Anfang Dezember meldeten die Chefunterhändler, EU-Entwicklungskommissarin Jutta Urpilainen und der togolesische Außenminister Robert Dussey, eine politische Einigung. Allerdings muss der Text noch von beiden Seiten formell angenommen werden. Deshalb wurde das 20 Jahre alte Cotonou-Abkommen bis Ende November 2021 verlängert; es wäre eigentlich im Februar 2020 abgelaufen. Offen ist, ob am Ende neben den 27 EU-Staaten alle 79 Mitglieder der Organisation Afrikanischer, Pazifischer und Karibischer Staaten dabei sein werden oder Kuba wie derzeit außen vor bleibt.
Das neue Abkommen ist nach dem Willen der Europäer strukturiert: Es enthält einen für alle geltenden Grundlagenteil sowie drei Protokolle – diese buchstabieren jeweils die Beziehungen der EU zu den einzelnen AKP-Regionen aus. Der Grundlagenteil enthält sechs Schwerpunkte: Menschenrechte, Demokratie und gute Regierungsführung; Frieden und Sicherheit; menschliche und soziale Entwicklung; ökologische Nachhaltigkeit und Klimawandel; inklusives nachhaltiges Wirtschaftswachstum und inklusive nachhaltige Entwicklung sowie Migration und Mobilität.
Sowohl die EU als auch die AKP-Gruppe versprechen sich von dem Vertrag unter anderem eine größere Schlagkraft auf globaler Ebene, die sich schon beim Pariser Klimaabkommen gezeigt habe. Nun werde der Ansatz institutionalisiert, Allianzen zwischen EU und AKP und darüber hinaus mit weiteren Ländern zu schmieden, erklärt Botschafter David A. Hales aus Guyana, Vize der zentralen AKP-Verhandlungsgruppe auf Botschafterebene. Die Klimapolitik verdeutlicht zudem den Regionalansatz: So ist die Anfälligkeit von Inseln für Klimawandelfolgen ein wichtiges Thema in den Protokollen für die karibische und für die pazifische Region, heißt es von der EU.
Gestritten wurde über die „Rücknahme“ von Migranten
Wichtigstes Thema aus EU-Sicht mit Blick auf Afrika dürfte die Migrationspolitik sein, wobei deren Weichen bereits im Grundlagenteil gestellt werden. Ein großer Streitpunkt war die Rückübernahme. Vereinbart wurde „eine Verpflichtung der Partnerländer, ihre Staatsangehörigen, die sich illegal in anderen Ländern aufhalten, ohne Konditionalität zurückzunehmen“, erklärt der Diplomat eines EU-Mitgliedstaates. Dies sei ein Erfolg der EU, weil die AKP sich dagegen lange gewehrt habe. AKP-Diplomat Hales spricht von einem „einwanderungsfeindlichen Klima in Europa“. So habe es keinen Durchbruch bei der legalen Migration gegeben. Man habe lediglich Erleichterungen für Kurzzeitaufenthalte von Schülern oder Studenten erreicht.
Ein weiterer Knackpunkt war der Umgang mit sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität. Die EU wollte das ausdrücklich im Vertragstext erwähnen, doch die AKP-Staaten sperrten sich. In einigen AKP-Ländern seien „manche Dinge kulturell gesehen rote Linien“, erklärt Botschafter Hales. Letztlich werde nun nur implizit auf das Thema Bezug genommen, erläutert der EU-Diplomat. Einen Kompromiss gab es ihm zufolge beim verwandten Thema sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, das aber ausdrücklich erwähnt werde. Als Erfolg der AKP wertet Hales die neuen Bestimmungen für Sanktionen, wenn ein Land mutmaßlich gegen das Abkommen verstößt. Sie setzten auf einen kooperativeren Ansatz als bisher im Cotonou-Abkommen.
Lob vom deutschen Entwicklungsminister
Den mit dem neuen Vertrag zusammenhängenden Rahmen für die Entwicklungsfinanzierung hat die EU unterdessen gegen den Willen der AKP-Staaten geändert. Der für sie reservierte Europäische Entwicklungsfonds wurde aufgelöst. Stattdessen erhalten sie nun Geld aus dem neuen Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (siehe Kasten). Während dort keine Beträge für die AKP als solche vorgemerkt sind, wird dem neuen Vertrag eine Erklärung beigefügt. Darin bekräftige die EU ihre Zusage, „weiterhin Entwicklungszusammenarbeit zu leisten und sich an den Kosten für die gemeinsamen Institutionen dieses Abkommens zu beteiligen“, so der europäische Diplomat.
EU-Entwicklungshaushalt steht
Vor rund drei Jahren hatte die EU-Kommission zusammen mit ihren Plänen für den Haushalt 2021-2027 das neue Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit ( ...
Auch Pedro Morazán vom Südwind-Institut vermisst Bestimmungen zum Handel, der in den früheren Abkommen zwischen EU und AKP zentral gewesen sei. Für die – an sich sinnvolle – Kooperation etwa beim Klimaschutz brauche man den Vertrag nicht, so der Entwicklungsexperte. Themen wie Migration hätte man dagegen umfassender angehen müssen: „Die Menschen, die im Senegal in überfüllten Booten das Land Richtung Kanarische Inseln verlassen, sind zum Teil Opfer der EU-Fischereipolitik: Sie haben wegen europäischer und chinesischer Fernfangflotten keine Lebensgrundlage mehr.“
Versäumnisse sieht auch die Europaabgeordnete Hildegard Bentele. „Im Hinblick auf die Beziehungen der EU zu Afrika bedauere ich es, dass wir uns weiter im gleichen Rahmen bewegen wie die letzten 20 Jahre und diesen wieder für 20 Jahre festschreiben“, erklärte die CDU-Politikerin. Das Europaparlament muss dem Vertrag noch zustimmen. Ein Hindernis dafür war bisher die geplante Abschaffung der gemeinsamen parlamentarischen Versammlung von EU- und AKP-Abgeordneten. Sie soll nun doch bleiben, allerdings nur noch ein- statt zweimal jährlich tagen. Daneben sollen ad hoc weitere gemeinsame Versammlungen von EU-Abgeordneten mit Parlamentariern aus den drei AKP-Regionen stattfinden.
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