Afrikanische Regierungen haben sehr unterschiedlich auf die steigenden Lebensmittelpreise reagiert. Viele haben die Importzölle für Mehl, Speiseöl und Milchpulver gesenkt, um die Preise nicht zusätzlich zu erhöhen. Gabuns Präsident Omar Bongo hingegen erließ einfach einen Preisstopp für Palmöl. Der Effekt ließ nicht lange auf sich warten. Im Nu waren die Regale leer, die Ware wurde entweder von großen und kleinen Händlern gehortet oder kam gar nicht mehr ins Land, weil die Nachbarn attraktivere Preise bezahlten. Dabei verfügt Gabun über eigene große Palmölplantagen. Sie können allerdings mangels Arbeitskräften zum Großteil nicht abgeerntet werden. Denn seit Jahren erteilt die Regierung Landarbeitern aus Kamerun oder Ghana keine Einreisegenehmigungen mehr. Das soll jetzt geändert werden
Das Beispiel aus Gabun zeigt, dass die Nahrungsmittelkrise in vielen afrikanischen Ländern zu einem erheblichen Teil hausgemacht ist. Es macht aber auch deutlich, welche Lösungen unter dem Druck steigender Preise möglich sind. Der Preisanstieg bietet die Chance, Investitionen und Wissen für die Landwirtschaft in Afrika zu mobilisieren und damit der wesentlichen Ursache ländlicher Armut, der niedrigen Produktivität der Kleinbauern, zu Leibe zu rücken. Die Reisbauern im Senegal hatten zum Beispiel jahrzehntelang damit zu kämpfen, dass ihr hochwertiger Reis nicht mit der subventionierten Ware aus Thailand konkurrieren konnte. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Senegal hat das Potenzial, seinen Reisanbau mindestens zu verdoppeln und damit in erheblichem Umfang Arbeitsplätze zu schaffen. Das erfordert zwar hohe Investitionen in Bewässerungsanlagen, die aber nun aufgrund der höheren Reispreise rentabel würden.
Autor
Roger Peltzer
arbeitet als Abteilungsleiter bei der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in Köln und ist an der Entwicklung und Verwirklichung des Textillabels Cotton Made in Africa beteiligt. Er gibt hier ausschließlich seine persönliche Meinung wieder.Allerdings stößt in Subsahara-Afrika der Ausbau landwirtschaftlicher Produktion auf großen Flächen, wie er sich in Blaupausen privater Investoren und internationaler Entwicklungsorganisationen findet, auf ökologische und soziale Grenzen. Das größte Hindernis sind die Besitzverhältnisse. Fast immer unterliegt das Eigentum an Land neben dem modernen auch traditionellem Recht. Hinzu kommt, dass das Land oft nicht von einheimischen, sondern von zugewanderten Pächtern bewirtschaftet wird. Der Versuch, solche Verhältnisse durch Regierungsdekrete oder Verträge mit bestechlichen Chiefs zu ändern, kann schnell zu sozialen Unruhen oder gar Gewaltkonflikten führen. Generell entwickelt die Landfrage zunehmend politische und soziale Sprengkraft.
Das bedeutet, dass die landwirtschaftliche Produktion in Subsahara-Afrika vor allem auf der Grundlage der vorhandenen kleinbäuerlichen Strukturen gesteigert werden muss. Deren Produktivität ist jedoch in der Regel niedrig. Das liegt nicht nur daran, dass hochwertiges Saatgut sowie Düngemittel und Agrarchemikalien fehlen. Wichtige Faktoren sind ein angemessener Lohn für landwirtschaftliche Arbeit und gesicherte Absatzmärkte. Die rechtzeitige Aussaat, das Einhalten von Pflanzzyklen, das Jäten von Unkraut und mehrfaches Abernten beeinflussen die Produktivität. Das ist arbeitsintensiv. Und diese Arbeit wurde in der Vergangenheit angesichts der niedrigen Preise für Feldfrüchte sehr schlecht bezahlt. Wer in einer afrikanischen Metropole am Flughafen Koffer für ausländische Touristen trägt oder am Hoteleingang Schuhe putzt, hat leicht in zehn Minuten den dreifachen Tageslohn eines hart arbeitenden Landarbeiters verdient. Selbst unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in der Stadt und auf dem Land war Landflucht bislang wirtschaftlich attraktiv. Das kann sich jetzt ändern.
Die Steigerung der Produktion von Kleinbauern erfordert unter anderem einen höheren Arbeitseinsatz. Schon allein das Abernten doppelt so hoher Erträge bedarf zusätzlicher Arbeitskräfte. Damit wird auch die Mitarbeit von Kindern attraktiver werden. In der Debatte über Kinderarbeit sollte deshalb stärker darüber diskutiert werden, wie die Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mit einem regelmäßigen Schulbesuch in Einklang gebracht werden kann. Eine Möglichkeit ist, die Schulferien in Afrika nicht an den europäischen Zyklen, sondern an den Erntezeiten im jeweiligen Land zu orientieren. Die Schulferien im Sahel etwa fallen immer noch mit denen in Frankreich zusammen und nicht mit der Baumwollernte, bei der jede Hand gebraucht wird. Die Herbstferien in Deutschland haben nicht umsonst ihren Ursprung in den „Kartoffelferien“, wurden doch die Schulkinder früher im Herbst dringend auf den Feldern gebraucht.
Supermärkte, die sich auch in Afrika rasch ausbreiten, können von Nutzen sein
Können und Erfahrung der afrikanischen Bauern werden vielfach unterschätzt. Die Tatsache, dass sie etwa Felder nicht ordentlich pflegen und damit das Risiko von Produktionseinbußen eingehen, ist nicht unbedingt auf Unachtsamkeit zurückzuführen. Vielfach ist es eben wirtschaftlich attraktiver, sich im Kleinhandel am Straßenrand einige Cents dazu zu verdienen. Wenn die Anreize richtig gesetzt werden, kann bäuerliche Produktion in der Regel schnell und substanziell gesteigert werden. Vor der Aussaat festgelegte Abnahmemengen und attraktive Abnahmepreise zählen zu den wichtigsten Instrumenten. Die Firma Bonduelle zum Beispiel hatte keine Probleme, in Kamerun 10.000 Kleinbauern zu finden, die auf jeweils 100 Quadratmetern grüne Bohnen „extra fein“ in Top-Qualität anbauen. Die Produktion für den Markt spielt somit eine wesentliche Rolle.
Supermärkte, die sich auch in Afrika rasch ausbreiten, können einen doppelten Nutzen bringen: Zum einen können sie Bauern über den Vertragsanbau langfristig sichere Absatzkanäle bieten. Zum anderen können sie mit ihrer modernen Logistik dazu beitragen, die hohen Verluste zu verringern, die die traditionelle Vermarktung über Aufkäufer, Transporteur, Großhändler und Kleinhändler mit sich bringt Die Verluste zwischen Ernte und Verkauf an den Verbraucher dü rften bei Obst und Gemüse in Afrika deutlich über 50 Prozent liegen, nicht zuletzt weil der Transport so lang dauert und die Ware unterwegs vergammelt. Bei der Discounter-Kette Aldi hingegen liegt eine Ananas auf dem Weg zum Kunden nie länger als 48 Stunden irgendwo im Regal. Aldi ist bei deutschen Konsumenten nicht nur wegen der Preise, sondern eben auch wegen der Qualität der Frischwaren beliebt. Die entsprechende Effizienz- und Logistikentwicklung hat Afrika noch vor sich. Steigende Nahrungsmittelpreise werden sie beschleunigen.
Die in der Ernährungsdiskussion häufig vertretene These, der Anbau von Cash Crops gehe zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion, ist schlichtweg falsch. Die großen Exportkulturen Afrikas, also Kaffee, Kakao und Baumwolle, werden zu mehr als 80 Prozent von Kleinbauern angepflanzt. Sie praktizieren durchweg den Anbau in „Mischkulturen“ oder eine entsprechende Fruchtfolge, was zudem dem Erhalt der Artenvielfalt und der Bodenfruchtbarkeit dient. Kaffeesträucher wechseln sich mit Maisfeldern und Bananenstauden ab, Kakaobäume stehen neben Ölpalmen und Baumwolle wird in der Fruchtfolge mit Sorghum, Erdnüssen und Mais angebaut. Vielfach sind die Baumwollfelder mit Mango- und Cashew-Bäumen durchsetzt.
Der Anbau von Exportpflanzen verschafft den Bauern Zugang zu Krediten für Düngemittel und Agrarchemikalien und ermöglicht den Unterhalt von Wegen und Straßen. Die Strukturen des Exportanbaus, etwa Kaffee- oder Kakao-Genossenschaften oder private Baumwoll-Entkernungsanlagen, die den Baumwollbauern die Ernte abkaufen, können deshalb gezielt dafür genutzt werden, um den Anbau von Nahrungsmitteln zu steigern. In mehreren afrikanischen Ländern gibt es bereits interessante Ansätze und Erfahrungen, die rasch verbreitert werden können. So entwickelt die amerikanische Firma Dunavant in Nord-Uganda mit zehntausenden von Bauern ein Projekt zum Anbau von Biobaumwolle. Die strikte Einhaltung der Fruchtfolge ist Bedingung für die Erhaltung der Bodenfruchbarkeit und den Pflanzenschutz. Die früher nur für die Subsistenz produzierenden Bauern beliefern jetzt den Markt mit Erdnüssen, Sorghum und anderen Lebensmitteln.
Strategien für die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion müssen an die Verhältnisse im jeweiligen Land angepasst sein
Dies erfordert allerdings auch ein Umdenken mit Blick auf die so genannten „Agrarkonzerne“. Das können Unternehmen sein, die sich auf den Anbau von landwirtschaftlichen Rohstoffen wie Zucker, Palmöl oder Kautschuk spezialisiert haben wie zum Beispiel der südafrikanische Illovo-Konzern. Es kann sich aber auch um Händler von Baumwolle, Kaffee oder Kakao wie Cargill oder die Neumanngruppe handeln. Nicht zuletzt geht es um Nahrungsmittelkonzerne wie Unilever oder Einzelhandelsketten wie Tesco in England. Sie alle interessieren sich für die kleinbäuerliche Produktion in Afrika.
Ihr wichtigstes Motiv ist die Beschaffung von Rohstoffen, die angesichts steigender Agrarpreise nur noch über die Kooperation mit Kleinbauern gesteigert werden kann. Eine Rolle spielt auch, dass großflächiger Plantagenbesitz in vielen Ländern mit schwierigem politischem Umfeld ein Risiko darstellt. Und nicht zuletzt wird die Förderung von Kleinbauern ein zunehmend wichtiger Bestandteil von verantwortlicher Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility).
Es ist also sinnvoll, darüber nachzudenken, wie das geballte Wissen solcher Unternehmen sowie ihre Finanz- und Organisationskraft genutzt werden können, um die kleinbäuerliche Nahrungsmittelproduktion durch Mischkulturen, Fruchtfolge und den Einsatz von hochwertigem Saatgut zu verbessern. In einer klug konzipierten Kooperation mit Agrarkonzernen können mit Sicherheit rascher und effizienter Erfolge erzielt werden als durch die Förderung staatlicher Agrarberatung, die sich in der Vergangenheit in vielen afrikanischen Ländern als Milliardengrab für Entwicklungshilfe erwiesen hat.
Ob Senegal, Kamerun, Tansania oder Angola – die Strategien für die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion müssen an die Verhältnisse in dem jeweiligen Land angepasst sein. Dazu müssen die Rahmenbedingungen, die Möglichkeiten der Beteiligten und die Engpässe sorgfältig analysiert werden. Gabun jedenfalls dürfte seine Palmölproduktion durch die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen für Ausländer innerhalb von ein bis zwei Jahren um 50 Prozent steigern können.