Outlookindia (Neu-Delhi,7.5.2008): Der Bundesstaat Punjab, das Erfolgsmodell der Grünen Revolution und Symbol für Indiens Weg aus der Abhängigkeit von Nahrungseinfuhren, steht nach Auffassung von Mira Kandar vor einer schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise. Der Punjab sei ein Beispiel dafür, wie die industrielle Landwirtschaft die Erträge zwar kurzfristig deutlich steigern kann, langfristig aber „zur Zerstörung des Bodens ... sowie der sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen führt“, mit denen die Landwirtschaft verknüpft ist. Kandar verweist unter anderem auf eine im April veröffentlichte Studie über schädliche Folgen moderner Anbaumethoden, die eine von der Weltbank und der FAO eingesetzte Expertengruppe erstellt hat.
Als nach einer Hungersnot Mitte der 1960er Jahre die grüne Revolution in Indien begann, seien die Ernteerträge in die Höhe geschossen. Das habe es Indien ermöglicht, sich mit Nahrungsmitteln selbst zu versorgen und Mitte der 1990er Jahre sogar per saldo Nahrung zu exportieren. In keiner anderen indischen Region habe die Grüne Revolution so stark gewirkt wie im Punjab. Die indische Regierung habe den Bundesstaat gedrängt, sich auf Weizen und Reis zu konzentrieren. Dabei hätten dessen Agrarexperten darauf verwiesen, dass eine Diversifizierung des Anbaus entscheidend ist, um die Fruchtbarkeit der stark beanspruchten Böden zu erhalten. Nun sinke in dem ehemals wasserreichen Bundesstaat der Grundwasserspiegel, Pestizidrückstände vergifteten die Umwelt und die übermäßige Bewässerung lasse die Ackerflächen versalzen. Auch die Krebsrate sei erheblich gestiegen. „Aber inzwischen kann Punjabs Wunderlandwirtschaft nicht mehr mit Indiens wachsendem Nahrungsmittelbedarf Schritt halten“, so dass das Land seit 2003 unter anderem wieder Weizen, Speiseöl und Hülsenfrüchte einführen muss, schreibt Kandar.
Dennoch bleibe die indische Regierung für die Argumentation der transnationalen Konzerne empfänglich, nach der die Agrarkrise des Landes mit einer weiteren Öffnung für private Investitionen, der Errichtung von Kühlketten sowie vertikal integrierten Produktions- und Distributionssystemen gelöst werden könne. Gerade das kritisiere der Bericht der Weltbank und der FAO. Für den langfristigen Erhalt der landwirtschaftlichen Produktivität ist laut Kandar ein ganzheitlicher Ansatz notwendig. Es stelle sich die Frage, wie er mit der Macht der Kräfte im globalen Wirtschaftssystem, die nach ständigen Steigerung der Produktion und des Konsums streben, in Einklang zu bringen sei.
welt-sichten 6-2008