Lutf Mahyoub hat vor 19 Jahren den Jemen verlassen und ist nach Saudi-Arabien gegangen. Er genoss sein Leben dort und hatte ein gutes Einkommen. Er konnte seiner Familie Geld schicken, seinen Verwandten und armen Nachbarn helfen und sogar einen Teil sparen. Der Vater von fünf Kindern, der jetzt in den Vierzigern ist, arbeitet als Apotheker. Er ging, weil er im Jemen keine gute Arbeit fand. Saudi-Arabien sei die beste Wahl für ihn gewesen, sagt er. Mahyoubs Familie reiste nicht mit, stattdessen besuchte er sie von Zeit zu Zeit im Jemen, so wie es viele seiner nach Saudi-Arabien ausgewanderten Landsleute tun.
Seit einiger Zeit sehen sich die Auswanderer in Saudi-Arabien jedoch mit vielen Einschränkungen konfrontiert. So müssen sie unter anderem höhere Gebühren für ihre Visa und für ihre saudi-arabischen Bürgen (Kafala) zahlen, bei denen sie in der Regel auch beschäftigt sind. Zudem müssen Unternehmen, die mehr ausländische als saudische Staatsangehörige beschäftigen, neuerdings dem Staat eine monatliche Gebühr von 800 Saudischen Riyal (etwa 185 Euro) pro ausländischem Mitarbeiter zahlen; für Unternehmen, die in der Mehrzahl Saudis beschäftigen, verringert sich die Gebühr auf 700 Riyal (etwa 162 Euro). Saudi-Arabien hat außerdem einige Jobs wie Kassierer oder Buchhalter für Einheimische reserviert, so dass Ausländer auf solchen Posten das Land verlassen müssen.
Rückkehr in den Krieg als einzige Möglichkeit
Mahyoub sagt, er habe alle fälligen Gebühren gezahlt und deshalb kaum noch Geld an seine Familie im Jemen schicken oder etwas sparen können wie früher. Also habe er 2019 beschlossen, in den Jemen zurückzukehren. „Ich war mir bewusst, dass der Jemen vom Krieg zerstört ist, und auch, dass es keine gute Entscheidung ist, zurückzukehren. Aber es war die einzige Möglichkeit, die ich hatte, da ich die Gebühren in Saudi-Arabien nicht mehr bezahlen konnte.“
Er kenne viele Auswanderer, die so wie er aus Saudi-Arabien zurückgekehrt sind, weil sie mit Beschränkungen konfrontiert waren oder weil bestimmte Jobs nur noch an Saudis vergeben werden. Zudem gebe es in Saudi-Arabien außer Jemeniten viele Auswanderer aus anderen Ländern wie Pakistan und Indien, die nach Arbeit suchen, sagt Mahyoub.
Lutf Mahyoub überlegt, nach Afrika auszuwandern
Nach seiner Rückkehr beschloss der erfahrene Pharmazeut Mah-youb in der vom Krieg gezeichneten Stadt Taiz eine Apotheke zu eröffnen, in der Hoffnung, damit ein gutes Einkommen zu erzielen. Aber die Dinge liefen nicht so wie geplant. „Ich bin gescheitert und habe das Geld verloren, das ich in den letzten Jahren gespart habe. Jetzt kann ich meine Familie nicht mehr von dieser Apotheke ernähren und nicht einmal die Miete bezahlen. Also werde ich sie bald schließen.“ Mahyoub überlegt, erneut auszuwandern, diesmal aber nicht nach Saudi-Arabien, sondern in ein afrikanisches Land, vielleicht Dschibuti.
Laut der jemenitischen Regierung haben im Jahr 2020 mehr als zwei Millionen Jemeniten in Saudi-Arabien gelebt. Deren Rücküberweisungen sind eine wichtige Stütze der zerstörten jemenitischen Wirtschaft. Nach Angaben des Ministeriums für Planung und internationale Zusammenarbeit aus dem Jahr 2018 hatten die Geldtransfers aus Saudi-Arabien einen Anteil von 61 Prozent an den gesamten Rücküberweisungen aus dem Ausland. Im Juni 2020 nannte der damalige Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten, Mark Lowcock, die Rücküberweisungen „eine Lebensader für Millionen von Menschen“.
Autorin
Amal Mamoon
ist Journalistin im Jemen.Ala‘a Al-Mahbashi fand monatelang keine Arbeit
So wie viele andere Jemeniten in seinem Alter dachte Mahbashi, Saudi-Arabien sei ein besserer Ort als der Jemen und er werde schon am ersten Tag seiner Ankunft ein hohes Gehalt erhalten. Stattdessen habe er monatelang keine Arbeit gefunden. Schließlich fand er einen Job in einem Geschäft, das Süßigkeiten herstellt und verkauft. Anfangs verdiente er umgerechnet 280 Euro pro Monat, später dann 420 Euro. „Das hat gereicht, um für mich selbst zu sorgen, mein Visum zu verlängern und Geld an meine Familie und einige Verwandte zu schicken“, sagt Mahbashi.
Vergangenes Jahr beschloss Mahbashi dennoch, dauerhaft in den Jemen zurückzukehren, um zu heiraten. Einige Freunde rieten ihm davon ab, aber er bestand darauf. Mittlerweile bereut er diese Entscheidung. „Es ist schwierig, hier einen Job zu finden. Auch wenn es in Saudi-Arabien einige Einschränkungen gibt, ist es doch viel besser als das Leben im Jemen“, sagt er. Mahbashi versucht nun, ein neues Visum für Saudi-Arabien zu bekommen, damit er zurückkehren und sich dort bis zum Ende des Krieges eine andere Arbeit suchen kann.
Der Krieg hat die Wirtschaft im Jemen zerstört
Der Bürgerkrieg im Jemen begann 2014, als Rebellen der Gruppe der Houthis die Hauptstadt Sana‘a einnahmen. Im März 2015 griff eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition ein, um den jemenitischen Präsidenten Abdu Rabu Mansour Hadi gegen die Houthis zu unterstützen. Der Krieg hat laut den Vereinten Nationen bereits schätzungsweise 233.000 Todesopfer gefordert, davon 131.000 durch indirekte Ursachen wie den Mangel an Nahrungsmitteln und durch Krankheiten. Er hat zudem die jemenitische Wirtschaft zerstört und die schlimmste humanitäre Krise der Welt verursacht. Vier von fünf Jemeniten – 24 Millionen Menschen – sind laut UN auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Talal Taha, 39, verließ den Jemen 2014 und ging nach Saudi-Arabien. Dort arbeitete er etwa vier Jahre lang als Kassierer, dann wurde sein Job für saudische Staatsbürger reserviert und er musste sich eine neue Stelle in einem Bekleidungsgeschäft suchen. „Auch danach stand ich vor verschiedenen Hindernissen: Die Gebühren stiegen und mein Gehalt wurde halbiert, weil es so viele andere Leute gibt, die Arbeit suchen“, sagt er. Bis Anfang 2020 hielt er durch, dann beschloss er, in den Jemen zurückzukehren. Aber hier fand er keine Arbeit und konnte seine Familie nicht ernähren.
Talal Taha reiste in ein Land mit weniger Beschränkungen
Noch im selben Jahr beschloss Taha, in ein anderes Land zu reisen, in dem es weniger Beschränkungen gäbe und in dem er einen Job finden könnte: Dschibuti. „Auch in Dschibuti gibt es einige Probleme, aber zumindest zahlen wir keine Gebühren an die Regierung und wir brauchen keinen Bürgen“, sagt Taha am Telefon. „Ich habe vom ersten Tag an gearbeitet, als ich hier ankam, und kann jetzt meiner Familie helfen und etwas Geld sparen.“ Es sei relativ einfach, ein Visum zu kriegen, sagt Taha. Dennoch kommen einige Jemeniten als Flüchtlinge nach Dschibuti und leben in Lagern. Andere reisen ein, um mit jemenitischen Händlern zu arbeiten, die sie kennen.
Taha sagt, dass Erlernen der Sprache und das heiße Wetter seien die beiden größten Herausforderungen für ihn, aber er gewöhne sich langsam daran. Er kenne einige andere Jemeniten, die es zuerst in Saudi-Arabien versucht hätten und jetzt in Dschibuti seien. Dennoch träumt er weiter von einer Rückkehr in den Jemen. „Ich hoffe, dass der Krieg bald vorbei ist und wir in unser Land zurückkönnen, um es aufzubauen und unsere Zukunft zu gestalten.“
Aus dem Englischen von Tillmann Elliesen.
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