Zweieinhalb Seiten widmen die Ampelparteien der Entwicklungszusammenarbeit im engeren Sinn, und die lesen sich wie eine Liste von Wohltaten, die die künftige Regierung verteilen will. „Wir stärken dies, wir fördern das“ heißt es da fantasielos, und die Bereiche, um die es geht, sind die üblichen: Ernährungssicherung, Bildung, Frauen und andere benachteiligte Gruppen, Zivilgesellschaft. Heraus stechen lediglich zwei Punkte: Zum einen werden Agrarökologie und kleinbäuerliche Landwirtschaft als wichtig für die Ernährungssicherheit hervorgehoben, zum anderen wollen die Koalitionäre sich für einen neuen internationalen „Schuldenmanagementkonsens“ und ein Staateninsolvenzverfahren einsetzen.
0,7-Prozent-Ziel könnte im Gesamtpaket untergehen
Es fehlt aber eine grundsätzliche Idee für eine rot-grün-gelbe Entwicklungspolitik. Das war vor vier Jahren im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD noch anders: Darin hatte die Entwicklungspolitik nicht nur eine Seite mehr als jetzt im Ampelvertrag, es steckte auch sichtlich mehr Sachverstand darin. Die schwarz-rote Idee war, in der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt auf Privatkapital zu setzen. Das mag die falsche Idee gewesen sein, aber immerhin war es eine.
Die Gefahr besteht, dass die Ampel in ihrer Regierungsarbeit die Entwicklungspolitik ebenso stiefmütterlich behandelt wie in ihrem Koalitionsvertrag. Zwar bekennt sie sich pflichtschuldig zum Ziel, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. Gleichzeitig lässt sie dieses Ziel aber in einer neuen Vorgabe einfließen: 3 Prozent für Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik zusammen. Das 0,7-Prozent-Ziel könnte darin verschwinden und als Richtwert bei Haushaltsverhandlungen mehr und mehr unwirksam werden.
Die SPD-Tradition wiederbeleben
Es wird also in den kommenden vier Jahren stark von der neuen Ministerin abhängen, wohin es mit der deutschen Entwicklungspolitik geht. Das Politikfeld habe in der SPD eine lange Tradition, sagt Svenja Schulze. Das stimmt, nur war davon in den vergangenen Jahren nicht viel zu spüren, auch nicht beim künftigen Bundeskanzler Olaf Scholz. Als Finanzminister soll Scholz in der vergangenen Legislaturperiode wiederholt vom SPD-Entwicklungspolitiker Sascha Raabe bekniet worden sein, man dürfe das Engagement für mehr Geld nicht immer nur der CSU von Entwicklungsminister Gerd Müller überlassen.
Schulze ist zuzutrauen, dass sie die entwicklungspolitische Tradition der SPD wiederbelebt, für die etwa Willy Brandt und Schulzes Vorgängerinnen Heidemarie Wieczorek-Zeul und Erhard Eppler stehen. Sie wird sich schnell in ihr neues Amt einarbeiten, so wie sie das auch schon im Umweltministerium getan hat. Von den Klimaschutzschutzverhandlungen bringt sie die für ihren neuen Posten erforderliche globale Perspektive und Erfahrungen auf der internationalen Politikbühne mit. Schulze ist eine gute Wahl. Ein Restrisiko bleibt allerdings: Klimapolitik hat der 53-Jährigen sichtlich Spaß gemacht. Die Gefahr besteht, dass sie davon zu viel in ihr neues Ressort mitnimmt und das Entwicklungsministerium (BMZ) zu einer Art Nebenaußenministerium für internationalen Klimaschutz macht. Das darf nicht passieren: Aufgaben wie Armuts- und Hungerbekämpfung, wirtschaftliche Entwicklung, Bildung und Gesundheit dürfen nicht vernachlässigt werden.
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