Die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Bhutan begann Anfang der 1980er Jahre, seit 1992 ist die Austrian Development Agency (ADA) mit einem Büro in der Hauptstadt Thimphu vertreten. Bhutan ist das einzige asiatische Land, das zu den Schwerpunktländern der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit zählt. Ende 2023 soll es diesen Status verlieren, weil es „als Ergebnis seiner erfolgreichen sozioökonomischen Entwicklung“ in diesem Jahr voraussichtlich in die Kategorie der Länder mit mittlerem Einkommen aufsteigt, erklärt die ADA. Im Jahr 2012 hatte sich Österreich bereits aus Nicaragua zurückgezogen, dem einzigen Schwerpunktland in Lateinamerika. Alle anderen Schwerpunktländer, mit denen die Zusammenarbeit besonders intensiv ist, liegen in Afrika.
Die Zusammenarbeit mit dem gebirgigen Königreich hatte schon in den 1960er Jahren begonnen, als Österreich einige Anzahl geländegängige Haflinger-Militärfahrzeuge lieferte. Die beiden Länder entdeckten zahlreiche Gemeinsamkeiten, etwa die große Bedeutung der Forstwirtschaft und des Tourismus als Devisenbringer. Österreich hat bhutanische Ingenieure als Forstwirtschaftler ausgebildet, zur Sanierung und Erhaltung alter Klöster beigetragen und den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen unterstützt.
Frauen und Kinder erhalten Zugang zum Rechtssystem.
Sanfter Tourismus: Von Salzburg nach Bhutan
So hat Österreich den Bau von Gerichtshöfen und die Ausbildung von Richterinnen und Richtern sowie von Gerichtsdienerinnen und Gerichtsdienern gefördert. Außerdem hat die ADA den Aufbau der ersten Rechtsfakultät Bhutans unterstützt, der Jigme Singye Wangchuck School of Law. Ende 2019 ist das bislang größte Projekt im Rechtssektor angelaufen, das Frauen, Kindern und Menschen mit Behinderungen einen besseren Zugang zu Rechtsberatung und anderen Dienstleistungen im Justizsektor ermöglichen soll. Zielgruppe sind Beamte des Justizsektors, die im Umgang mit der Klientel geschult werden. Gebäude werden barrierefrei und erdbebensicher gemacht.
Der Tourismus ist zu einem wichtigen Standbein des Landes geworden, das sich dem „Bruttonationalglück“ verschrieben hat, also Entwicklung nicht in rein ökonomischen Maßzahlen messen will. In dieses Konzept passt auch der sanfte Tourismus, dessen Wachstum begrenzt ist, weil Reisen über staatliche Agenturen gebucht werden müssen und auf diese Weise die Zahl der Touristen kontrolliert wird. Österreichs Beitrag war zwischen 2010 und 2016 die Ausbildung von Tourismusfachkräften in einer modern ausgestatteten Tourismusfachschule. Darüber hinaus hat das international ausgerichtete Institute of Tourism and Hotel Management in Salzburg seit den 1970er Jahren mehr als 70 Fachkräfte aus Bhutan geschult.
Österreich ist zweitwichtigster Geber im Energiesektor
Was das Land aber wahrscheinlich am meisten verändert hat, ist Österreichs Beitrag zur Elektrifizierung. Schon 1986 war die Regierung von Bhutan an Österreich herangetreten, den wenig entwickelten Osten des Landes mit Wasserkraft zu versorgen. Seither wurden mit Hilfe aus Wien drei von österreichischen Unternehmen entworfene Kraftwerke gebaut, die als Laufwasserkraftwerke ohne Dämme und Stauseen auskommen und daher weder große Umweltprobleme geschaffen haben, noch mussten Teile der Bevölkerung umgesiedelt werden. Nur einige Landeigentümer mussten entschädigt werden. Bemerkenswert ist, dass die Kraftwerksbauten im Stil der traditionellen bhutanischen Architektur errichtet wurden und sich relativ harmonisch in die Landschaft einpassen.
Allein in den Energiesektor in Bhutan hat Österreich seit 1992 fast 20 Millionen Euro investiert. Das ist damit das größte einzelne Entwicklungsprojekt Österreichs. Von 1993 bis 1997 wurden mehrere Bhutaner als Wasserkraftingenieure in Österreich ausgebildet. Sie leiten heute die Kraftwerke oder nehmen dort führende Positionen ein. 1997 wurde der Grundstein für das zweistufige Basochhu-Kraftwerk mit Blöcken von 24 und 40 Megawatt Leistung gelegt. Auch der Bau des Wasserkraftwerks Dagachhu mit 128 Megawatt wurde durch österreichische Expertise und eine Kreditfinanzierung unterstützt. Darüber hinaus hat Österreich eine Initiative der Regierung Bhutans zur Elektrifizierung des ländlichen Raums gefördert, von der laut ADA mehr als 2350 Haushalte profitiert haben.
Österreich ist nach Indien Bhutans wichtigster Geber im Energiesektor. Das Königreich produziert heute weit mehr Energie, als es verbraucht. Der Export von Strom aus Wasserkraft macht rund ein Drittel der bhutanischen Staatseinnahmen aus.
Da das Königreich in einer seismisch sehr aktiven Zone liegt, droht ständig Gefahr für die Kraftwerke. Auswirkungen des Klimawandels wie die Gletscherschmelze bedrohen Bhutans sensible Umwelt zusätzlich. Im Auftrag der bhutanischen Regierung und zusammen mit der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt eine österreichische Unternehmensgruppe die Verbesserung der Sicherheit von Wasserkraftwerken.
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