Schleppender Impffortschritt

Yusuf Halilu Bisalla, stellvertretender Iman der Kuje Central Mosque in Abuja (Nigeria), zeigt sein Moderna-Impfzertifikat. Nigeria hatte im Oktober 2021 seine zweite Impfkampagne gestartet.
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Yusuf Halilu Bisalla, stellvertretender Iman der Kuje Central Mosque in Abuja (Nigeria), zeigt sein Moderna-Impfzertifikat. Nigeria hatte im Oktober 2021 seine zweite Impfkampagne gestartet.
Pandemie
Während in Deutschland schon mehr als zwei Drittel der Bevölkerung geimpft sind und die Pandemie vorüber zu sein scheint, sieht die Lage in vielen Ländern Afrikas ganz anders aus. Genug Impfstoff ist aber zurzeit vorhanden – die Ursachen für die niedrige Impfquote liegen woanders.

Die Unterschiede zwischen den Impfquoten verschiedener Länder Afrikas sind immens: Während Botswana mit einer Quote von 84,5 Prozent und die Seychellen mit 82 Prozent zu den Spitzenreitern des Kontinents gehören, sind in Kamerun nur 4,5 Prozent und in Burundi gerade einmal 0,1 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Um das 70 Prozent-Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch in diesen Ländern zu erreichen, muss also noch viel passieren.

Viele Entwicklungsländer und nichtstaatliche Organisationen wollen eine Freigabe von Patenten und geistigen Eigentumsrechten für Corona-Impfstoffe und -Medikamente, um die Produktion ausweiten zu können; auf stark eingeschränkte Ausnahmen beim Patentschutz haben sich die Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) zuletzt geeinigt. Schon seit Beginn der Pandemie gibt es erhebliche Anstrengungen in Afrika, mRNA-Impfstoffe herzustellen. In Südafrika etwa wurde unter anderem mit Hilfe der WHO ein mRNA-Hub gegründet. Dieser soll Forscherinnen und Forschern in Afrika das nötige Wissen zur Herstellung von mRNA-Impfstoffen vermitteln. Die Aussetzung der Patente würde dafür sorgen, dass dabei Rechtssicherheit besteht, nicht von Pharmakonzernen verklagt zu werden. Auch Medikamente, Diagnostika und Schutzmaterialien könnten so hergestellt werden. An denen fehle es immer noch, so Mareike Haase, Referentin für internationale Gesundheitspolitik bei Brot für die Welt. Die Corona-Pandemie sei in dem Sinne ein Momentum, um generelle Fragen „um den Zugang zu Medikamenten sowie deren Preise und Verfügbarkeit zu stellen.“ 

Impfstoff ist nun reichlich vorhanden, die Nachfrage jedoch gering

Richard Neci, Geschäftsführer des Ecumenical Pharmaceutical Network (EPN) mit Sitz in Kenia, sagt in Bezug auf die Impfstoffe jedoch: „Das Problem ist zurzeit nicht, ob es Fabriken zur Produktion gibt oder nicht. Drängender ist zunächst die Frage, wie wir in unseren Ländern eine Nachfrage für die Impfstoffe schaffen.“ Neci bemängelt: „Viele Regierungen Afrikas folgen dem Beispiel Europas, alle Eindämmungsmaßnahmen aufzuheben, obwohl zu viele Leute hier, anders als in Europa, noch keine Impfung erhalten haben. Wenn die Maßnahmen aufgehoben werden, denken die Leute, dass Covid kein drängendes Thema mehr ist.“ Neben den Schutzmaßnahmen seien auch Informationskampagnen zurückgefahren worden.

Die Gründe für die niedrigen Impfquoten in Afrika sind vielfältig. Während die Impfbereitschaft während der Delta-Welle vor etwa einem Jahr sehr hoch war, jedoch kaum Impfstoffe zur Verfügung standen, ist es jetzt genau umgekehrt: Impfstoff ist reichlich vorhanden, die Nachfrage jedoch gering.

Nur ein Gesundheitsproblem unter vielen

Ein Hauptgrund dafür ist, dass die Gefahr, die von Covid-19 ausgeht, von vielen laut Neci als unbedeutend bewertet wird. Das liegt unter anderem daran, dass die offiziellen Todesraten niedrig sind – zum einen, weil aufgrund des niedrigen Altersdurchschnitts weniger Infizierte sterben, zum anderen, weil die Nachverfolgung fehlerhaft ist. So hat eine Antikörper-Studie des Teams um Professor Esayas Kebede Gudina an der Universität Jimma in Äthiopien gezeigt, dass die Zahl der Corona-Fälle deutlich höher gewesen sein muss als die offiziell bekannt. 

Zudem ist Corona in Afrika nur ein Gesundheitsproblem unter vielen: Krankheiten wie Malaria, Aids und Ebola fordern viele Todesopfer. Auch der Ukrainekrieg hat die Prioritäten verschoben: Die Menschen sorgen sich um die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Treibstoff. Gisela Schneider, Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm) in Tübingen, berichtet anhand eines Beispiels: „Im Kongo stehen die politischen Unruhen, die Unsicherheit und die Gewalt im Vordergrund. Die Leute fühlen sich allein gelassen mit ihrem Konflikt und der Armut. Wenn man ignoriert, was die Menschen wirklich betrifft, dann wird man sie nicht von einer Impfung überzeugen können.“

Bekämpfung von Falschinformationen auch durch religiöse Autoritäten

Es ist auch wichtig, die Corona-Impfkampagne nicht auf Kosten anderer gesundheitlicher Aufgaben durchzuführen. Schneider plädiert für einen integrierten Ansatz: „In Liberia habe ich erlebt, dass die Covid-Impfung in ein erweitertes Impfprogramm integriert ist: In Impfzentren für Routineimpfungen wird zugleich gegen Corona geimpft.“ Das sei sinnvoll, weil so kein zusätzliches Personal und für Impfkampagnen im ländlichen Raum kein zusätzliches Benzin benötigt werde.

In Afrika kursieren viele Falschmeldungen über die Impfungen. Die Impfskepsis wird laut Haase auch durch die im globalen Norden geführten Debatten über bestimmte Impfstoffe, zum Beispiel AstraZeneca, erhöht.

Laut einer Studie der Africa Centres for Disease Control and Prevention (CDC) könnte die Impfquote höher sein, wären die Leute über die Vorteile und Risiken einer Corona-Impfung besser aufgeklärt. Für Neci sollten sich deshalb die Anstrengungen der Regierungen vor allem auf gezielte Informationskampagnen konzentrieren. Eine besondere Rolle sieht er für religiöse Führer vor: „Diese können zu Schlüsselfiguren in der Bekämpfung von Falschinformationen werden. In Kenia können wir sehen, dass dort, wo Impfzentren in Gemeindezentren eingerichtet wurden, die Leute die Impfungen annehmen. Sie vertrauen den religiösen Autoritäten.“ In Burundi, wo besonders viele Falschinformationen kursieren und die Impfquote niedrig ist, könne dieser Ansatz einen Durchbruch bringen, glaubt Neci.

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