Der Wind trägt Vogelgezwitscher und den Duft des frisch getrimmten Rasens an die Gräber. Irgendwo in der Ferne plätschert ein Springbrunnen. Wenn hier etwas die Totenruhe stört, so ist es nur das periodische Knacken des Elektrozauns. Doch für den hat man schließlich bezahlt.
In Südafrika boomen seit einiger Zeit Luxusfriedhöfe – oder „Memorial Parks“ (Gedenkparks), wie ein Johannesburger Immobilienkonzern sein erfolgreiches Geschäftskonzept nennt. In dem Land, in dem die Schere zwischen Arm und Reich so weit offen steht wie in nur wenigen anderen Ländern, sorgt das allerdings für Unmut.
Seit 1995 ist das Unternehmen Calgro M3 im Wohnungsbau tätig, vor sechs Jahren stampfte es dann seinen ersten Friedhof aus dem Boden. „Was unsere Memorial Parks von öffentlichen Friedhöfen unterscheidet, ist die hübsche Landschaftsgestaltung und sorgfältige Instandhaltung, verbunden mit allerhöchster Sicherheit“, sagt Waldi Joubert, einer der Direktoren von Calgro M3.
Bis zu 18.500 Euro kann ein Familiengrab in einem der fünf Memorial Parks in Johannesburg, Kapstadt und Bloemfontein kosten.
Flutlicht und englischer Rasen
Ein Einzelgrab gibt es für 1400 Euro. Dafür bieten die Betreiber 24-stündige Bewachung, Kameras, Flutlicht und andere Sicherheitsausstattung, auf die viele Südafrikaner angesichts hoher Kriminalität Wert legen. Für die einmalige Investition in eine Grabstelle gibt es außerdem manikürte Hecken, englischen Rasen, Teiche mit Wasserspielen und Engelsstatuen. Der Zutritt ist allerdings nur den Angehörigen gestattet. „Wer den Memorial Park in Nasrec (Johannesburg) besucht, könnte glauben, auf einem Golfplatz zu stehen“, berichtete 2019 der staatliche Sender SABC.
Autor
Markus Schönherr
ist freier Korrespondent in Kapstadt und berichtet für deutschsprachige Zeitungen und Magazine aus dem südlichen Afrika.Das Unternehmen ist der bekannteste, aber nicht der einzige Betreiber von Designerfriedhöfen in Südafrika. In der nördlichen Provinz Limpopo bietet ein Privatfriedhof „grüne Bestattungen“ an; dabei wird auf Metall und Chemikalien bei der Einbalsamierung der Leichen sowie beim Sarg verzichtet. Trauernde können mit dem Kleinflugzeug auf dem hauseigenen Rollfeld landen oder ein Picknick unterm Baum neben den Verstorbenen genießen.
In dem Schwellenland hat der Luxusgräber-Boom eine Debatte ausgelöst. Südafrika verzeichnet laut Weltbank die größten Einkommensunterschiede der Welt. Mehr als die Hälfte der 60 Millionen Einwohner lebt in Armut. Für sie bleiben die öffentlichen Friedhöfe reserviert, von denen etliche abgelegen sind oder als unsicher gelten. Doch scheint man in Südafrika akzeptiert zu haben, dass selbst der Tod keine Gleichheit zwischen Arm und Reich schafft.
Soziale Gerechtigkeit im Tod und im Leben
So meint der katholische Priester Bruce Botha: „Es wäre zu einfach, die Preise von Privatfriedhöfen und die Kommerzialisierung des Todes zu verurteilen, auch wenn wir das gern wollten, denn es würde die Vielschichtigkeit von Ländern wie Südafrika ignorieren.“ Das Problem sei grundlegender. Es habe mit der immer noch vorherrschenden Wirtschaftsordnung der Apartheid sowie ungleichen Aufstiegschancen zu tun: Wolle man soziale Gerechtigkeit im Tod, müsse man diese erst im Leben schaffen.
Auch Vasti Roodt, Ethikerin an der Universität Stellenbosch bei Kapstadt, mahnt zu einer differenzierten Sicht: „Aufwendige Bestattungen und außergewöhnliche Friedhöfe begleiten die menschliche Kultur seit jeher und es wäre scheinheilig, dies als neue Entwicklung zu verurteilen.“ Wer Friedhofsbetreibern Profitgier auf Kosten Trauernder vorwirft, müsste ebenso Ärzte oder Lehrer verurteilen, weil diese aus Krankheit und Unwissenheit Geld machten. Nichtsdestotrotz betont Roodt: „Jeder sollte Zugang zu einer würdigen Bestattung oder Einäscherung haben.“ Hier müssten die Stadtverwaltungen aufholen, indem sie mehr Grabstellen schaffen, öffentliche Friedhöfe besser pflegen und mehr Sicherheit für Angehörige schaffen.
Fest steht jedenfalls: Covid hat das Tabuthema Tod in Südafrikas Haushalte gebracht. „Das erleben wir an der höheren Zahl der Grabreservierungen, die wir infolge der Pandemie erhalten haben“, sagt Friedhofsbetreiber Joubert. Ihm sei es wichtig, Pakete anzubieten, die Menschen „jeder gesellschaftlichen Herkunft“ eine würdige Grabstelle garantieren. Für alle, die sich diese nicht leisten können, springt die Partnerbank des Unternehmens mit einem Kredit ein.
Nach Schätzungen haben mindestens zwei Millionen Südafrikaner seit Ausbruch der Corona-Pandemie ihre Jobs verloren. Das merkt auch Pfarrer Botha: Immer mehr Familien bevorzugten eine Bestattung ihrer verstorbenen Verwandten an Wochentagen statt wie bisher an Samstagen, erzählt er. „Die Kultur verlangt, dass die Familie die Trauernden vom Friedhof zur Kirche befördert und anschließend mit Essen versorgt.“ Unter der Woche kämen weniger Freunde zu Begräbnissen, das senke die Ausgaben.
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