Das kann man wohl einen Paukenschlag nennen: Seit vielen Jahren hat sich die Katholische Landjugendbewegung (KLJB) klar gegen grüne Gentechnik ausgesprochen; in gewisser Weise gehörte das zum Selbstverständnis der Bewegung, die sich mit Fragen ländlicher Entwicklung und umweltschonender Landwirtschaft befasst. Nun aber plädiert die KLJB-Bundesvorsitzende Sarah Schulte-Döinghaus für einen Neustart der Debatte. In einem Editorial für das KLJB-Magazin „Bufo“ im vergangenen Jahr schrieb die 32-Jährige, sie fände es wichtig, „dass wir nicht einzelne Technologien per se verdammen“. Die Diskussion sollte ihrer Ansicht nach „ohne Dogmen und ideologische Voreinstellungen“ neu begonnen werden.
Ein Paukenschlag, ja, aber ein überraschendes Wendemanöver ist das nicht: Schulte-Döinghaus begrüßt nicht einfach eine bisher skeptisch betrachtete Technologie, sondern will neue Möglichkeiten unvoreingenommen bewerten. Anlass dafür sind Verfahren wie die sogenannte Gen-Schere CRISPR/Cas, deren Erfinderinnen gerade mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurden. Diese Technik hat nicht nur bei der katholischen Landjugend die Debatte neu entfacht. Auch bei den Grünen wurde im vergangenen Jahr heftig darüber diskutiert, nachdem eine Gruppe jüngerer Politikerinnen und Politiker der Ökopartei in einem Thesenpapier „neue Antworten“ forderte.
Dass die Front gegen Gentechnik in der Landwirtschaft bröckelt, hat zwei Gründe: Zum einen lassen sich mit der neuen Gen-Schere Merkmale von Pflanzen verstärken oder abstellen, ohne dass dafür fremdes Erbgut zugefügt werden muss. In der alten Gentechnik etwa werden Mais- oder Baumwollpflanzen Bakterien eingebaut, die sie resistent gegen Insektenschädlinge machen. Diese Manipulation mit artfremdem Erbgut lehnen viele Kritiker grundsätzlich ab. Mit den neuen Verfahren hingegen wird lediglich die DNA der Pflanze verändert. Das wird in der Züchtung schon lange gemacht, bisher nur umständlicher, etwa durch UV-Bestrahlung oder chemische Behandlung.
Potenzial auch für kleine Saatguthersteller?
Zum anderen wird die neue Gentechnik nicht von einigen wenigen großen Agrarkonzernen beherrscht, die bisher das Geschäft mit genverändertem Saatgut unter sich ausgemacht haben. Im Gegenteil: Fachleute sehen in der Gen-Schere großes Potenzial auch für kleine Saatguthersteller und öffentliche Forschungsstellen, weil das Verfahren vergleichsweise einfach und kostengünstig ist. Davon, so die Hoffnung, könnten auch Kleinbauern etwa in Afrika profitieren, die Pflanzen brauchen, die besser mit Trockenheit oder Schädlingen zurechtkommen.
In dieser Hinsicht ist die bisherige Bilanz der grünen Gentechnik dürftig – und die Skepsis in vielen Organisationen aus den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft und Entwicklung deshalb berechtigt. Die alte Gentechnik hat nicht zur Reduzierung von Hunger und Armut beigetragen, in Afrika spielt genverändertes Saatgut außer in Südafrika praktisch keine Rolle. Kommerziell angebaut werden heute vor allem insekten- und herbizidresistente Pflanzen wie Soja, Mais und Baumwolle, in der Regel auf großen Monokulturen in Nord- und Südamerika. Neben den Großgrundbesitzern dort profitieren davon vornehmlich Konzerne wie der Marktführer Monsanto, der seit dem Jahr 2018 zur Bayer AG gehört. Auch entwicklungspolitisch ausgerichtete Projekte wie der mit Vitamin A angereicherte Goldene Reis, an dem seit mehr als 20 Jahren geforscht wird, haben bislang vor allem viel Geld gekostet. Sie haben aber nicht geholfen, die Ernährung in ärmeren Ländern zu verbessern.
Die Gen-Schere ist noch zu neu, um ihren Beitrag zu einer umweltschonenden und entwicklungsfreundlichen Landwirtschaft zu bewerten. Bemerkenswert ist aber, mit welcher Hoffnung etwa die jungen Grünen in ihrem Thesenpapier heute schon auf sie blicken. Früher musste die Industrie den Segen neuer Technologien preisen. Heute erledigen das manche Kritiker von einst, indem sie mahnen, ohne die neue Technik werde es in Zukunft nicht gehen.
Es ist richtig, in der Debatte ideologische Scheuklappen abzulegen. Die neuen Techniken sind in der Welt; wer an einer zukunftsfähigen Landwirtschaft interessiert ist, sollte nicht so tun, als gäbe es sie nicht, sondern sich ernsthaft mit ihren Möglichkeiten auseinandersetzen. Andererseits dürfen wir großen Versprechungen „auch nicht blind hinterherlaufen“, wie Sarah Schulte-Döinghaus schreibt. Der neuen Gentechnik dürfen nicht vorschnell alle Tore geöffnet werden. Das Risiko ist zu groß, dass dann alternative Ansätze in der Landwirtschaft, die ohne Hightech auskommen, mehr und mehr an den Rand gedrängt werden. Solche Ansätze brauchen ärmere Bauern im globalen Süden aber weiterhin. Zumindest solange ihnen die Gentechnik nichts zu bieten hat.
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