Klimaschutzaktivistinnen haben beide Urteile als Durchbruch gefeiert. Problematische Aspekte wurden dabei ausgeblendet. Dabei verweisen gerade die auf die längerfristige Bedeutung beider Urteilssprüche. An der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist schwierig, dass es sich stark in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers einmischt und damit seine Kompetenzen überschreitet. Das Gericht schaut in die Zukunft und maßt sich an einzuschätzen, ob eine bestimmte Politik in den kommenden Jahrzehnten ein bestimmtes Ziel erreichen wird oder nicht und wie stark sie Grundrechte einschränken wird. Am Urteil gegen Shell ist heikel, dass mit dem Unternehmen letztlich auch seine Kundinnen und Kunden auf der Anklagebank saßen, die täglich ihre Autos mit Shell-Benzin füllen. Denn eigentlich lautet das Urteil: Fahrt weniger Auto! Aber das trauen sich ja selbst die Grünen hierzulande kaum noch derart deutlich zu sagen.
Wie die Made im fossilen Speck leben
Dabei geht es genau darum: Für einen Umbau der reichen Länder des Nordens zu einer klimafreundlichen Wirtschafts- und Lebensweise müssen viele Dinge anders und manches in Zukunft wohl auch verboten werden. Solange es erlaubt ist, wie die Made im fossilen Speck zu leben, ist Shell kein Vorwurf zu machen, dass es damit Geld verdient. Soll sich wirklich etwas ändern, dann muss es nicht bloß als uncool gelten, mit dicken Autos durch verstopfte Innenstädte zu kurven, sondern als illegitim. Und irgendwann muss es illegal sein. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts heißt es: „Künftig können selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.“
Vielleicht werden die beiden Urteile in Zukunft einmal als frühe Schritte auf dem langen Weg gewertet, auf dem ein Leben auf Kosten unseres Lebensraums zunächst als moralisch inakzeptabel geächtet und am Ende schlichtweg untersagt wurde.
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