Strafanzeige gegen Niebel

Nutzt Entwicklungsminister Dirk Niebel seine Position, Parteifreunde mit Jobs zu versorgen, darunter hochdotierte Leitungsposten? Die Opposition vermutet das – und als neuester Beleg dient ihr die Entscheidung des Ministers, die Leitung der neuen Servicestelle für bürgerschaftliches und kommunales Engagement in Bonn mit einer früheren FDP-Bürgermeisterin zu besetzen. Der SPD-Entwicklungspolitiker Sascha Raabe hat Strafanzeige gegen Niebel gestellt.

Den Zuschlag für die Leitung von„Engagement Global“ erhielt Gabriela Büssemaker, bis 2011 Oberbürgermeisterin im baden-württembergischen Ettlingen. Für die Opposition brachte diese Personalie das Fass endgültig zum Überlaufen. Sie erwirkte Ende Januar zu den jüngsten Stellenbesetzungen im BMZ eine Aktuelle Stunde im Bundestag, in deren Mittelpunkt der Fall Büssemaker stand. Die Opposition vermutet, das Auswahlverfahren für die Leitung der neuen Servicestelle mit immerhin 133 Bewerbern sei nur„zum Schein“ erfolgt. Das legten Interview-Äußerungen der früheren Ettlinger FDP-Oberbürgermeisterin vom Oktober 2011 nahe. Gabriela Büssemaker hatte in eigener Sache von einem„künftigen Job“ gesprochen, der schon „in trockenen Tüchern“ sei, bevor das Auswahlverfahren (Kosten: 60.000 Euro) überhaupt begonnen hatte. Minister Niebel wies den Verdacht während der Aktuellen Stunde zurück: Er habe Frau Büssemaker erst kurz vor Jahresende aus einer Endauswahl von drei Bewerbern als die Beste auserkoren. Die Opposition mag daran nicht glauben: Sascha Raabe hat wegen des Verdachts der Untreue im Umgang mit Steuergeldern Strafanzeige gegen den Minister gestellt.

Neue Abteilungen für mehr„Effektivität und Effizienz“

Damit bekommen die Querelen um Niebels Personalpolitik eine neue Qualität. Am Anfang des Streits steht eine BMZ-Hausmitteilung vom 13. Dezember 2011: Bereits am 15. Dezember werde das Ministerium um eine neue Abteilung „Planung und Kommunikation“(P+K) mit zwei Unterabteilungen bereichert. Eine weitere Unterabteilung für die politische Steuerung der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit werde an die bestehende Abteilung 2 (Asien, Lateinamerika, Good Governance, Menschenrechte und Grundsatzfragen) angedockt. Auch die Zahl der nachgeordneten Referate wächst. Die Reorganisation diene der „Steigerung von Effektivität und Effizienz“,heißt es in der Mitteilung.

Autor

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

Mit dem Um- und Ausbau gehen Personalrochaden einher. So wird Friedel Eggelmeyer, der bisherige Chef der Abteilung 4 (die unter anderem für Frieden und Sicherheit, multilaterale Hilfe und Handel zuständig ist), die neue Abteilung P+K leiten. Als Leiter von deren Unterabteilung Kommunikation soll der bisherige Pressechef Rolf Steltemeier einrücken. Er soll sich unter anderem um mehr Internetpräsenz und „Bürgerkommunikation“kümmern. Neue Leiterin der Abteilung 4 wird Uta Böllhoff, die bis jetzt in Diensten der Unternehmensberatung McKinsey stand und dort vor allem mit dem Thema Wirtschaftsentwicklung befasst war. Auch die Leitung der Personalabteilung wurde mit Ulrich van Bebber neu besetzt.

Allen diesen Neubesetzungen ist gemeinsam, dass sie, so wie Gabriela Büssemaker, ein FDP-Parteibuch haben. Das hat nicht nur bei der Opposition Unmut hervorgerufen, sondern auch beim Koalitionspartner CDU/CSU. Dort sieht man sich wieder einmal zu kurz gekommen und ärgert sich über selbstherrliche Politik. So groß ist der Unmut, dass die Unionspolitikerin Sibylle Pfeiffer für die CDU/ CSU-Arbeitsgruppe Entwicklungspolitik sogar bei der Kanzlerin vorstellig wurde. In einem ausführlichen Brief beklagte sie Minister Niebels Alleingänge ohne Koalitionsabstimmung. Erst bei der Ausgliederung der BMZNothilfe ins Auswärtige Amt vor kurzem habe man einen solchen Durchmarsch schlucken müssen (siehe welt-sichten 12/2011-1/2012, S. 71).

Pfeiffer äußerte den Verdacht, das alles diene der „Förderung FDP-naher Personen“, fachliche Eignung spiele eine „untergeordnete Rolle“. Zudem werde das BMZ offenbar zugunsten von Auswärtigem Amt und Wirtschaftsministerium in seinen Zuständigkeiten beschnitten und letztlich geschwächt. Tatsächlich geht das Gerücht, das BMZ wolle demnächst seine Zuständigkeiten für die Schwellenländer ans Wirtschaftsministerium abgeben. Das Ministerium dementiert das und weist darauf hin, es hätte dann doch kaum erst kürzlich ein Konzept für die (dort als „globale Entwicklungspartner“ bezeichneten) Schwellenländer entwickelt.

Der Personalrat klagt, es würden nur „Häuptlinge gekrönt“

Zur Personalpolitik indes erhob der BMZ-Personalrat ganz ähnliche Vorwürfe wie Frau Pfeiffer. Die Leitung verfolge ein „Aufblähungskonzept“, heißt es in seinem jüngsten Halbjahresbericht. Statt die einzelnen Fachreferate des Hauses besser auszustatten, würden überwiegend „Häuptlinge gekrönt“. Für ein „Aufpumpen der Strukturen“ bestehe aber kein Spielraum. Vorschläge, die der Personalrat gemacht habe, seien nicht befolgt worden. Noch sehr viel schärfer wird ein anonymes Insider-Papier aus dem Haus. Viele Besetzungen erfolgten unter klarer Missachtung der üblichen Anforderungsprofile bei Einstellungen und teils ganz ohne Auswahlverfahren, heißt es darin, unterfüttert mit zahlreichen Details. Auch hierbei handele es sich regelmäßig um FDP-Leute. Der Personalrat wittert in der neuen Abteilung P+K gar schon eine „Kampa“ für den Bundestagswahlkampf 2013.

Im BMZ sieht man den jüngsten Aus- und Umbau ganz anders. Mit den nunmehr fünf Abteilungsleitern, von denen nur einer, Friedrich Kitschelt, der Union angehört, sei man bestens aufgestellt. Namentlich Frau Böllhoff bringe mit ihrem „Wirtschaftshintergrund“ einen „weiteren wichtigen Erfahrungsschatz in die Arbeit des Ministeriums ein“. Die neue Abteilung P+K und die neuen Unterabteilungen stärkten zudem die politische Steuerungsfähigkeit des Ministeriums, gerade auch gegenüber den Durchführungsorganisationen KfW-Entwicklungsbank und Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Das sei allseits gewünscht und keineswegs neu.

Ebenfalls nicht neu ist, dass es einen Personalaufwuchs im BMZ geben soll. Durch die Fusion dreier Organisationen zur GIZ Ende 2010 sollen dort rund 700 Stellen eingespart werden. Im Gegenzug soll das BMZ im kommenden Jahr 182 neue Stellen erhalten; 2013 sollen noch einmal knapp 30 hinzukommen. Für diese Leute braucht es neue Stühle, auch wenn rund 65 Stellen im BMZ bislang GIZ-Mitarbeiter innehatten, die man – dann auf BMZ-Gehaltsliste – weiter beschäftigen möchte. Grundsätzlich sei in den laufenden Auswahlverfahren allein die Eignung maßgebend, nicht Parteizugehörigkeiten, versichert die BMZ-Leitung. Neubesetzungen in Leitungspositionen mit eigenen Leuten seien im Übrigen nach einem Regierungswechsel normal. Auch die Vorgänger-Regierung sei da alles andere als zimperlich gewesen.

Beim Beschäftigtenverband ist von „Klientelpolitik“ die Rede

Das ist zwar richtig, allerdings irritiert der Umfang. Im BMZ lassen sich inzwischen mindestens ein Dutzend Stellenbesetzungen mit FDP-Hintergrund ausmachen; Oppositionsabgeordnete kommen gar auf über 20. Der Vorsitzende des Verbandes der Beschäftigten der Obersten und Oberen Bundesbehörden (VBOB), Ulrich Benra, konstatierte gegenüber dem ARD-Magazin Report München eine offensichtlich forcierte „Klientelpolitik für eigene Parteileute“. Das Magazin zitiert ferner aus einem internen Strategiepapier der FDP aus der Zeit der Koalitionsverhandlungen. Inhalt: Gerade im BMZ bestehe die Chance, zahlreiche Stellen mit FDP-Personal zu besetzen.

Die Opposition schäumt. Sascha Raabe, entwicklungspolitischer Vormann der SPD im Bundestag, spricht von Vetternwirtschaft. Das Ministerium verkomme zum „Auffangbecken für eine Partei im Niedergang“, sagte Ute Koczy von den Grünen. Sie bezweifelt, dass die BMZ-Führung bei diesem Stellenaus- und -umbau Eignungskriterien anlegt, die der entwicklungspolitischen Sache dienen: „Das Ministerium wächst in die Breite statt von unten nach oben.“ Die Einrichtung zusätzlicher Stellen orientiere sich nicht an drängenden Entwicklungsfragen wie etwa der Klima- und Hungerbekämpfung. Geschaffen werde „ein Haufen Luftreferate“ mit PR-Charakter.

Derweil ist der Koalitionspartner CDU/CSU nach dem heftigen Vorpreschen der Kollegin Pfeiffer bemüht, den Ball flacher zu halten. „Strukturangelegenheiten“ lägen nun einmal in der „Entscheidungshoheit“ des Ministers. Man möge nicht nur über Personalien, sondern auch endlich wieder über entwicklungspolitische Inhalte reden. Differenzen werde man „intern“ klären. Eine kleine Spitze mochte sich Christian Ruck, Fraktionsvize und langjähriger Entwicklungspolitiker der Union, dennoch nicht verkneifen. Einen „Ehrenkodex“ für Besetzungen im BMZ zu entwickeln, fand er, wäre doch eine gute Sache.

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