Scheinerfolg bei den Handelsregeln

Welthandel
Beinahe wäre im Juni in Genf erneut eine Ministertagung der Welthandelsorganisation (WTO) im Streit auseinandergegangen. In der Verlängerung haben die Mitgliedstaaten dann Beschlüsse zustande gebracht, die armen Ländern wenig helfen und an der tiefen Krise der WTO nichts ändern.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.
Für die Generaldirektorin der Organisation, die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala, zeigt das Ergebnis von Genf, dass die WTO „fähig ist, auf die heutigen Notlagen zu reagieren“. Aber es zeigt eher, dass viele Mitgliedstaaten den Tod der WTO mehr fürchten als ihr weiteres Dahinsiechen.

Immerhin hat die Konferenz nach über zwanzig Jahren Verhandlungen ein Abkommen geschlossen, das die Subventionen für illegale und unregulierte Fischerei begrenzt. Die meisten Fischerei-Subventionen zahlen China, die EU, die USA, Südkorea und Japan, und außer in Nordamerika überwiegen weltweit die der schädlichen Art: Man verbilligt Schiffe oder Treibstoff, so dass wachsende Flotten die schwindenden Fischbestände noch mehr ausbeuten. Das Abkommen ist ein kleiner Fortschritt für den Erhalt dieser Bestände, was am Ende allen nutzt. Ärmere Staaten allerdings klagen, dass für sie nur zwei Jahre lang Ausnahmen gelten und ihnen damit der Ausbau ihrer viel kleineren Flotten und der Schutz der Kleinfischerei erschwert wird.

Zum Anstieg der Nahrungspreise haben die WTO-Mitglieder in Genf unverbindlich erklärt, Exporte nur sparsam, transparent und zeitlich begrenzt zu beschränken, um das Angebot auf dem Weltmarkt nicht weiter zu verknappen. Beschlossen haben sie nur, Käufe des Welternährungsprogramms für humanitäre Hilfe nicht mit Restriktionen zu belegen. Der Streit über neue Regeln für den Weltagrarhandel bleibt ungelöst.

Firmengewinne wichtiger als Gesundheit 

Viel beachtet wurde das Zugeständnis der EU und der USA, Zwangslizenzen für die Produktion von Covid-Impfstoffen für fünf Jahre zu erleichtern; damit hergestellte Vakzine dürfen unter bestimmten Bedingungen exportiert werden. Aber das ist zu wenig, zu spät. Mangel an Impfstoff ist in den meisten Regionen nicht mehr das Hauptproblem, und bei Patenten auf Medikamente und Tests werden keine Regeln gelockert. Wie viel die Freigabe von geistigen Eigentumsrechten in der Praxis zur Linderung von Gesundheitskrisen im Süden beitragen würde, ist zwar nicht sicher, aber sie würde auf jeden Fall ein mögliches Hindernis beseitigen. Das Signal aus Europa und Nordamerika an den Süden ist jedoch: Der Gewinn unserer Firmen bleibt uns wichtiger als eure Gesundheit.

Die Genfer Beschlüsse werden auch nicht reichen, die multilaterale Welthandelsordnung zu retten – umso weniger, als seit Jahren die USA und seit dem Ukraine-Krieg auch die EU diese selbst untergraben. Sie wollen die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China und Russland verringern und von deren Lieferungen unabhängiger werden. Der Trend geht zu mehr Abgrenzung konkurrierender Wirtschaftszentren. Ob das armen Ländern mehr Entwicklungschancen bietet als die von der WTO verkörperte neoliberale Globalisierung, ist fraglich. Vor handelspolitischer Willkür im Norden wird die WTO sie aber noch weniger schützen können.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2022: Das Zeug für den grünen Aufbruch
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