Entwicklungspolitische Vereine und Eine-Welt-Initiativen kämpfen mit Überalterung und Nachwuchsmangel. Dabei interessieren sich junge Menschen durchaus für Fragen globaler Gerechtigkeit. Ihre Aktionsformen sind jedoch oft andere. Vor diesem Hintergrund hat die Organisation „forum für internationale entwicklung und planung“ (finep) das auf drei Jahre angelegte Projekt „Engagement 2030“ entwickelt, das Studierende an drei Hochschulen in Baden-Württemberg mit entwicklungspolitischen Gruppen und Vereinen aus dem Bundesland zusammenbringt. Finanziert wurde das Projekt von Engagement Global, dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt und aus Mitteln des Landes Baden-Württemberg.
Grundidee von „Engagement 2030“ ist ein Austausch zwischen den Generationen, um gemeinsame Impulse für neue Formen des Engagements zu entwickeln, die junge Menschen ansprechen. Mitgemacht haben Fakultäten an den Hochschulen Esslingen, Tübingen und Heidelberg. Nach dem Projektstart im Jahr 2019 erhielten die Studierenden im Rahmen von vier Lehrveranstaltungen zunächst grundlegende Informationen zu entwicklungspolitischen Themen wie etwa die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, strukturelle Verflechtungen zwischen den Industrieländern und dem globalen Süden sowie zu Postkolonialismus und Rassismus, sagt Projektleiterin Anna-Maria Schuttkowski von finep. Aber auch Fragen des Projektmanagements und der praktischen Kampagnenarbeit standen auf dem Programm.
Im Nicaragua-Verein sind die meisten Aktiven über sechzig
Im praktischen Teil des Projekts sind die Studierenden in kleinen Gruppen mit Vertretern der entwicklungspolitischen Vereine zu Werkstattgesprächen zusammengekommen, um gemeinsame Projekte zu erarbeiten. Schuttkowski hatte dazu Vereine und Gruppen angeschrieben, die Mitglied im Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg sind. Das Interesse bei den Vereinen war groß, 14 von ihnen haben mitgemacht – darunter Weltläden, Partnerschaftsvereine und Organisationen, die zum Thema Nachhaltigkeit arbeiten.
Mit dabei war auch der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft zwischen Mannheim und El Viejo in Nicaragua. Der Partnerschaftsverein war 1986 auf dem Höhepunkt der Solidarität mit Nicaragua und Mittelamerika gegründet worden und unterstützt unter anderem ein Frauenzentrum und eine landwirtschaftliche Genossenschaft in der Partnerstadt. Heute besteht der aktive Kern des Vereins aus rund zehn Personen, von denen die meisten über 60 Jahre alt sind. In der Zusammenarbeit mit Studierenden des Internationalen Zentrums für Ethik in den Wissenschaften an der Universität Heidelberg sind ein Auftritt auf Instagram und ein analoger Flyer für den Verein entstanden.
Digitale Stadtrallye zum Fairen Handel
Viele im Verein seien eher skeptisch gegenüber den sozialen Medien gewesen, sagt Marta Wachowiak, die im Verein zuständig für Finanzen ist. Im Kontakt mit den Studierenden sei aber deutlich geworden, „wie wichtig soziale Medien sind, um junge Menschen zu erreichen“. Man habe zahlreiche Follower auf Instagram gewonnen und dadurch unter anderem mehr Aufmerksamkeit für Veranstaltungen.
Andere Projektbeispiele für „Engagement 2030“ sind ein alternativer Stadtplan für Nürtingen, der zusammen mit dem Weltladen und Fridays for Future in der Stadt entstanden ist und auf nachhaltige Einkaufsmöglichkeiten und Initiativen aufmerksam macht. Andere haben zusammen mit dem Deutschen Institut für Ärztliche Mission in Tübingen ein Erklärvideo für das Ziel 3 der globalen Nachhaltigkeitsagenda, die Sicherung der allgemeinen Gesundheitsversorgung, gedreht oder eine digitale Stadtrallye zum Fairen Handel in Rottenburg entwickelt. Studierende der Universität Tübingen haben zusammen mit dem Eine Welt Verein Reutlingen eine Podcast-Reihe zum Thema fairer Handel aufgenommen, in die auch der Weltladen in Reutlingen eingebunden war.
Nachwuchsprobleme gelöst?
„Manchmal fällt es klassischen Vereinen schwer, sich von traditionellen Formen des Engagements zu lösen“, sagt Schuttkowski. Im Rahmen des Projekts sei es aber leichter gefallen, sich für die sozialen Medien zu öffnen. Neben mehr Akzeptanz für das Digitale sei es zudem wichtig, attraktive Möglichkeiten für ein kurzfristiges Engagement wie etwa spannende Events anzubieten, denn aufgrund ihrer Lebenssituation –geprägt von Ausbildung und Start ins Berufsleben – wollten sich junge Menschen in der Regel nicht langfristig zu Projektarbeit verpflichten. Außerdem lägen auch Chancen darin, neue Akteure wie die Bewegung Fridays for Future anzusprechen. „Wenn sich die Vereine auf die junge Generation einlassen, steckt viel Potenzial in ihrer Einbindung.“
Eine abschließende Evaluierung des Projekts soll Hinweise geben, ob es den Vereinen mit dem Projekt „Engagement 2030“ langfristig gelingt, ihre Nachwuchsprobleme zu lösen.
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