Die schwierige Sicherheits- und humanitäre Lage in Afghanistan. [Anmerkung d. Redaktion: Das Gespräch wurde vor der Machtübernahme der Taliban geführt] Erst kürzlich gab es einen Bombenanschlag auf eine Mädchenschule in Kabul. 76 Mädchen starben und mehr als 200 wurden schwer verletzt. Wir mobilisieren für die betroffenen Familien dringend benötigte Hilfe. Gleichzeitig hat die indische Corona-Variante das Land erreicht. Geflüchtete und sehr arme Menschen haben in ihren engen Unterkünften nicht die Möglichkeit, sich zu schützen. An sie verteilen wir Seife, Masken, Aufklärungsmaterialien. Langfristig unterhalten wir einige Schulen, Basisgesundheitsstationen, Schneiderausbildungsstätten und Brunnenprojekte.
Wie funktioniert Ausbildungsunterstützung jetzt?
Digitaler Unterricht kommt in Afghanistan nicht infrage, in den ländlichen Gebieten gibt es kaum zuverlässig Strom. Damit die Schülerinnen und Schüler sich trotz Lockdowns auf ihre Prüfungen vorbereiten können, entwickeln wir Frage-Antwort-Hefte, mit denen sie zu Hause arbeiten können.
Wie wirkt sich der Abzug der Nato-Soldaten auf Ihre Arbeit aus?
Das Ringen der militanten Gruppierungen im Land und der Mangel an Sicherheit machen die Arbeit schwerer und gefährlicher. Meine 180 Kolleginnen und Kollegen in Afghanistan wissen morgens nicht, ob sie abends wieder heil bei ihren Familien sein können. Was uns hilft, ist die Rückdeckung der Dorfgemeinschaften, in denen wir tätig sind. Sie helfen uns auch bei schwierigen Verhandlungen, zum Beispiel mit den Taliban.
Wie beurteilen Sie die Aussichten, errungene Fortschritte bewahren zu können?
Dort, wo die Taliban bereits an der Macht sind, nehmen sie in den Schulen Einfluss auf die Kleiderordnung, sie fordern eine strikte Trennung der Geschlechter und auch der Lehrplan ist konservativer. Aber in Versammlungen der Schulleiter erklären sie, dass der Unterricht auch für Mädchen weitergehen soll. Das lässt hoffen, dass selbst die Taliban das Rad nicht mehr komplett zurückdrehen können – aber die Angst und Unsicherheit, gerade unter Mädchen und Frauen bleibt groß.
Wie sind Sie zum Afghanischen Frauenverein gekommen?
Ich wollte schon als Jugendliche in der Entwicklungszusammenarbeit mitwirken. Deshalb habe ich ein Medizinstudium begonnen, merkte aber schnell, dass mir das nicht lag. Ich habe dann Germanistik und Romanistik studiert, meine Magisterarbeit im Senegal über die frankophone Literatur Afrikas geschrieben und ein journalistisches Aufbaustudium angeschlossen. Dann habe ich 18 Jahre in der Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet. Im Afghanischen Frauenverein war ich parallel viele Jahre ehrenamtlich tätig, bevor ich im Mai dessen hauptamtliche Geschäftsführerin wurde.
Das Gespräch führte Barbara Erbe.
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