Wenig Engagement für Nachhaltigkeit

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Eine Bettlerin in der Steinentorstraße in Basel. Vom UN-Nachhaltigkeitsziel, die Armut im eigenen Land bis zum Jahr 2030 zu halbieren, ist die Schweiz weit entfernt.
Schweiz
Die Schweizer Zivilgesellschaft wirft der Regierung vor, sie engagiere sich nicht ausreichend für die Agenda 2030. Sie beschränke sich auf das politisch Machbare und vermeide Konflikte.

Die Schweiz ist bei keinem der 17 Nachhaltigkeitsziele auf Kurs. Sie lebe „auf Kosten der Welt“, schreibt die Plattform Agenda 2030, ein Bündnis von 50 zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verbänden, in ihrem Halbzeitkommentar zur Umsetzung der Agenda. Der Bundesrat hatte bei seiner Vorstellung des offiziellen Schweizer Länderberichts im Juli in New York zwar eingeräumt, dass das Tempo zu langsam sei, zugleich aber von Fortschritten in der Umsetzung der Ziele gesprochen, zu denen sich die Schweiz 2015 verpflichtet hat, beispielsweise in der Mutter- und-Kind-Gesundheit oder in der Gleichstellung der Geschlechter. Das sehen die Mitglieder der Plattform anders.

„In der Schweiz hat sich wenig getan in den letzten Jahren“, schreibt Eva Schmassmann, Geschäftsführerin der Plattform, auf Anfrage. Sowohl bei der Umsetzung der Ziele im Inland als auch im Ausland identifiziert die Plattform Mängel. Schmassmann nennt ein Beispiel aus dem Inland: Das Nachhaltigkeitsziel 1 fordert die Halbierung der Armut. In der Schweiz ist sie jedoch laut dem Bundesamt für Statistik bereits vor der Coronapandemie weiter gestiegen, der Bundesrat wolle die Armut jedoch lediglich „reduzieren“; von „Halbierung“ sei keine Rede, kritisiert Schmassmann. Gleichzeitig verursache die Schweiz einen enormen Fußabdruck im Ausland. „Mehr als 60 Prozent unserer Konsumgüter werden importiert“, so Schmassmann. Damit exportiere die Schweiz die Umweltbelastung und den Treibhausgasausstoß bei der Produktion dieser Güter ins Ausland. Darauf bezieht sich der Titel des Halbzeitkommentars der Plattform: „Weiter wie bisher auf Kosten der Welt?“

Nur in gewissen Bereichen engagiert

Laut Schmassmann zeigt die Schweiz in gewissen Bereichen Engagement. Doch sei es nur dort sichtbar, „wo keine nennenswerten Widerstände bestehen“. Die Plattform kritisiert, dass der Bundesrat sich in seiner Umsetzung der Agenda 2030 auf das „politisch Machbare, den aktuell kleinsten gemeinsamen Nenner“ beschränke. Er reduziere sein Engagement auf „koordinierende Maßnahmen und das Verwalten von Konsultationsprozessen“, statt ambitionierte Ziele zu setzen und dafür zu kämpfen, dass sie erreicht werden. Das sei mit der „Leadership“ gemeint, welche die Zivilgesellschaft fordere, so Schmassmann.

Eine der „größten Baustellen“ in der Schweizer Umsetzung der Agenda ortet sie beim Nachhaltigkeitsziel 17 für eine globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung. Es setzt letztlich die Rahmenbedingungen für die Erreichung aller anderen Ziele. Dazu gehört beispielsweise ein faires globales Handelssystem. In ihrem Bericht fordert die Zivilgesellschaft, die Steuer-, Finanzund Handelspolitik zu ändern, um die Schweizer Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung zu verbessern. Die Schweizer Politik weise zahlreiche schädliche „Spillovers“ auf – also schädliche Auswirkungen unter anderem ihrer Rohstoffgeschäfte, Waffenexporte, Futtermittelimporte und Pestizidausfuhren. Die Schweiz landet deshalb im Sustainable Development Report 2022 im Spillover Ranking auf Platz 157 von 163 bewerteten Ländern. Je tiefer der Rang, desto mehr schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft haben die Handels-, Wirtschafts-, Finanz- und Sicherheitspolitik der jeweiligen Länder. Für Schmassmann ist die größte Baustelle die Steuerpolitik. Sie zitiert eine Berechnung der Organisation Economists without Borders, gemäß der Konzerne jährlich über 100 Milliarden US-Dollar Gewinne in die Schweiz verschieben – Geld, das in den Produktionsländern nicht versteuert wird. So trage die Schweiz international zur wachsenden Ungleichheit bei.

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