Von Affen, Klassenstrebern und Corona-Impfstoffen

Reife Leistung

Manche Menschen machen sich gern zum Affen, heißt es. Wie unfair diese Redensart gegenüber unseren behaarten Verwandten ist, lässt sich an der Debatte um eine Freigabe der Patente für Corona-Impfstoffe zeigen. Forscher der Universität Tübingen haben unlängst herausgefunden, dass Menschenaffen unfähig sind, voneinander zu lernen und ihr Verhalten gegenseitig zu kopieren. Sie sind darauf angewiesen, „das sprichwörtliche Rad immer wieder neu zu erfinden“, sagt einer der beteiligten Wissenschaftler. Und das Rad sieht immer wieder gleich aus. 

Besonders effizient ist das nicht, aber die Affen können halt nicht anders. Der Mensch schon, theoretisch zumindest. Aber wer kennt ihn nicht aus der Schulzeit, den Klassenstreber, der einen bei der Mathearbeit nie hat abschreiben oder morgens vor der ersten Stunde noch schnell die Hausaufgaben kopieren lassen. Der stattdessen geizig auf seinem Wissen hockte und niemand anderen daran teilhaben ließ, obwohl ihm persönlich das gar nicht zum Nachteil gereicht hätte, während es für die Allgemeinheit sogar von Vorteil gewesen wäre – etwa in Form eines höheren Notendurchschnitts der Klasse mit entsprechend zufriedenem Lehrer, der dieses Glück dann vielleicht als gute Laune mit nach Hause zu Frau und Kindern getragen hätte.

So ähnlich ist das bei den Impfstoffen. Da hocken die Pharmakonzerne wie der Klassenstreber von früher auf ihren Patenten, auf dass ihnen niemand in die Baupläne ihrer mit öffentlichen Forschungsgeldern finanzierten Arzneien schaue und ihre Milliardenprofite schmälere. Dabei weiß jeder: Das Virus würde schneller besiegt, würde auch südlich des Mittelmeeres und des Rio Grande mehr und schneller geimpft, wozu die Freigabe der Patente einen Beitrag leisten könnte. Der Mensch macht sich zum Affen? Die Affen wollen vielleicht gern anders, können aber nicht. Der Mensch könnte anders, will aber nicht.

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Nun, leider ist es ja so, dass sowohl dem Klassenstreber als auch dem Pharmakonzern das freigiebige Teilen des Wissens, im Sinne des kapitalistischen Konkurrenzdenkens zum Nachteil gereicht. Der Klassenstreber verliert vielleicht "nur" eine herausragende Position in der Wissenskonkurrenz, der Pharmakonzern verliert mit Freigabe der Patente saftige Profite. Sicherlich die schnelle Eindämmung der Pandemie käme auch der globalisierten Wirtschaft zu Gute, aber nicht unbedingt dem Pharmakonzern im Speziellen. Was für die Menschheit gut ist, ist eben schlecht für Profitgier, noch schlechter aber ist, dass die Menschen das immer noch nicht begreifen wollen. Der fast schon religiöse Glaube an kapitalistische Verhältnisse verhindert die Einsicht, dass eine Patentfreigabe für alle Menschen ein Schritt in die richtige Richtung wäre.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2021: Entwicklung wohin?
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