Vulcan Energie Ressourcen hat Großes vor, die Forschung beginnt aber im Kleinen: Im Labor in Karlsruhe-Durlach steht im Miniformat die Anlage zur direkten Lithiumextraktion (DLE) aus salzhaltigem Tiefenwasser. Das Thermalwasser wird durch zwei etwa 60 Zentimeter hohe Zylinder gepumpt. In beiden ist ein sogenannter Sorbent angebracht, an den sich die Lithiumionen anheften. „Das ist ein physikalisches Verfahren, das schon seit zwanzig Jahren zum Beispiel in Südamerika kommerziell angewendet wird“, erklärt Vulcan-Geschäftsführer Horst Kreuter. „Der Sorbent ist so konfektioniert, dass er nur Lithiumionen einfängt“, so Kreuter weiter. „Damit filtern wir die Lithiumionen heraus. Wenn der Sorbent gesättigt ist, wird der Zylinder mit Frischwasser gespült und man erhält am Ende Lithiumchlorid in flüssiger Lösung.“
Lithiumchlorid wird zu Lithiumhydroxid weiterverarbeitet, dem Ausgangsmaterial für Batterien und Akkus. Im Labor wird das Thermalwasser ohne das Lithium wieder zurück in die Kanister geleitet – und in der Realität zurück in 2000 bis 5000 Meter Tiefe. Der geschlossene Kreislauf bleibt erhalten.
Die DLE-Anlagen sollen an Geothermie-Kraftwerke angeschlossen werden. Das sei viel umwelt- und ressourcenschonender als die in den Hauptexportländern Chile und Australien praktizierte Form, aus Lithium-haltiger Salzlösung Wasser verdunsten zu lassen oder Lithium aus Gesteinsgeschichten abzubauen. Vulcan Energie verspricht sogar, dass in ihrem Projekt „Zero Carbon Lithium“ die Extraktion ganz klimaneutral, also ohne schädliche CO2-Emissionen geschieht. Denn die Energie für die Extraktionsanlage liefert das 160 Grad heiße Thermalwasser selbst, wenn es über Wärmetauscher die Energie zur Wärmenutzung oder zur Stromerzeugung abgibt. Dabei wird das Thermalwasser auf etwa 80 Grad abgekühlt, dann startet die Extraktion. Das Thermalwasser im Oberrheingraben hat laut Kreuter eine günstige Zusammensetzung für das Projekt: Ein Liter Wasser enthält etwa 120 Gramm Salze – davon sind etwa 180 Milligramm Lithium.
Lithiumchlorid aus der Pilotanlage
Größer als im Labor, aber immer noch verhältnismäßig klein ist die Pilotanlage in Insheim. Vulcan Energie hat 2021 das Geothermie-Kraftwerk dort von den Pfalzwerken gekauft und die rund drei mal drei Meter große DLE-Pilotanlage im Frühjahr 2022 in Betrieb genommen. Seit April 2021 war sie im Kraftwerk in Landau im Einsatz, seit Juni 2021 rund um die Uhr. Ein Kilo Lithiumchlorid kann hier pro Monat gewonnen werden, in Zukunft sollen es dann mehrere Tausend Tonnen sein.
Noch wird nirgendwo auf der Welt Lithium in industriellem Ausmaß in Geothermie-Kraftwerken gewonnen. Doch Kreuter verweist auf die Projekte im kalifornischen Salton Sea, wo man nach dem gleichen Prinzip vorgeht: Dort stehen bereits 11 Geothermie-Kraftwerke rund um den See, unter dem enorme Lithiumvorkommen im Thermalwasser schlummern. Ein Schatz, der gehoben werden soll – und in Zukunft allein 40 Prozent der weltweit rasant steigenden Nachfrage decken könnte.
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Banken und Bürger sind interessiert
Doch das ist sehr ambitioniert: Bis jetzt gehört der Firma Vulcan Energie das Kraftwerk in Insheim und mit dem in Landau gibt es Nutzungsverträge. Die anderen drei benötigten Kraftwerke müssen noch gebaut werden. Etwa 1,7 Milliarden Euro benötigt Vulcan Energie laut eigenen Angaben für „Zero Carbon Lithium“. Im Herbst will Vulcan Energie eine Machbarkeitsstudie erstellen lassen, die dann auch Banken von dem Projekt überzeugt. Kreuter hat jedoch keinen Zweifel, dass die Finanzierung gelingt: „Viele Banken sind interessiert, mit uns zusammenzuarbeiten.“
Auch die meisten Bürger, vor allem jüngere, zeigten sich neugierig und offen. „Auch weil wir mit unseren Kraftwerken erneuerbare Wärme, Kälte und Strom liefern“, erklärt der Geschäftsführer. Doch wie bei vielen großen Bauprojekten gibt es Kritiker: Sechs Bürgerinitiativen aus der Oberrheinregion wenden sich gegen den Bau der Geothermie-Kraftwerke. Ihre größte Sorge ist, dass durch die Bohrungen dafür Erdbeben ausgelöst werden können, die ihre Häuser beschädigen. Sie beziehen sich auf Vorfälle in jüngster Vergangenheit in Vendenheim oder Landau. Vulcan Energie entgegnet, dass in diesen Fällen andere Fehler gemacht haben, die Vulcan nicht machen wird. Vor Bohrungen müsse man genau die Gesteinsschichten untersuchen, das gehe heutzutage mit seismischen 3-D-Untersuchungen, ähnlich einem Ultraschall. Diese helfen, Schäden zu vermeiden.
Als Antwort auf die offenen Briefe einer Bürgerinitiative in Karlsruhe gegen ein Geothermieprojekt verweisen die Behörden und Regierungspräsidien, die Bohrungen genehmigen müssen, auf die Wichtigkeit der erneuerbaren Energie und auf eine gute wissenschaftliche Begleitung solcher Projekte – unter anderem durch das KIT, das Karlsruher Institut für Technologie. Das forscht seit rund fünf Jahren selbst an der Lithiumextraktion aus Thermalwasser – und seit eineinhalb Jahren im Rahmen eines Verbundprojekts unter Federführung der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). In Kürze soll eine Pilotanlage im Geothermie-Kraftwerk in Bruchsal eingebaut werden. Noch nicht erforscht ist allerdings, wie groß das Lithiumvorkommen im Oberrheingraben überhaupt ist, sagt Professor Jochen Kolb. Aufgrund der bisherigen Untersuchungen geht er davon aus, dass nach etwa 30 Jahren Produktion nicht mehr genug Lithium im Thermalwasser in einer Anlage sein wird. Das passe aber mit der Laufzeit eines Geothermie-Kraftwerks zusammen.
Bei Vulcan herrscht Goldgräberstimmung
Zu den Bedenken der Kritiker sagt er: „Die muss man ernst nehmen.“ Doch die befürchtete Verschmutzung des Grundwassers etwa hält er für ausgeschlossen. „Es kann kein Austausch mit dem Grundwasser stattfinden, auch weil die Rohre noch sieben Sicherheitszonen außen herum haben.“ Um Erdbeben zu vermeiden, müsste man im Vorfeld gute Voruntersuchungen und Risikoabschätzungen machen. Es gebe immer Eingriffe in die Natur, aber „im Gegensatz zu einem Bergwerk sind die Bohrungen für ein Geothermie-Kraftwerk minimalinvasiv“. Und „das Lithium ist eine heimische Ressource, die wir nutzen können“, so Kolb. „Wir werden mit dem Lithium im Oberrheingraben niemals den Bedarf für alle Lithiumionen-Akkus in Deutschland decken können, aber es ist eine Alternative zu den beiden Hauptproduzenten Chile und Australien. Es gibt kurze Wege, und man kann Preisschwankungen oder Lieferengpässe ausgleichen.“
Im Gegensatz zu den Bürgerinitiativen steht die Karlsruher Ortsgruppe des Umweltverbands BUND dem Vorhaben von Vulcan Energie offener gegenüber. „Ich bin ein Fan von Geothermie zur Wärmegewinnung, wenn alle Sicherheits- und Naturschutzbelange erfüllt sind“, sagt ihr Vorsitzender Harry Block. Zusammen mit der BUND-Ortsgruppe habe er sich das Labor und die Pilotanlage angesehen. Allerdings sagt er auch: „Die Technik ist im Labormaßstab. Es funktioniert immer im Kleinen, aber sobald es in die Größe geht, gibt es Probleme.“ Um Lithium gebe es gerade einen regelrechten Hype, damit lasse sich in Zukunft jede Menge Geld verdienen. „Es herrscht Goldgräberstimmung bei Vulcan.“
Tatsächlich ist der Lithiumpreis zuletzt rasant gestiegen – auch weil die Nachfrage riesig ist. Diese Lithiummengen klimaneutral mit erneuerbarer Energie zu gewinnen und später zum Beispiel auch noch zu recyceln, klingt jedenfalls gut. Ob allerdings das, was im Kleinen funktioniert, auch im großen Maß umsetzbar ist, muss sich erst noch zeigen.
Vulcan-Geschäftsführer Horst Kreuter inspiziert im Labor in Karlsruhe die Anlage zur Lithiumgewinnung. Eine größere Pilotanlage ist bereits im Geothermie-Kraftwerk in Insheim im Einsatz.
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