Verfilzte Haare und die linksgrünversiffte Meinungsdiktatur

Reife Leistung
Über die Tücken der kulturellen Aneignung und die Ideen der jungen Klimaschützer. Die Glosse von welt-sichten.

Wer junge Erwachsene als Kinder hat, der weiß: Man muss sie ernst nehmen, darf es damit aber auch nicht übertreiben. Sonst macht das Leben bald keinen Spaß mehr. Die jungen Leute von Fridays for Future sind das beste Beispiel: Ja, der Klimawandel ist schlimm, wir müssen etwas dagegen tun, vollkommen richtig, dass ihr darauf aufmerksam macht. Aber: Nein, deswegen in Panik zu geraten, ist keine so gute Idee, es werden auch nach uns noch Menschen auf diesem Planeten wandeln.

Dasselbe gilt aber auch für ältere Erwachsene, vor allem für Männer in den Fünfzigern: Man muss sie ernst nehmen, sollte es aber nicht übertreiben damit. Vor allem nicht, wenn sie den Fehler machen, junge Erwachsene zu ernst zu nehmen, und dann hysterisch werden. Bestes Beispiel hier: Claus Strunz, Jahrgang 1966, vom sogenannten Nachrichtensender BILD-TV. Strunz hat sich neulich ungeheuer darüber echauffiert, dass Fridays for Future eine Sängerin von einer Demo ausgeladen hat, weil diese verfilzte Haare hat, auch als Dreadlocks bekannt. Für Fridays for Future ist das kulturelle Aneignung, und das geht gar nicht: Nur unterdrückte schwarze Menschen dürfen verfilzte Haare tragen. Für Strunz wiederum beweist das einmal mehr: Die linksgrünversifften Klimaschützer wollen uns in eine Meinungsdiktatur führen. Womit der Mann seinem Namen erneut alle Ehre gemacht hat, wenn man ihn um das Adjektiv „doof“ ergänzt.

Richtig ist: Kulturelle Aneignung ist toll, da hat der Strunz schon recht. Ohne sie wäre das Leben langweilig, denn ohne sie gäbe es keine so schönen Dinge wie Weltmusik, chinesische Gärten in deutschen Großstädten und Kochrezepte von Jamie Oliver. Richtig ist aber auch: Verfilzte Haare sind hässlich und gehören abgeschnitten, von welchem Kopf auch immer. Die Einwände von Fridays for Future sollte man deshalb durchaus ernst nehmen. Aber nicht übertreiben damit. 

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erschienen in Ausgabe 4 / 2022: Streiten für die Menschenrechte

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