Drei Tage vor Anpfiff des Endspiels der Fußball-Europameisterschaft verkündete das Auswärtige Amt der Schweiz (EDA) am 8. Juli die Gründung des unabhängigen Zentrums für Sport und Menschenrechte (Centre for Sports and Human Rights, CSHR). Es geht aus einer seit 2018 arbeitenden Tochtergesellschaft des Institute for Human Rights and Business hervor und soll Menschenrechtsverletzungen in Verbindung mit sportlichen Großanlässen verhindern helfen und dafür sorgen, dass von Menschenrechtsverletzungen betroffene Arbeitskräfte, Athletinnen und Athleten, Fans oder Medienschaffende Abhilfe erhalten.
Als Sitz von mehr als 70 internationalen Sportverbänden habe die Schweiz „ein großes Interesse an der Einhaltung der Menschenrechte in der Welt des Sports“, schreibt das EDA auf Anfrage. Das CSHR diene als Plattform für Fachwissen und Beratung für Sportverbände, Gewerkschaften, Sponsoren sowie Länder und Städte, die sportliche Großanlässe durchführen. Das EDA ist eines von sieben Mitgliedern im Aufsichtsrat des CSHR, außerdem dabei sind unter anderem Human Rights Watch und der Internationale Gewerkschaftsbund.
Amnesty International ist Mitglied im Beirat
Wie das CSHR mit einem gegenwärtig 20-köpfigen Team und einem jährlichen Budget von 1,8 Millionen Franken diese Ziele umsetzen soll, ist Teil der Strategie 2021 bis 2025, die derzeit finalisiert wird. „Wir können nicht jedes Menschenrechtsthema bei jeder Sportveranstaltung angehen“, räumt William Rook, stellvertretender Geschäftsführer des CSHR, auf Anfrage ein. Das Zentrum werde sich deshalb auf die Anlässe „mit den größten Risiken konzentrieren“ und versuchen, die Bedingungen zu beeinflussen, unter denen sie vergeben werden.
Amnesty International ist eines von mehr als 40 Mitgliedern des Beirats. Die Organisation unterstütze die Ziele der CSHR, schreibt Anita Streule von der Schweizer Sektion der Menschenrechtsorganisation. Sportverbände trügen eine Verantwortung, die Menschenrechte bei ihrer Tätigkeit zu respektieren. Außerdem berge der Sport ein großes Potenzial, Veränderungen zum Guten im Bereich der Menschenrechte voranzutreiben.
Prekäre Arbeitsbedingungen in Katar, Austragungsort der Fußbball-WM 2022
Amnesty weist seit der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2022 an Katar auf die prekären Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigranten und -migrantinnen hin. Bei der Vergabe der WM an Katar habe die FIFA ihre Sorgfaltspflicht nicht erfüllt, schreibt Anita Streule. Seitdem seien arbeitsrechtliche Reformen eingeführt – auch aufgrund der Gespräche, die das CSHR und die FIFA mit den WM-Organisatoren in Katar geführt haben, betont das EDA. Amnesty werde jedoch die WM 2022 weiterhin nutzen, um auf Verbesserungen zu drängen, so Streule. Viele Arbeiterinnen und Arbeiter seien dort immer noch unter sehr schwierigen Bedingungen tätig.
Das CSHR erkennt, dass in Katar weiterhin Probleme bei den Arbeitsrechten bestehen. Laut William Rook sollte dennoch jedes Land die Gelegenheit erhalten, sich um Großveranstaltungen zu bewerben. „Viele der Veränderungen, die wir in Katar gesehen haben, wären ohne die Weltmeisterschaft nicht eingetreten“, sagt Rook.
In der EDA-Medienmitteilung wurde die FIFA als ein Beispiel der Arbeit des CSHR genannt: Die FIFA sei der erste Sportverband, der bei Bewerbungsverfahren von Durchführungsorten die Menschenrechte berücksichtigt, die Vorläuferorganisation des CSHR habe die FIFA dabei unterstützt. Gemäß einem FIFA-Sprecher am Hauptsitz in Zürich werden „weitreichende Menschenrechtskriterien in die Vergabeprozesse für Turniere“ aufgenommen. Bewerber müssten unabhängige Menschenrechtsanalysen erstellen lassen, eine Menschenrechtsstrategie für die Durchführung eines Anlasses erarbeiten und „spezifische Garantien etwa im Bereich der Arbeitsrechte“ abgeben, die in die Beurteilung einer Bewerbung einfließen. Diese Kriterien gelten mit der Vergabe der Männer-Weltmeisterschaften 2026 an Kanada, die USA und Mexiko.
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