Als Begründung für den 20-jährigen Militäreinsatz westlicher Staaten in Afghanistan wird neben dem Kampf gegen den Terrorismus immer auch der Einsatz für die (Menschen-) Rechte von Frauen und Mädchen in dem südasiatischen Land genannt. So sollen Mädchen zur Schule gehen, erwachsene Frauen arbeiten und sich frei bewegen dürfen, ferner sollen Frauen wie Männer in die Friedensgespräche mit den Taliban eingebunden werden. In letzter Zeit allerdings äußern auch westliche Diplomaten häufiger die Ansicht, dass Frauenrechte zwar nach wie vor wichtig seien, aber keineswegs ein Friedensabkommen mit den Taliban gefährden dürften. Sie berufen sich unter anderem darauf, dass Frauen, die sich für ihre Rechte stark machten, hauptsächlich städtischen, privilegierten Schichten entstammten, Frauen in ländlichen Regionen dagegen meist den Frieden höher schätzten als ihre Rechte.
Dass das so nicht stimmt, zeigt die von Martine van Bijlerts für das Afghanistan Analysts Network veröffentlichte Befragung „Between Hope and Fear: Rural Afghan Women Talk About Peace and War“. Ausführlich persönlich befragt wurden 23 Frauen verschiedenen Alters und Familienstands aus diversen ländlichen Provinzen Afghanistans – teils auch aus sehr abgelegenen und konservativen Regionen.
Hoffnung auf ein Ende des Krieges, Angst vor neuen Einschränkungen
Insgesamt, so die Studie, schienen die Frauen über den Friedensprozess und die Sicherheitslage im Land gut informiert. Sicherheitsrisiken, örtliche Bräuche und auch Anweisungen der Taliban haben für die meisten Frauen zur Folge, dass sie ihr Haus nur noch in seltenen Fällen verlassen, beispielsweise für Hochzeiten, Totenwachen, Familien- oder Krankenhausbesuche. Alle befragten Frauen hatten mindestens ein Familienmitglied im Krieg verloren, etwa bei einem Luftangriff oder bei Angriffen der Taliban, und einige waren aus Sicherheitsgründen aus ihrem Dorf geflohen. Einige berichteten, dass der Krieg und die schlechte wirtschaftliche Lage in ihren Familien zu häuslicher Gewalt führten.
Das Friedensabkommen der USA mit den Taliban hat bei den meisten Befragten sowohl Hoffnungen als auch Ängste ausgelöst: Hoffnung darauf, dass der Krieg endet, das Land sicherer und die wirtschaftliche Lage besser wird, und Angst davor, als Frauen oder Mädchen im Alltag wieder stärker eingeschränkt zu werden, zum Beispiel nicht mehr selbst produzierte Waren verkaufen oder nicht mehr an einer Schule lernen zu dürfen. Die Interviews zeigen darüber hinaus, dass soziale Errungenschaften für Frauen regional sehr unterschiedlich sind – dass aber auch Frauen aus sehr konservativen Regionen dringend daran gelegen ist, sich freier bewegen, bilden und mit anderen austauschen zu dürfen. Der Drang nach Freiheit lebt eben nicht nur in gut vernetzten, städtisch lebenden Frauen, sondern ganz genauso in denen, die auf dem Land ihre Frau stehen.
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