"Das Abkommen vergrößert die Kluft in Ostafrika"

Kurz erklärt
Die EU hat einen Handelsvertrag mit Kenia geschlossen. Dem Land bringt das Vorteile, der Region aber könnte es schaden, sagt Frederik Stender vom DIE.

Frederik Stender ist Ökonom und arbeitet zu Fragen regionaler wirtschaftlicher Integration am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) in Bonn.
Die Europäische Union will seit Jahren ihre Handelsbeziehungen zu den Ländern der AKP-Gruppe (Afrika, Karibik, Pazifik) auf eine neue Grundlage stellen und sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit einzelnen Regionen schließen. Statt mit der gesamten Ostafrikanischen Gemeinschaft gibt es jetzt aber erst einmal nur ein bilaterales Abkommen mit Kenia. Warum?
Die Verhandlungen über ein EPA mit den damals fünf Mitgliedern der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) Burundi, Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda wurden zwar bereits im Oktober 2014 abgeschlossen, ratifiziert hat es bislang aber nur Kenia. Um den ins Stocken geratenen Prozess wiederzubeleben, haben sich die EAC-Staaten deshalb im Februar darauf verständigt, dass das Abkommen zunächst auch nur zwischen der EU und einzelnen EAC-Ländern umgesetzt werden kann. Die EU hat dem im Juni zugestimmt.

Warum sind die anderen Länder der EAC nicht interessiert?
Das EPA verlangt, dass auch die EAC-Staaten Zölle auf EU-Importe abbauen. Da jedoch alle EAC-Staaten bis auf Kenia aufgrund ihres niedrigen Entwicklungsstatus jetzt schon zoll- und quotenfreien Marktzugang zur EU erhalten, haben sie wenig Interesse an einem reziproken Handelsabkommen. Sie fürchten vor allem, dass ihre Agrarmärkte mit EU-Importen geflutet beziehungsweise eigene Bemühungen zum Aufbau von Industrien im Keim erstickt werden könnten.

Und welche Vorteile erwartet Kenia von einem Abkommen mit der EU?
Als Land mit mittlerem Einkommen droht Kenia, dass es seinen bislang noch übergangsweise zugesagten zollfreien Zugang zum EU-Markt verliert. Das EPA schafft hier langfristige Sicherheit. Zudem sind die EPAs keine bloßen Handelsabkommen, sondern sollen auch die wirtschaftliche Entwicklung in den AKP-Staaten fördern, unter anderem durch günstigeren Zugang zu industriellen Vorprodukten aus der EU und handelsbezogener Entwicklungszusammenarbeit.

Wie könnte sich ein Abkommen zwischen der EU und Kenia auf die Ostafrikanische Gemeinschaft auswirken?
Die EAC ist bereits zu einem gemeinsamen Markt mit formal einheitlichen Außenzöllen integriert. Wenn nur Kenia die Zölle gegenüber der EU liberalisiert, dann könnte es zum Einfallstor für EU-Waren in die EAC werden. Die Gemeinschaft hat zwar Ursprungsregeln, die das verhindern sollen, indem sie definieren, unter welchen Bedingungen Güter für den Handel innerhalb der EAC von Zöllen befreit sind. Diese Regeln müssten aber eventuell angepasst werden. Das könnte handelspolitische Kapazitäten binden, die besser für die Umsetzung der neu geschaffenen Afrikanischen Freihandelszone eingesetzt werden könnten. Hinzu kommt, dass über ein Abkommen nur mit Kenia gerade das Land der EAC weiter „gefördert“ würde, das in der Region ohnehin wirtschaftlich am weitesten entwickelt ist. Das dürfte die Kluft und damit auch das Konfliktpotenzial zwischen den EAC-Mitgliedern weiter vergrößern. Schon heute missgönnen sich die EAC-Staaten untereinander wirtschaftlichen Erfolg, und Handelskonflikte flammen immer wieder auf.

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.

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