Der Klimagipfel der Illusionen

Erderhitzung
Der UN-Klimagipfel hat wenig gebracht, kommentiert Bernd Ludermann. Der Entschädigungsfonds für durch die Erdhitzung verursachte Schäden ist bisher nur eine symbolische Anerkennung für Forderungen aus dem Süden.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.
Stillstand beim Klimaschutz, aber Durchbruch bei der Entschädigung armer Länder für Klimafolgen – so werten die meisten Beobachter die Ergebnisse des jüngsten UN-Klimagipfels in Ägypten. Anders gesagt: Die Staatengemeinschaft kann sich darauf einigen, Schäden mit Geld auszugleichen, aber nicht darauf, zu verhindern, dass diese Schäden immer größer werden. Doch genau besehen ist diese Bewertung noch zu freundlich.

Seit langem wollen Entwicklungsländer, die kaum zur Erderhitzung beitragen und unter den Folgen leiden, dass die Verursacher sie entschädigen. Und zwar zusätzlich zur Hilfe für Klima-Anpassung, denn es geht um Schäden, die sich mit Anpassungsmaßnahmen wie höheren Deichen oder angepasster Landwirtschaft nicht bewältigen lassen – etwa wenn Hitzewellen oder steigende Meeresspiegel ganze Gebiete unbewohnbar machen. Die Industrieländer haben nun in Ägypten zugestanden, einen speziellen Fonds für Schäden und Verluste zu schaffen. Aber es ist weiter strittig, wer darin einzahlen soll. Die Europäer und die USA wollen dafür auch China, den inzwischen größten Emittenten von Klimagasen, sowie die reichen Ölstaaten am Golf und Russland in die Pflicht nehmen; die lehnen das ab. Offen ist auch, welche Länder zu den „besonders verwundbaren“ gehören, die Hilfe aus dem Fonds beanspruchen können. Und es ist ungeklärt, nach welchen Verfahren das erhoffte Geld von wem verteilt werden soll. Die Einzelheiten soll eine Kommission klären.

Das ist für Mamadou Honadia, der lange Klima-Verhandler für Burkina Faso war, eine Enttäuschung. Er erwartet, dass es mindestes fünf Jahre dauert, den neuen Fonds einzurichten, und dass die Geberländer kein zusätzliches Geld auf den Tisch legen, sondern privates Kapital mobilisieren wollen. Kein Wunder: Schon bisher zahlen die Industrieländer nur teilweise, was sie zusagen. So haben sie auf dem Klimagipfel in Kopenhagen 2009 versprochen, ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung im Süden bereitzustellen. Laut der OECD  flossen 2020 gut 83 Mrd., davon 18 Mrd. Zuschüsse, knapp 49 Mrd. öffentliche Kredite und 13 Mrd. Privatinvestitionen. Diese Angaben sind noch groß gerechnet; so sind manche Großprojekte mitgezählt , die nur am Rande mit Klima zu tun haben.

Kredite für Anpassung rechnen sich nicht

Es gibt kein Anzeichen dafür, dass die Industrieländer für den Süden demnächst riesige Summen zusätzlich bereitstellen. Eher werden die Weltbank und andere Entwicklungsbanken ihre Kredite für Klimaschutz und Klima-Anpassung ausweiten; darauf drängen jetzt auch die USA. Aber Kredite, auch zinsgünstige, sind für Anpassung und Entschädigung selten sinnvoll. Wiederaufbau nach Fluten wie jüngst in Pakistan oder der Deichbau bringen kaum Gewinne, aus denen Schulden sich abzahlen lassen. Und mit öffentlichem Geld das Vielfache an privatem einzuwerben, funktioniert schlicht nicht.

Der Entschädigungsfonds ist bisher nur eine symbolische Anerkennung für Forderungen aus dem Süden. Er soll den Unmut vieler Entwicklungsländer über Klimaschutz-Heuchelei des Nordens besänftigen und sie bewegen, in Klimafragen auf Distanz zu China zu gehen. Dafür hat Europa hingenommen, dass die Abschlusserklärung des Klimagipfels zwar das Ziel wiederholt, die Erderhitzung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Aber der dafür unerlässliche Ausstieg aus fossilen Energien wird nicht erwähnt und das Bekenntnis des vorigen Gipfels zum Ausstieg aus der Kohle wieder abgeschwächt – dank der Ölstaaten und der Lobby fossiler Unternehmen.

Nebeneinander von Abkommen und Regeln

Zugleich zeigt dieser Gipfel, dass diese UN-Konferenzen ihre zentrale Rolle für globalen Klimaschutz mehr und mehr verlieren. Emissionsminderungen anregen und Trittbrettfahren erschweren – dafür zeichnet sich nun ein Nebeneinander von Abkommen und Regeln einzelner Länder und Staatengruppen ab: Die USA sprechen darüber mit China. Deutschland strebt einen Klub von Klima-Vorreitern an. Die EU will schmutzige Importe verteuern. Nicht zuletzt schließen Industrieländer und die EU mit Schwellenländern wie Indonesien Partnerschaften für eine gerechte Energiewende. Vorbild ist die mit Südafrika, deren Schwächen Crispian Olver jüngst erklärt hat. 

Optimisten erwarten als Ergebnis einen Wettlauf beim Umstieg auf Erneuerbare Energie. Das überzeugt für die Stromerzeugung und für Bereiche, die man leicht elektrifizieren kann wie den Personenverkehr. Aber überall muss die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas nahezu beendet werden. Es ist ein Mythos, dass dies ohne Begrenzung des Energieverbrauchs möglich wäre. Weil das reichste Zehntel der Weltbevölkerung über die Hälfte der Treibhausgase verursacht und das reichste Hundertstel gar ein Siebtel, wird das ohne Luxus- und Reichtumsbegrenzung nicht gehen.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2022: Schlaue Maschinen
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