„Auf die Ärmsten konzentrieren“

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Falsche Förderung? Bundeskanzlerin Angelika Merkel und ein indischer Techniker begutachten Ende 2019 eine Solaranlage in Neu-Delhi. Deutschland unterstützt Indien seit langem beim Ausbau erneuerbarer Energien.
Entwicklungszusammenarbeit
Zu fragmentiert, zu viel Ideologie und zu viel Geld für die Zivilgesellschaft: Markus Frohnmaier von der AfD Bundestagsfraktion hält nicht viel von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Letzter Teil unserer Interviewserie mit den entwicklungspolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Fraktionen.

Wegen Corona, Konflikten und dem Klimawandel gibt es enorme Rückschläge auf dem Weg zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Entwicklungspolitik der Bundesregierung?
In der Diskussion über den Entwicklungshaushalt 2023 erleben wir gerade wieder, wie die Parteien wetteifern, wer mehr Budget bereitstellen will. Wir sagen als Einzige, dass viel nicht automatisch viel hilft. Man sollte die Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich auf den Prüfstand stellen. Das heißt nicht abschaffen, aber mehr Mittel haben die Entwicklungszusammenarbeit nicht besser oder effektiver gemacht.

Weltweit wurde Armut doch allmählich zurückgedrängt, bis Corona kam. Woran genau denken Sie denn bei Ihrer Kritik? In der Kooperation mit Madagaskar etwa ist nach 35 Jahren festzustellen, dass fast alle Indikatoren – Armutsentwicklung, Rodung, Vermüllung und so weiter – sich massiv verschlechtert haben. Liegt das vielleicht auch an der Struktur deutscher Entwicklungszusammenarbeit? Wir sagen: Es muss die Fragmentierung unzähliger Akteure im Bund, Ministerien, Bundesländern beendet werden. Wenn es nach uns ginge, gäbe es nur ein Bundesministerium, das Entwicklungsprojekte in die Hand nehmen darf, eine Durchführungsorganisation und ein unabhängiges Evaluierungsinstitut. Mehr nicht.

Blenden Sie bei Ihrer Kritik nicht aus, dass Hilfe zur Selbsthilfe auch an Grenzen stößt, wenn etwa die staatliche Regierungsführung schlecht ist – wie in Madagaskar, wo die Machthaber sich aus der Verantwortung stehlen?
Hilfe zur Selbsthilfe unterstützen wir ja. Es gibt auch erfolgreiche Beispiele, wie den Entwicklungsinvestitionsfonds von Ex-Minister Gerd Müller. Wäre er aufgefüllt und umgesetzt worden, hätte man Gutes erreichen können. Wo wir Projekte sehen, die gemeinsam mit der Wirtschaft betrieben werden, funktioniert es. Entwicklungszusammenarbeit muss auch immer dem Geberstaat nutzen. Unser Interesse sollte sein, die deutsche Wirtschaft mit im Boot zu haben, wenn wir Projekte in Partnerländern umsetzen. Das machen fast alle anderen Akteure, auch die USA und vor allem China.

Was halten Sie konkret von der Politik der SPD-Ministerin?
Es wird viel mit Reizbegriffen gearbeitet – so wie feministische Entwicklungspolitik. Zugleich kürzt die Bundesregierung – wie der Unionskollege Paul Ziemiak ebenfalls kritisiert hat – 2022 bei der Förderung von Mikrokrediten, von denen zumeist Frauen profitieren, und im Haushaltsentwurf 2023 bei UN Women, einem Programm für mehr Gleichberechtigung und Gleichstellung weltweit. Das passt nicht zusammen. Ich kann auch nicht nachvollziehen, warum man immer eine Genderideologie einbringt, statt normal von Mädchenoder Frauenförderung zu sprechen. Solche Kampfbegriffe sollen offenbar die eigene Zielgruppe zufriedenstellen. Und noch ein Punkt: Gelder werden immer stärker in die Zivilgesellschaft umverteilt, an nichtstaatliche Organisationen und weniger an staatliche Akteure.

Ist eine starke Rolle der Zivilgesellschaft nicht auch in Ihrem Sinn? Die AfD lehnt die Zusammenarbeit mit korrupten Regimen doch ab.
Nein, wir brauchen keine Stärkung. Einer meiner Hauptkritikpunkte an der Entwicklungszusammenarbeit mit und über die sogenannte Zivilgesellschaft ist die mangelnde politische Steuerung von Projekten der kirchlichen Träger. Sie erhalten sogenannte Globalbewilligungen und verwalten ihre Mittel eigenverantwortlich und nicht projektgebunden.

Aber natürlich müssen auch kirchliche Hilfswerke Rechenschaft über die Verwendung staatlicher Mittel ablegen…
Das BMZ kann beaufsichtigen und prüfen, aber es ist für Abgeordnete bereits schwierig, an vollständige Projektlisten der Träger zu kommen. Über nicht kirchliche nichtstaatliche Kooperationspartner, vor allem über jene im Ausland, erteilt die Bundesregierung nur mangelhaft Auskunft.

Warum kritisieren Sie die Zusammenarbeit mit Ländern wie Indonesien oder Indien?
Es wird der Eindruck erweckt, als würde deutsche Entwicklungszusammenarbeit den Ärmsten der Armen nutzen. In Wahrheit ging 2019 gut ein Drittel der deutschen bilateralen Entwicklungshilfe an Schwellenländer. Staaten wie Indien, Brasilien oder Indonesien sind im Gegensatz zu den ärmsten Ländern ausreichend potent, die Armut in ihren Ländern zu bekämpfen. Indien wurden zehn Milliarden Euro für erneuerbare Energien bis 2030 versprochen, besonders die E-Mobilität in Form von E-Rikschas und Solar sollen ausgebaut werden. Die Inder erhalten zinsvergünstigte Darlehen und können dafür anderweitig Energie kaufen, zum Beispiel aus Russland, die sie dann teurer weiterverkaufen. Das ist nicht kohärent. In Indonesien liegt der Schwerpunkt auf grüner Energie, und China baut dort Stahlhütten und Kohlekraftwerke. Müssen solche Staaten weiter in dem Maß unterstützt werden? Indien ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt, Nuklearmacht mit eigenem Raumfahrtprogramm.

Wobei auch dort noch große Armut herrscht...
Dass es da sicherlich noch Armut gibt – keine Frage. Aber wir sollten uns dann auf die Ärmsten konzentrieren und nicht Staaten fördern, mit denen wir im Wettbewerb stehen.

Ist es nicht im deutschen Interesse, dem Einfluss Chinas etwas entgegenzusetzen und Indonesien zu Klimaschutz zu bewegen?
Deutschland setzt der chinesischen Interessenpolitik nichts entgegen, wenn wir weiterhin inkohärent einen bunten Blumenstrauß an ideologischen Wohlfühlprojekten fördern. Wir brauchen eine marktnahe, auf strategische Partner ausgerichtete Entwicklungshilfepolitik. Indonesien wird nicht zum Klimaschutz bewegt, sondern ist ein klassischer Trittbrettfahrer staatlicher Subventionspolitik.

Noch persönlich die Frage: Engagieren Sie sich als Rechtsaußen so für Entwicklungspolitik, weil das ein dankbares Thema für Fundamentalkritik ist?
Es ist ein interessantes Feld, das ich als Teil der deutschen Außenpolitik begreife, auch als Instrument für Soft Power, was in vielen Staaten auch offen betrieben wird. In unserer Partei ist auch die christliche Soziallehre durchaus verwurzelt. Und wir haben den Anspruch, Staaten zu unterstützen, wenn Not am Mann ist. Aber der Bereich ist finanziell sehr gut ausgestattet – im Vergleich der Ministerien eher im vorderen Mittelfeld.

Der BMZ-Etat macht 2,5 Prozent des gesamten Bundeshaushalts aus.
In der Amtsausstattung gibt es nicht viele Ministerien, die mehr haben. Und da wollen wir natürlich hinschauen. Und klar hat es einen Reiz, dass man hier vielleicht auch ganz grundsätzlich die Entwicklungszusammenarbeit neu denken muss und kann.

Das Gespräch führte Marina Zapf.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2022: Leben in Krisenzeiten
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