Europa betrachtet seinen großen südlichen Nachbarn Afrika zunehmend als Schauplatz des kommenden geopolitischen Wettstreits zwischen China und dem Westen. So will die Europäische Union etwa mit ihrem neuen Infrastrukturprogramm Global Gateway der Belt and Road Initiative der Volksrepublik Paroli bieten. Da ist es interessant zu erfahren, wie Afrikaner die beiden Konkurrenten wahrnehmen: Wer schneidet aus ihrer Sicht in Bereichen wie Entwicklungszusammenarbeit, Engagement für Menschenrechte und Klimaschutz, wirtschaftliche Zusammenarbeit oder kulturellem Austausch besser ab? Wer ist skrupelloser, wenn es um Korruption oder Missachtung von Arbeitnehmerrechten in Infrastrukturprojekten geht? Wer behandelt seine Partner in Afrika fairer?
Solche Fragen hat das kenianische Forschungs- und Beratungsinstitut IREN im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit gut 1600 afrikanischen Vertretern und Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gestellt; rund 60 Prozent haben geantwortet – genug nach Ansicht der Forscher, um zu aussagekräftigen Ergebnissen zu kommen. Zusammengefasst: Europa schneidet zum einen in „weichen“ Bereichen wie Engagement für Menschenrechte, Umweltschutz Fairness im Umgang mit afrikanischen Partnern besser ab. Zum anderen achtet Europa aus Sicht der befragten Afrikaner in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mehr auf Qualität als China und ist weniger korrupt – wenn auch keineswegs frei davon. China hingegen entscheidet und verwirklicht einmal beschlossene Projekte schneller als Europa, vor allem in den Bereichen Verkehr und Energie.
So sollte Europa zweierlei machen, mahnen die Forscher: Zum einen ist China vor allem in solchen Bereichen stark, die vielen Afrikanern wichtig sind, etwa dem schnellen Ausbau wichtiger Infrastruktur. Zum anderen liegt Europa in vielen Bereichen nur ganz knapp vorn: Der alte Kontinent kann sich nicht darauf ausruhen, sondern muss etwas dafür tun, wenn er gegenüber dem Herausforderer aus Fernost nicht weiter an Boden verlieren will.
Europa sollte vor allem seinen „überkommenen paternalistischen und romantischen Blick auf Afrika als Hilfeempfänger“ überwinden und stattdessen auf echten wirtschaftlichen Austausch setzen, empfehlen die Forscher. China wird vom „ungeduldigen Afrika“, wie es in der Studie heißt, oft als der gute Kumpel wahrgenommen. Um dem etwas entgegenzusetzen, müsse Europa mehr bieten als seine bisherige Rolle als erfahrener Vater, der mit guten Ratschlägen kommt.
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