baut, die Landwirten bei der Bewässerung ihrer Felder helfen. 

Zusätzlich ist das STEM-Zentrum an einer Art Förderprogramm für Technologie- und Innovationsideen beteiligt, die kommerzielles Potenzial haben. Derzeit werden mit Unterstützung von UNICEF Kenia zwei KI-basierte Lösungen entwickelt. Bei der ersten will ein Start-up-Unternehmen die Kommunikation zwischen gehörlosen, schwerhörigen und hörenden Menschen ermöglichen. Es setzt KI ein, „um ein Avatar-Tool zu betreiben, das Gebärdensprache in Text oder Sprache und Sprache oder Text in Gebärdensprache übersetzt“, sagt Magu. Dabei macht eine gehörlose Person vor einer Kamera Gebärdensprache, und die KI übersetzt dies und umgekehrt. Das einigen der 600.000 Gehörlosen in Kenia helfen, sich zu verständigen. Ein anderes Start-up-Unternehmen setzt KI ein, um die kenianische Fischerei zu unterstützen und die Sterblichkeitsrate von Jungfischen zu senken. 

Nun will Magu sein Programm auch auf andere ostafrikanische Länder ausweiten. In Zusammenarbeit mit der britischen Wohltätigkeitsorganisation REACT, die seit 2007 Bildungsdienste für sudanesische Bürger anbietet, soll das STEM-Programm in den Sudan gebracht werden. Zudem werden derzeit Spenden gesammelt, um das erste arabische MINT-Zentrum für benachteiligte junge Menschen im Sudan einzurichten.

Aus dem Englischen von Melanie Kräuter.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2022: Schlaue Maschinen
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